Historische Bildungsarbeit – Öffentlichkeitsarbeit. Eine theoretische Annäherung

Das Letzte, was einen Archivpädagogen an der Bildungsarbeit interessiert, ist die Theorie. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn schließlich zeichnen sich ja gerade die Archivpädagogen und jene Archivmitarbeiter, die mit der Archivpädagogik, mit der Historischen Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit befasst sind, durch ihre praktischen Veranlagungen, durch ihr Organisationstalent, ihre Kreativität und ihre Vermittlungskompetenz besonders aus. (Ich hoffe, dass ich durch diese positiven Zuschreibungen noch mal die Kurve gekriegt habe angesichts meines ein wenig indignierenden Einleitungssatzes, übrigens ein abgewandeltes Zitat des amerikanischen Sexualforschers Kinsey, der dies auf Frauen und die Liebe bezog). Zudem bin ich ja gerade von Archivpädagogen eingeladen worden, hier eine theoretische Annäherung an die Historische Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit, halt: an die Historische Bildungsarbeit Spiegelstrich Öffentlichkeitsarbeit zu wagen. Ich danke für diese undankbare Aufgabe, zwischen einer szenischen und einer praktischen Annäherung an die Bildungsarbeit[1] nun die „dröge“ Theorie verbreiten zu dürfen. Nehmen Sie mich also am besten als unumgängliche Brücke zwischen den blühenden Ufern der Praxis!

Nun zur Sache: Ich habe über ein Thema zu berichten, das eigentlich aus mindestens zwei Bereichen besteht. „Mindestens“ sage ich, weil neben der Historischen Bildungsarbeit und der Öffentlichkeitsarbeit natürlich auch die Archivpädagogik ein originärer Aspekt des abzusteckenden und zu verortenden Tätigkeitsfeldes ist. Diese babylonische Begriffsvielfalt hat, wie sollte es anders sein, historische Ursachen.[2] Sie liegt in der Genese einer Disziplin begründet, die seit Jahrzehnten um Akzeptanz innerhalb der Archivszene und der archivarischen Ausbildung ringt. Ich kann nicht sehen, dass Historische Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit, dass Archivpädagogik oder auch Archivmarketing – ich spreche summarisch ganz gern von „Historischer Kommunikation“ – heute bereits adäquat etablierte Aufgabenbereiche im Kanon der archivischen Praxis wären. Erfreulich ist immerhin, dass die Historische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen für Archivare und andere Kulturarbeiter eine gewisse Tradition aufweisen kann,[3] dass es sie auch schon als eigenes Referat innerhalb von Landesarchivverwaltungen gibt, so in Baden-Württemberg,[4] und dass sie jetzt auch mit Frau Prof. Susanne Freund als Lehrgebiet an der Fachhochschule Potsdam verankert ist. Herkömmlich aber hat sich die Historische Bildungsarbeit als Resultat eines Außen- und Binnendruckes in verschiedenen Nischen der archivischen Landschaft eingenistet, dabei Freiräume erkannt und genutzt („Spielwiesen“ hat Clemens Rehm das einst genannt)[5]. Nachdem die Geschichtswissenschaften seit den achtziger Jahren durch diverse kultur- und alltagsgeschichtliche Erweiterungen allmählich wieder Boden gegenüber den Sozialwissenschaften zur Erklärung der Welt gut machen konnte, eröffnete sich auch ein Arbeitsfeld für Historische Bildungsarbeit, die sich im Konkreten durch die Arbeit mit und in Archiven nähren konnte.[6] Historische Bildungsarbeit der Archive geschieht dabei traditionell adressatenorientiert, in Gestalt der Archivpädagogik speziell in Zusammenarbeit mit Schulen, Schülern und Lehrern als ausgewählter Öffentlichkeit. Man könnte Historische Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit so zuordnen, dass das eine als Unterabteilung des anderen zu behandeln wäre. Das ist aber nicht mein Verständnis beider Aufgabenfelder. Im Archivwesen ist Historische Bildungsarbeit Öffentlichkeitsarbeit mit pädagogischen, didaktischen und historisch-kritischen Mitteln. Und Öffentlichkeitsarbeit ist Historische Bildungsarbeit mit journalistischen und Marketing-Instrumenten.

