Stadt Olpe will Archivleiterstelle streichen

Offener Brief an den Bürgermeister und die Stadtverordneten der Kreisstadt Olpe:

Der Blog der Archive im Kreis Siegen-Wittgenstein „siwiarchiv.de“ dokumentiert den Offenen Brief von Dr. Roswitha Kirsch-Stracke und Dr. Hans-Bodo Thieme vom 23.1.2023 (mitsamt den Unterzeichnenden) sowie den Vorgang um die beabsichtigte Streichung der Olpe Stadtarchivleitungsstelle und Reaktionen aus der Bevölkerung und in der Presse:

Stadt Olpe plant die Archivleiterstelle zu streichen

Der Text des Offenen Briefes lautet:

„Sehr geehrter Herr Bürgermeister Peter Weber,
sehr geehrte Damen und Herren der Stadtverordnetenversammlung,
die Position des Olper Stadtarchivars soll, nachdem der jetzige Stelleninhaber Mitte 2024 in den Ruhestand verabschiedet werden wird, nicht mehr wiederbesetzt werden – so nachzulesen im Stellenplan der Stadt („kw-Vermerk“, [S. 3]).
Offensichtlich wird diese Stelle als entbehrlich betrachtet oder aus fiskalischen Gründen gestrichen, um damit augenscheinlich die neue Stelle eines Museumsleiters zu finanzieren – ohne dass vor 2026 ein „Museum“ realisiert werden wird.

Wir, die Unterzeichneten, stellen daher die Frage, nach welchem Konzept in Zukunft das Stadtarchiv Olpe geführt werden soll und wie die nachstehend beschriebenen Aufgaben durch die Archivleitung bewältigt werden können. Wir halten es aus den angeführten Gründen für dringend geboten, die Voll­zeitstelle der Archivleitung noch vor dem Ausscheiden des heutigen Stellen­inhabers mit einem fachlich ausgebildeten und qualifizierten Archivar oder einer Archivarin wieder neu zu besetzen. Anderenfalls würde ein in über vier Jahrzehnten aufgebautes Archiv, das mit viel Fachwissen und erheblichem finanziellen Aufwand eingerichtet wurde, ohne Not zur Disposition gestellt werden.
Als Konsequenz würde auch ein über lange Zeit aufgebautes, gepflegtes und motiviert arbeitendes Archiv-Team ehrenamtlich tätiger Personen keine Zukunft mehr sehen.

