UB Kassel erwirbt wichtigen Teilnachlass Franz Rosenzweigs

Die Bibliothek der Universität Kassel (UNIK) ist um einige tausend Briefe, Fotos und Dokumente reicher. Ein bedeutender Teilnachlass des jüdischen Religionsphilosophen Franz Rosenzweig (1886-1929) konnte jetzt mit öffentlicher und privater Unterstützung erworben werden. Das von Rosenzweigs Schwiegertochter Ursula Rosenzweig für 30.000 Euro angebotene Konvolut wird den Grundstock für intensive Rosenzweig-Forschungen an der UNIK und zu einem aufzubauenden Rosenzweig-Archiv bilden. An der Finanzierung durch Drittmittel haben sich die Hessische Kulturstiftung, die Sparkassen Kulturstiftung Hessen-Thüringen, die Stadt Kassel, die Buber-Rosenzweig-Stiftung, der Rotary Club Kassel-Wilhelmshöhe, ein anonymer Spender, der Kasseler Hochschulbund sowie diverse private Spender beteiligt.

Der Teilnachlass besteht aus sieben Ordnern, die teilweise Einzelbriefe, meist aber ganze Korrespondenzen enthalten. Es handelt sich somit um mehrere tausend Einzelstücke – Originale, Entwürfe, Abschriften und Kopien. Von diesen Briefen sind viele noch nicht, andere nur auszugsweise veröffentlicht. Zu den mehr als 100 Briefpartnern dieses Teilnachlasses zählen unter anderem der Religionsphilosoph Martin Buber, der Philosoph und Soziologe Eugen Rosenstock-Huessy, der Philosoph Hans Ehrenberg und der Biochemiker Eduard Strauss. Ergänzt wird der Teilnachlass durch einige 100 Briefe aus der Korrespondenz des Biologen Rudolf Ehrenbergs mit Rosenzweig, die Prof. Dr. Maria Ehrenberg einer zu gründenden Rosenzweig-Forschungsstelle an der UNIK zur Verfügung stellt. 

Franz Rosenzweig wurde 1886 in Kassel geboren. Er studierte Geschichtswissenschaft und Philosophie. 1921 erschien sein Hauptwerk \“Der Stern der Erlösung\“, eines der herausragenden glaubensphilosophischen Grundlegungen des 20. Jahrhunderts. 1920 wurde Rosenzweig Leiter des Freien Jüdischen Lehrhauses in Frankfurt. Wenig später erkrankte er an der Muskelkrankheit Amyotrophischer Lateralsklerose, die ihn nach und nach völlig lähmte. Rosenzweig starb am 10. Dezember 1929 in Frankfurt.

An der UNIK wird seit 1979 zu Franz Rosenzweig geforscht. Zum 100. Geburtsjahr Rosenzweigs organisierten die Philosophen der UNIK 1986 unter Leitung von Prof. Dr. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik einen ersten internationalen Kongress. 2004 fand zum 75. Todesjahr Rosenzweigs ein zweiter internationaler Rosenzweig-Kongress mit 90 Referenten und mehr als 400 Teilnehmern statt. Die nächste größere Rosenzweig-Konferenz wird in enger Kooperation mit der UNIK 2006 in Jerusalem stattfinden.

Bereits 1987 besteht die bundesweit einmalige Franz-Rosenzweig-Gastprofessur, auf die jeweils im Sommersemester aus antisemitischen Gründen emigrierte Philosophen und Wissenschaftler zu einem Gastsemester an die UNIK berufen werden. 2004 wurde eine Internationale Rosenzweig-Gesellschaft e.V. mit Sitz in Kassel gegründet, die derzeit weltweit 165 Mitglieder zählt. Zu ihrem ersten Präsidenten wurde UNIK-Professor Prof. Dr. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik gewählt. 

Es liegt also nahe, an der Universität Kassel über die laufenden Forschungsprojekte hinaus, mit den neu erworbenen Briefkonvoluten und Materialien eine Franz-Rosenzweig-Forschungsstelle mit einem Archiv aufzubauen. Ähnliche Archiv-Forschungsstellen zu Hermann Cohen (Zürich), zu Martin Buber (Jerusalem/Bonn), zu Hans Ehrenberg (Bochum/Bielefeld), zu Eugen Rosenstock-Huessy (Dartmouth, USA) bestehen seit längerem. Kooperationen befinden sich im Aufbau.

Aus Anlass der Erwerbung des Rosenzweig-Nachlasses wird Prof. Dr. Wolfdietrich Schmied-Kowarzik am Donnerstag, 29. Juni, 18 Uhr, über \“Franz Rosenzweigs Heimkehr nach Kassel in Briefen\“ referieren. Der öffentliche Vortrag in der Reihe \“Treffpunkt Eulensaal\“ findet statt im Eulensaal der Universitätsbibliothek- Landesbibliothek und Murhardschen Bibliothek, Brüder-Grimm-Platz 4a, 34117 Kassel. 

Bibliotheksdirektor Dr. Axel Halle wird Ursula Rosenzweig und Prof. Dr. Maria Ehrenberg als Ehrengäste der Familie Rosenzweig begrüßen. Veranstalter sind: Universitätsbibliothek Kassel, die Jüdische Gemeinde Kassel, die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und die Internationale Rosenzweig-Gesellschaft. 

Kontakt
Universität Kassel
Dr. Axel Halle
Leitender Direktor der Universitätsbibliothek
Diagonale 10
34127 Kassel
Tel. 0561/804 3726
halle@bibliothek.uni-kassel.de 

Quelle: idw / Universität Kassel, 22.6.2006

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