Dass ein Deutscher Archivtag sich dem Rahmenthema „Archive und Öffentlichkeit“ widmet, ist dabei nichts Neues. Denn bekanntlich lautete bereits das Thema des 45. Deutschen Archivtags in Kiel 1969 „Archivische Öffentlichkeitsarbeit“. Und führt man sich in diesem Zusammenhang noch einmal Hans Booms’ damaligen Vortrag über Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Öffentlichkeitsarbeit der Archive vor Augen,[7] so kommt seinen Aussagen eine geradezu erschreckende Aktualität zu und man muss besorgt fragen, ob wir eigentlich gar nicht vorangekommen sind in all den Jahren: Bereits Booms konnte einen gewissen Trend zur Implementierung von PR und Öffentlichkeitsarbeit in öffentlichen Verwaltungen feststellen, bemerkte das Imageproblem der Archive und die notwendige Erweiterung des archivarischen Berufsbildes; er nahm definitorische Unterscheidungen zwischen archivischer Selbstdarstellung und öffentlicher Bildungsarbeit vor und sprach nicht nur vom historischen Datenspeicher Archiv, sondern vor allem von der Verpflichtung der Archivare, sich im Kontext der „Freedom of Information“ an der Bildung der demokratisch strukturierten Öffentlichkeit zur politischen Mündigkeit zu beteiligen. Die Passage aus Willy Brandts erster Regierungserklärung, die fünf Wochen nach dem Kieler Archivtag gehalten wurde – „Wir wollen mehr Demokratie wagen“ – könnte auch von Hans Booms stammen, und eigentlich reicht es aus, sich seinen Vortrag jeden Morgen vor Augen zu führen, um engagiert das eigene Tagewerk zu beginnen.

Was ist also alles nicht geschehen in den vergangenen 37 Jahren?

  •  Das Image der Archive ist nicht positiv.

  • Die Öffentlichkeitsarbeit der Archive geschieht nicht effizient.

  • Die Historische Bildungsarbeit ist kein selbstverständlicher Bestandteil des archivarischen Tätigkeitsfeldes.

  • Es gibt keine Archivwissenschaft und keine Archivdidaktik[8].

  • Das Berufsbild des Archivars ist vertikal, nicht horizontal differenziert.

  • Es gibt zu wenig Verständnis von und für Archivmanagement.

Ich weiß, die Liste ist schroff und undifferenziert. Sie wird den zahlreichen konstruktiven Initiativen und Ansätzen aus all diesen Manko-Bereichen nicht gerecht. Ich werde jetzt dennoch nicht jene Literatur zitieren, die mich im Detail widerlegen könnte und die uns glauben machen könnte, dass wir uns – nennen wir es ruhig archivpolitisch – auf dem richtigen Wege befinden. Denn zum einen ließe sich die Liste noch wesentlich verlängern, und zum anderen hat ein wirklicher Bewusstseinswandel für ein modernes Verständnis von den Aufgaben des Archivs unter den Prämissen der Historischen Bildungsarbeit und Öffentlichkeitsarbeit in der Breite noch nicht stattgefunden. Mentalitäten ändern sich bekanntlich am schwerfälligsten.

Aber woran liegt es letztlich, dass all die Ansätze, die wir in den verschiedenen Disziplinen des Archivwesens zur Reform desselben sowie zur Reform der Ausbildung der Zunft vorgenommen haben, nicht (oder noch nicht) greifen?

Sicherlich hat es mit dem heterogenen und fachgruppenverteilten Archivwesen in Deutschland zu tun. Was eine Chance für dezentrale Lösungsmodelle und fachlich eigenständige Wege sein könnte, stellt sich häufig genug als Wettbewerbssituation unter eitlen Konkurrenten dar. Die Reform vieler Landesarchivdirektionen erweckt den Anschein, als müsse nun in jedem Bundesland das Rad der archivischen Aufgabenverteilung, Rollenzuschreibung und Selbstdarstellung noch einmal neu erfunden werden. Eigeninteressen dominieren auch die Lobbyarbeit – sofern es eine solche überhaupt gibt. Der Berufsfachverband, der letztlich nur ein Spiegelbild der archivischen Wirklichkeit sein kann, ist bereits mit zunftinternen Moderationsaufgaben gut ausgelastet. Es reichen die ehrenamtlichen Tätigkeiten jedoch nicht mehr aus, um auch auf der politischen bzw. kulturpolitischen Ebene als Interessenvertretung oder gar als „Pressure Group“ wahrgenommen zu werden. Wir können aber nicht ständig von den Archiven als dem „Gedächtnis der Gesellschaft“ und als „unseren Schatzkammern“ schwadronieren, wenn wir uns letztlich nicht auch wie Entscheider verhalten und unsere Rolle annehmen, aktiv beanspruchen und kompetent wahrnehmen! Dass wir Archivarinnen und Archivare tagtäglich an nicht unerheblicher Stelle verantwortlich sind für die Gestaltung unserer Zukunft, das müssen wir auch so kommunizieren – nach innen und nach außen. Wir ermöglichen ja nicht nur den zeitnahen Zugriff auf den Fundus unseres gesellschaftlichen Orientierungswissens, wir machen ja auch unsere Behörden und Unternehmen handlungsfähig, sorgen für Rechtssicherheit, bilden unsere Kinder mit aus und ermöglichen jeder Generation das eingeforderte und notwendige „lebenslange Lernen“. Daher muss mit unserer Aufgabenwahrnehmung auch die Außenwahrnehmung unserer Zunft und unserer Einrichtungen auf einem authentischem Niveau deckungsgleich sein.[9]

