Neue Vor- und Nachlässe im Universitäts- und Hochschularchiv Osnabrück

Neben der Überlieferung von Unterlagen aus Verwaltung, Forschung und Lehre, übernimmt das Universitäts- und Hochschularchiv Osnabrück (situiert im Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Osnabrück) auch Vor- und Nachlässe von bedeutenden Universitätsangehörigen. Als Vorlässe werden dabei die Übernahmen bezeichnet, die zu Lebzeiten und nach Rücksprache mit der Person stattgefunden haben. Planungen zu einer geordneten Übernahme werden oftmals bereits im Rahmen des Eintritts in den Ruhestand vorgenommen. Die Übernahme von Nachlässen ist dagegen oftmals dem Zufall oder dem Engagement der Hinterbliebenen geschuldet, die sich an das Archiv wenden. Die Nutzung der Vor- und Nachlässe unterliegt den archivgesetzlichen Regelungen oder individuellen Absprachen, so dass der Datenschutz, eine sichere Verwahrung und perspektivisch eine wissenschaftliche Nutzung gewährleistet ist.


Abb.: Das Universitäts- und Hochschularchiv Osnabrück archiviert u.a. Vor- und Nachlässe sowie Sammlungen (Auszug Webseite)

Bei den Kriterien zur Übernahme ist dabei nicht alleine die wissenschaftliche Leistung ausschlaggebend – denn eine große Zahl von Professor:innen der Universität Osnabrück kann nach der Emeritierung auf beachtliche Leistungen in Forschung und Lehre zurückblicken. Zentral ist bei der Übernahme eines Vor- oder Nachlasses auch, inwiefern die Personen entscheidend bei der Gestaltung der Weiterentwicklung der Universität mitgewirkt haben oder welche Rolle sie im städtischen Kontext oder darüber hinaus hatten. Letztgenannter Aspekt ist für die Osnabrücker Abteilung des Landesarchivs von besonderem Interesse, weil sich oftmals Synergieffekte mit den ebenfalls dort aufbewahrten Archiven der Stadt, des Landkreises und der kreisangehörigen Gemeinden ergeben. Und schließlich wird auch jeweils geprüft, ob man durch die Übernahme eines Vor- oder Nachlasses Lücken in der Verwaltungsüberlieferung schließen kann. Die in den vergangenen Jahren übernommenen Vorlässe von Klaus Bade, Christian von Bar und Rainer Künzel sowie die Nachlässe von Jutta Held und Tilman Westphalen erfüllen jeweils mehrere dieser Kriterien.

Prof. Dr. Klaus J. Bade, geb. 1944 in Sierentz/Elsass, studierte Geschichte, Germanistik, Politik- und Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg, wo er auch 1972 promoviert wurde und sich 1979 habilitierte. Nach einer Lehrstuhlvertretung an der Universität Augsburg 1980/81 wurde er 1982 auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Neueste Geschichte (19./20. Jahrhundert) an der Universität Osnabrück berufen, den er bis zu seiner Emeritierung 2007 innehatte. Einen Ruf an die Universität Freiburg lehnte er 1993 ab. Von besonderer Bedeutung für die Osnabrücker Universitätsgeschichte ist die durch ihn initiierte Gründung des „Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien“ (IMIS), dem er 1991-1997 und 2002-2005 als Direktor vorstand. Der Träger der Osnabrücker Möser-Medaille und des Bundesverdienstkreuzes Erster Klasse war auf Bundesebene u.a. auch Initiator des Rats für Migration (RfM), der Gesellschaft für Historische Migrationsforschung (GHM) und des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Arbeitsfelder von Klaus J. Bade sind die Sozial-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte, Migration und Integration in Geschichte und Gegenwart, Migrations- und Integrationspolitik sowie kritische Politikbegleitung und -beratung. Der Vorlass enthält u. a. Unterlagen zum akademischen Werdegang und zu seinem Engagement als Wissenschaftler, Publizist, Verbands- und Politikberater.

Professor Dr. Dr. h. c. mult. Christian von Bar, FBA, geb. 1952 in Hannover, studierte von 1970 bis 1974 Rechtswissenschaften in Freiburg, Kiel und Göttingen. Nach dem Ersten und Zweiten Staatsexamen (1974/1977) und der Promotion (1976) wurde von Bar 1979 an der Universität Göttingen habilitiert. Es folgten Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Bochum und Bonn. 1981 wurde von Bar auf eine Professur für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht am neu errichteten Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück berufen. Christian von Bar war nicht nur als Wissenschaftler und Hochschullehrer in Osnabrück tätig: Von 1985 bis 2003 war er Vorstandsmitglied im Institut für Europarecht, 1987 gründete er das Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung, dessen Direktor er auch bis 2003 war, sowie 2003 das daran anschließende European Legal Studies Institute (ELSI), dem er bis 2020 vorstand. Rufe an die Universität München (1987) und an die Universität Heidelberg (1991) lehnte er ab. Von 1999 bis 2010 war Christian von Bar außerdem Leiter der Study Group on a European Civil Code. 2018 erhielt der mehrfach mit Ehrendoktorwürden und Preisen ausgezeichnete Rechtswissenschaftler das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Der Vorlass enthält u. a. Unterlagen zum akademischen Werdegang, Korrespondenzen sowie Akten zu federführenden Tätigkeiten in Kommissionen auf europäischer Ebene.

