Historische Postkartensammlung dauerhaft ans Stadtarchiv Magdeburg verliehen

Magdeburgs Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper hat am 20. Juni 2011 aus den Händen von Jens Eckhardt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Kunst und Kultur der Stadtsparkasse Magdeburg, die historische Postkartensammlung der Familie Lück entgegengenommen. Sie kann ab sofort im Stadtarchiv Magdeburg genutzt werden.

Die Ansichtskartensammlung der Eheleute Annemarie und Johannes Lück umfasst rund 300.000 Karten, von denen ca. 12.000 einen stadtgeschichtlichen Bezug zu Magdeburg haben. Diese Karten sind bereits digitalisiert und für die Archivarbeit erschlossen. Die weiteren Ansichtskarten zeigen Städtefotos oder Landschaften aus aller Welt, vertreten sind auch sogenannte Anlasskarten, also Karten, die zu Geburtstagen oder Jubiläen verschickt wurden. Die ältesten Exemplare aus der Sammlung stammen von ca. 1875 und waren so genannte "Korrespondenzkarten".

"Ich freue mich, dass eine der größten und wertvollsten Sammlungen von Ansichtskarten unserem Stadtarchiv anvertraut wird", so Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper anlässlich der Übergabe. "Dies ist nicht nur ein Vertrauensbeweis gegenüber unserem Archiv, hier erhalten wir einen Schatz, der Wissenschaftlern und Heimatforschern vielfältige Möglichkeiten der Nutzung bietet." Teile der Sammlung waren bereits in verschiedenen Ausstellungen zu sehen, z.B. in der Präsentation "Magdeburg gesammelt" zum Stadtjubiläum oder im IBA-Shop, wo ca. 600 Karten aus der Sammlung zeigten, wie die Magdeburger um die Jahrhundertwende von, mit und an der Elbe lebten.

Die beeindruckenden Bildzeugen informierten über historische Ereignisse, Ausflugsziele, Gaststätten, Sportanlagen, Badeanstalten, Brücken, Fähren, Häfen und Stadtteilansichten. Die Ansichtskartensammlung der Eheleute Lück bleibt Eigentum der Stiftung Kunst und Kultur der Stadtsparkasse Magdeburg. Sie wird dem Archiv als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. Das Stadtarchiv wird die Sammlung schrittweise für die Nutzung erschließen. "Wir übergeben dem Stadtarchiv Magdeburg sehr gern unsere Sammlung als Dauerleihgabe", begründet der Vorstandvorsitzende der Stiftung Kunst und Kultur der Stadtsparkasse, Jens Eckhardt die Übergabe. "Hier ist das Personal mit dem entsprechenden historischen Fachwissen und den fundierten Erfahrungen, hier ist die Sammlung gesichert, hier wird sie erschlossen, sorgfältig aufbewahrt und der Forschung sowie interessierten Bürgerinnen und Bürgern zugänglich macht. Alles das konnten wir als Stiftung nicht immer gewährleisten."

Die Idee zur Einführung der Postkarte teilen sich der Österreicher Dr. Emanuel Herrmann (1869) und der Deutsche Heinrich von Stephan (1870). Die Postkarte (früher Correspondenzkarte, Carta postale) ist eine offene Karte, die auf der Vorderseite neben dem Wertstempel (Briefmarke) die Adresse und auf der Rückseite Platz für schriftliche Mitteilungen enthält (s. Meyers Konversationslexikon 1897). Mitteilungen ohne Briefumschlag, offen lesbar auch für Unbeteiligte – ein solches Kommunikationsmittel hielt die Postverwaltung lange für "unschicklich". Erst 1870 führte die norddeutsche Post die "Korrespondenzkarte" ein und es war zunächst der deutsch-französische Krieg, der sofort für reißenden Absatz sorgte: Denn als Feldpostkarte wurde das neue Medium kostenlos zwischen Front und Heimat befördert. Ein Bild sah die von der Post entworfene Korrespondenzkarte nicht vor. Aber am 16.7.1870, dem Tag der Mobilmachung, gab ein Oldenburger Buchdrucker eine Karte auf, die er selbst mit einer kleinen Illustration zum Thema "Es gibt Krieg" versehen hatte. Adressiert war diese Karte, die als erster Vorläufer der Ansichtskarten gilt, an die Schwiegereltern des Druckers – in Magdeburg.