Sie sollten bedenken,
1. dass ein Archiv und ein Museum zwei völlig unterschiedliche Einrichtungen mit völlig unterschiedlichen Aufgaben und Schwerpunkten sind und dass die Arbeit des Ersteren zu den verpflichtenden Aufgaben einer Kommune, die des letzteren zu den freiwilligen Leistungen zählt,
2. dass dem Geist und den Bestimmungen des Archivgesetzes für NRW nicht entsprochen wird, wenn die vakant werdende Archivstelle nicht in gleicher Weise wie bisher wiederbesetzt wird. Nach dem Archivgesetz NRW müssen „die Archive … archivfachlichen Anforderungen entsprechen, indem sie … hauptberuflich von Personal betreut werden, das die Befähigung für eine Laufbahn des Archivdienstes besitzt oder sonst fachlich geeignet ist, oder von einer Dienststelle fachlich beraten werden, bei der … ein Archivar … tätig ist.“
Mit einer nur stundenweise oder gar fachfremd eingestellten Archivkraft kann die Arbeit im Olper Stadtarchiv nicht geleistet werden,
3. dass die hauptamtliche Olper Archivstelle kassiert werden soll, obwohl hierzu eine detaillierte Stellungnahme und ein damit verbundener Einspruch durch das für das Archivwesen zuständige Archivamt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster vorliegen,
4. dass das Archiv die Unterlagen der Stadtverwaltung (Registraturgut einschl. der Digitalisate) nach dem Ende der Aufbewahrungsfristen übernimmt, sichert, erschließt und für eine Benutzung zugänglich macht und so kontinuierlich die Grundlage für das Nachvollziehen von Entscheidungen der Stadtverwaltung, für Rechtssicherheit und für spätere Forschungen zur Olper Geschichte schafft,
5. dass das Olper Stadtarchiv (neben dem Siegener Archiv) die umfangreichsten Archivbestände in Südwestfalen aufweist, die sogar bis ins hohe Mittelalter zurückreichen,
6. dass es hier in Südwestfalen mit seinen 2.000 Zeitungsbänden das wertvollste Zeitungsarchiv besitzt, darunter das „Sauerländische Volksblatt“ (ab 1840) als Leihgabe des Heimatvereins Olpe,
7. dass das Olper Archiv die bedeutende heimatkundliche Bibliothek und das Archiv des Heimatvereins beherbergt, betreut und kontinuierlich erweitert,
8. dass der derzeitige Stadtarchivar eine Vielzahl von ihm eingeworbener, erbetener oder ihm aus Sicherungsgründen übergebener Deposita sicher verwahrt, von denen sicherlich eine Anzahl von den Leihgebern zurückgefordert werden, da deren konservatorische Betreuung und sichere Verwahrung nicht mehr gewährleistet wäre,
9. dass im Olper Stadtarchiv wertvolle Vereinsarchive deponiert sind und vom Stadtarchivar betreut werden – so das weithin bekannte Archiv des Olper Schützenvereins St. Sebastianus oder das des Heimatschutzvereins Rhode, dazu viele weitere Vereins- und Firmenarchive,
10. dass das Olper Stadtarchiv aufgrund seiner Archivbestände und deren kontinuierlicher Betreuung und Zugänglichkeit hohes Ansehen genießt – weit über Stadt und Region hinaus,
11. dass eine Einwerbung weiterer, für die Geschichte von Stadt und Land Olpe wichtiger Dokumente und Artefakte (Archivalien, Abbildungen, Fotos etc.) aus der Bevölkerung dadurch unterbunden wird,
12. dass die regionalgeschichtliche und heimatkundliche Forschung, auch durch viele ehrenamtlich tätige Bürger, irreparablen Schaden nähme, könnte sie nicht durch einen hauptamtlichen Archivar gefördert, betreut und begleitet werden,
13. dass die Archivbenutzung durch hiesige und auswärtige Besucher – vor Ort oder virtuell – eingestellt oder deren fachliche Betreuung unzumutbar eingeschränkt werden müsste und darüber hinaus die für den hiesigen Raum bedeutsame Familienforschung zum Erliegen käme,
14. dass schulische Projekte, Facharbeiten und studentische Arbeiten nicht mehr wie bisher betreut werden könnten,
15. dass in den Nachbarstädten Kreuztal (2) und Attendorn (2) jeweils mehrere fachlich ausgewiesene Archivkräfte angestellt sind und dass man in Attendorn vorbildhaft die Stellen des bisherigen und des neuen Stadtarchivars ein Jahr lang hat überlappen lassen,
16. dass die zunehmende Digitalisierung des Schriftgutes und mehr noch die Übernahme des heute nur noch rein digital entstehenden Registraturgutes sowie deren digitale Verwaltung, Aufbewahrung und Pflege ein neues, zusätzliches und ausgesprochen umfangreiches Arbeitsfeld für den Stadtarchivar darstellt, so dass nach Stellungnahme des Archivamtes sogar eine personelle Erweiterung im Archiv angemessen wäre, wobei die derzeitige Drittelstelle (von Frau Annalena Schäfer) keineswegs ausreichend ist,
17. dass die konservatorische Behandlung des vorhandenen Archivgutes (z.B. Entsäuerung und Restaurierung) gewährleistet sein muss und zu den kontinuierlichen und unverzichtbaren Aufgaben des Stadtarchivars
gehört,
18. dass die historische Grundlage für das angedachte Olper Museum wegfiele, könnte es sich nicht auf die Bestände, Erkenntnisse und Arbeiten des Stadtarchivs beziehen und von ihnen profitieren,
19. dass die Stadtgeschichtsschreibung und auch die kontinuierliche Führung der Stadtchronik, wie sie bisher durch das vom Stadtarchivar betreute und herausgegebene Jahrbuch des Heimatvereins „Olpe in Geschichte und Gegenwart“ seit 1993 geleistet wird, zu den Pflichtaufgaben eines Stadtarchivs gehört.

Wir begrüßen ausdrücklich die Initiative für ein künftiges Stadtmuseum in Olpe, weisen allerdings darauf hin, dass es keine zukunftsfähige Lösung sein kann, die schon besetzte Museumsleiterstelle auf Kosten einer hauptamtlichen Archivleitung zu installieren. Dies hinzunehmen würde einerseits einen deut­lichen Verlust für die Reputation der Olper Stadtkultur bedeuten, andererseits ein unzureichendes Fundament für das entstehende Stadtmuseum darstellen.
Aus all diesen Gründen appellieren wir an den Bürgermeister und die Stadt­verordnetenversammlung der Stadt Olpe, den „künftig wegfallend“-Vermerk aus dem Stellenplan zu streichen und die Vollzeitstelle der Archivleitung noch vor dem Ausscheiden des heutigen Stelleninhabers mit einem fachlich aus­gebildeten und qualifizierten Archivar oder einer Archivarin wieder neu zu besetzen, damit das Stadtarchiv als bisher hochgelobtes „Gedächtnis der Stadt“ lebendig bleibt, fortgeführt, auch weiterhin von allen interessierten Bürgern und Fachleuten uneingeschränkt genutzt werden kann und somit das Ansehen der Stadt in dieser Hinsicht auch zukünftig erhalten bleibt.

Olpe, den 23. Januar 2023 – im Jahr des 40-jährigen Bestehens des hauptamtlich geleiteten Stadtarchivs Olpe

Dr. Roswitha Kirsch-Stracke
Dr. Hans-Bodo Thieme

(Kontakt:  dr.bodo.thieme@gmail.com, Tel. 02761-61132)“

Quelle: Hier nochmal der Link auf den gesamten Blogbeitrag auf siwiarchiv (Dank an Thomas Wolf)

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