Prof. Dr. Jutta Held (1933-2007) studierte an den Universitäten Tübingen, Freiburg/Breisgau, Münster und Hamburg. 1961 wurde sie zum Thema „Farbe und Licht in Goyas Malerei“ an der Universität Hamburg promoviert. Nach verschiedenen Stationen an Museen und Forschungsaufenthalten in Frankreich und Spanien war sie von 1969 bis 1971 Assistant Professor an der Queen’s University Kingston/Kanada. Im Jahr 1974 wurde Held an die neu gegründete Universität Osnabrück berufen, wo sie den Aufbau der Kunstgeschichte maßgeblich verantwortete und den interdisziplinären Austausch z. B. mit dem Institut für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit beförderte. 1985 begründete sie die „Guernica-Gesellschaft“ zur Erforschung der antifaschistischen Kunst und Antikriegskunst. Der Nachlass enthält u. a. Unterlagen zum akademischen Werdegang, zur Entwicklung des Faches Kunstgeschichte an der Universität Osnabrück sowie zum Graduiertenkolleg „Bildung in der Frühen Neuzeit“.

Prof. Dr. Rainer Künzel, geb. 1942 in Berlin, studierte an der Freien Universität Berlin von 1962 bis 1967 Volkswirtschaftslehre. Nach Abschluss des Studiums war Künzel wissenschaftlicher Assistent am Institut für angewandte Wirtschaftstheorie und Ökonometrie, 1974 erfolgte die Promotion. 1976 wurde er auf die Professur für Wirtschaftstheorie am Fachbereich Sozialwissenschaften der Universität Osnabrück berufen. Künzel war u.a. Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften sowie Mitglied der Aufbaukommission des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften, von 1987 bis 1989 war er Vizepräsident der Universität Osnabrück. Von 1990 bis 2004 leitete Künzel als zweiter Präsident nach Manfred Horstmann die Geschicke der Universität Osnabrück. In diese Zeit fiel auch seine Tätigkeit als Vorsitzender der Landeshochschulkonferenz Niedersachsen (1993-1998) und als Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (1994-2000). Der Vorlass enthält u. a. Unterlagen zum akademischen Werdegang, Reden und Handakten aus der Zeit als Präsident sowie zu seiner Tätigkeit als Akademischer Direktor der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur (ZEvA), Hannover sowie als Mitglied der Wissenschaftlichen Kommission des Landes Niedersachsen.

Professor Dr. Tilman Westphalen (1935-2021) studierte von 1955 bis 1960 Anglistik und Sport an der Sporthochschule Köln sowie der Universität zu Köln. Seine Promotion erfolgte im Jahr 1967 an der Ruhr-Uni Bochum, wo er auch von 1963 bis 1972 als Wissenschaftlicher Angestellter tätig war. In dieser Zeit war Westphalen ebenfalls zeitweilig Vorsitzender der Bundesassistentenkonferenz (BAK). Von 1972 bis zu seiner Emeritierung hatte Westphalen eine Professur für Anglistik an der Universität Osnabrück inne. Westphalen wirkte aber nicht nur in Forschung und Lehre in Osnabrück: Er beschäftigte sich mit einer Vielzahl von Themen auch außerhalb der Universität. Dabei ist sein Name vor allem mit seinen Forschungen zu Erich Maria Remarque verbunden: 1986 gründete er die Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft. Dem daraus entstandenen Erich Maria Remarque-Friedenszentrum stand er bis 2000 als Leiter vor. In den 1990er Jahren war er außerdem für die Neuausrichtung der Osnabrücker Friedensgespräche zuständig. Der Nachlass Westphalens, noch als Vorlass übernommen, enthält Unterlagen zu seinem akademischen Werdegang, zu Forschung und Lehre u. a. aus den Anfangsjahren der Universität und dokumentiert seine vielfältigen Aktivitäten in Stadt und Landkreis Osnabrück.

Das Universitäts- und Hochschularchiv Osnabrück freut sich über die Neuzugänge und das entgegengebrachte Vertrauen der Vorlassgeber bzw. der Familienangehörigen.

Kontakt:
Universitätsarchiv
Nds. Landesarchiv – Abteilung Osnabrück
Dr. phil. Thorsten Unger
Schloßstr. 29
49074 Osnabrück
Tel.: +49 541 33162-31
Fax: +49 541 33162-62
thorsten.unger@uni-osnabrueck.de

Quelle: Niedersächsisches Landesarchiv, Neuigkeiten, 2023

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