Privat hergestellte Karten beförderte die Post ab 1872, kommerziell arbeitende private Verlage mussten noch warten: 1885 erhielten sie die offizielle Erlaubnis Bildpostkarten herzustellen und zu vertreiben. Und damit begann nun das "Goldene Zeitalter" der Ansichtskarte. 88 Millionen Karten wurden 1899 allein in Deutschland produziert, 5 Jahre später waren es über 1 Milliarde. Es gibt auf den Karten Kitsch, Kurioses, Frivoles, Kaiser- und Fürstenhäuser, Politisches, Propaganda, Soldaten, Krieg, Dichter, Denker und die ach so beliebten Frauengestalten in graziöser Pose (besonders im Jugendstil) zum Verschicken und Sammeln. (Zitat aus: Udo Christoffel, Berlin-Wilmersdorf in Stadtansichten, Berlin 1984, S. 12)

In dieser Zeit um 1900 war die Postkarte das erste und einzige Medium, das massenweise Bilder in die Welt schickte. Jede einzelne Ansicht war eine kleine Sensation und entsprechend begehrt. Nicht nur bei Sendern und Empfängern, sondern auch bei Liebhabern: Schon in den 1890er Jahren gründeten Postkartensammler Vereine, Sammlerzeitschriften und -alben erschienen auf dem Markt. Darüber hinaus wurden zu bestimmten Themen wie Badeleben, Fliegers Werben, Liebesfreuden, etc. Folgen und Serien herausgegeben, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Die Karten waren Zeichnungen, Stahlstiche, Holzschnitte (manchmal auch nur Stempel) und natürlich hochwertige Fotografien. Es waren oft Erzeugnisse hoher Druckqualität, jedoch veränderten die Operateure oft die Oberfläche mit Lack und Firnis, durchsichtigen Folien und Perlmutt (besonders bei Nachtaufnahmen und "Mondkarten") und auch Glaskügelchen, Metall und farbigem Sand. Prägekarten mit Stoff, Seide und Plüsch sind keine Seltenheit und sogar "duftende Postkarten" wurden verschickt.

Neben den besonderen gesellschaftlichen und politischen Höhepunkten wurden unvorhersehbare Ereignisse wie Trockenheit der Elbe, Naturkatastrophen, Schiffsunfälle, Flugzeugabstürze, Eisenbahnunfälle etc. gezeigt. Aber auch das tägliche Leben oder das im Urlaub, seltene Daten (wie 11.12.13) bis hin zu Besonderheiten (der dickste Mann der Welt, der älteste Zooelefant in Leipzig) werden auf Postkarten dokumentiert. Oft mit Rahmen, sind u. a. auch Hufeisen, Kleeblatt, Fisch, Taube oder Briefbote dargestellt. Feste, Tagungen, Ausstellungen und auch der erste Mai (erstmalig 1890) nutzten die Möglichkeiten der Postkarten – oft mit einem Standardtext -, die zum halben Preis eines Briefes verschickt werden konnten.

Bis 1905 war die eine Seite der Postkarte nur der Anschrift, dem Absender und dem Poststempel vorbehalten und Mitteilungen waren lediglich auf der Bildseite erlaubt. So erklären sich die oft beschriebenen Ansichten oder die kleinen Formate der Ansichten und Fotos. Das Lesen der Texte zeigt neben den alltäglichen Dingen auch Geschäfte auf. "Morgen, Donnerstag früh gegen 12.00 Uhr, werden wir den Hund, der auf den Namen "Lug" hört, per Eilgut Ihnen nach Goslar zu…" Jedoch oft überwiegt das scheinbar Banale, es sind ja keine Briefe, die auf die Waage gelegt werden. Die Postkarten sprechen uns heute, 100 Jahre später, mit geschraubten Texten, eleganter, unbeholfener, hastiger, jugendlicher und kindlicher Schönschrift an, oft in Bierlaune und/oder Urlaubsstimmung geschrieben… "In alter Frische, Dein Ottchen".

Aus der ersten Generation von Ansichtskartensammlern stammte der Großvater von Annemarie Lück. Seine Sammlung wie seine Leidenschaft gab er an die Enkelin weiter, die wiederum steckte um 1960 ihren Mann an – gemeinsam haben Annemarie und Johannes Lück über 40 Jahre lang rund 300.000 Postkarten aus aller Welt zusammen getragen, ca. 12.000 davon sind Magdeburger Karten. Karten in Alben, in gut sortierten Archivschränken, in Mappen, Kisten und Kästen. Erwerbsdaten auf jeder Karte notieren, dazu ein Archivbuch führen – Sammeln macht nicht nur Spaß, es macht auch Arbeit, verschlingt Zeit, Kraft und Platz. Fast jeder Sammler stößt irgendwann an zumindest eine dieser Grenzen. Und dann? Was passiert mit der Sammlung, wenn der Sammler nicht mehr kann? Findet sich niemand, der die Kapazitäten besitzt, eine komplette Sammlung zu übernehmen, wird sie zerlegt und in Einzelteilen verkauft. Um dies zu verhindern hat die Stiftung Kunst und Kultur der Stadtsparkasse Magdeburg die Sammlung Lück gekauft. Und zwar nicht wegen ihres Handelswertes, sondern um 300.000 Belege gepflegter Dokumentationslust eines Magdeburger Ehepaars zu bewahren. Und um ca. 12.000 historische Magdeburger Ansichtskarten in der Stadt und für die Stadt zu erhalten.

Kontakt:
Stadtarchiv Magdeburg
Bei der Hauptwache 4
39104 Magdeburg
Telefon: 0391/5402515
archiv@magdeburg.de

Quelle: Stadt Magdeburg, Pressemeldung, 20.6.2011

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.