Neben der Lobbyarbeit als Teil der indirekten Öffentlichkeitsarbeit gilt es ebenso die direkte Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern und zu professionalisieren. Kommunikation mit der Öffentlichkeit muss zielgruppenbezogen und wechselseitig erfolgen. Fraglich ist, wieso das eigentlich den Archivpädagogen bzw. den Archivarinnen und Archivaren überlassen sein muss, die auf dem Gebiet der Historischen Bildungsarbeit tätig sind? Öffentlichkeitsarbeit oder neudeutsch: Public Relations ist ein eigenes Berufsfeld, ein Marketinginstrument, für das man spezifische Kenntnisse und nicht nur Talent benötigt. Wenn wir vom „Lobbying“ oder auch vom „Issue Management“ reden, mit dem wir unsere Themen und Ideen in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einbringen, wenn wir an die interne Kommunikation mit den Archiv-, Behörden- und Unternehmensmitarbeitern denken, wenn wir das Sponsoring und die Pressearbeit (als die Klassikerin der Öffentlichkeitsarbeit) ordentlich betreiben wollen, dann muss auch dies nach den Regeln der Kunst geschehen. Wir haben ja bereits häufiger die alte PR-Weisheit „Tue Gutes und rede darüber“ in den archivischen Bereich übertragen gesehen.[10] Es muss aber mehr noch darum gehen, auch zu wissen, wie man darüber gekonnt zu reden hat. Öffentlichkeitsarbeit wird ja zwar kaum mehr mit zeitlich und räumlich begrenzter Werbung verwechselt, aber dennoch legen die Archive und die sie tragenden Behörden und Einrichtungen häufig nicht genug Engagement in den Aufbau langfristiger und vertrauensvoller Beziehungen zu den Medien. Wichtig ist ein ständiger Dialog mit den Zielgruppen, also mit der relevanten Öffentlichkeit (das wirkt dann auch in die breite Öffentlichkeit). Zwar genießen Archive und deren Mitarbeiter aufgrund der Gediegenheit ihres Tuns sowie aufgrund ihres alltäglichen Umgangs mit Texten einen Vertrauensvorschuss in Redaktionen, doch landen beispielsweise bei einer Tageszeitung täglich mehrere hundert Pressemitteilungen und Veranstaltungshinweise, so dass wir Archivarinnen und Archivare bereits wie Journalisten denken (zumindest an die Journalisten denken) sollten, wenn es um das Herausfiltern von Informationen und um die Übernahme in den redaktionellen Teil einer Zeitung geht. Wenn Öffentlichkeitsarbeit hingegen punktuell betrieben wird oder von unterschiedlich eingeweihten Ansprechpartnern, wenn die Qualität der eigenen Meldungen spürbar variiert, wenn die Aktualität, die Originalität, die Prominenz oder die Folgeschwere des Ereignisses nicht herausgestellt worden ist, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir zwar Gutes tun, dies aber nicht vernommen wird. Wir bringen uns regelmäßig um die Früchte unserer Arbeit. Treten wir also unseren Öffentlichkeitsreferenten, Pressesprechern oder persönlichen Referenten des Bürgermeisters auf die Füße, damit sie mit uns – und zwar in Abstimmung mit den jeweils fachlich kompetenten oder sachlich zuständigen Personen aus dem Archiv – die richtigen PR-Maßnahmen in die Wege leiten.

Wenn PR professionell erfolgt, wenn archivarische Leistungen und archivische Dienstleistungen den Zielgruppen kompetente und erwünschte Lösungen präsentieren, dann birgt das natürlich auch die Chance zur Beeinflussung des „Images“ eines Archivs, des Archivträgers und auch des Archivwesens im Allgemeinen (das wir vor Ort repräsentieren). Der Aufbau eines positiven Images ist das Ziel von Öffentlichkeitsarbeit.[11] Ein gutes Image verkauft Dienstleistungen (und wenn wir unsere Tätigkeiten schon als Dienstleistungen interpretieren, dann müssen wir eben auch die Vorstellung von Marktsituationen akzeptieren, wo wir im Wettbewerb mit Mitbewerbern stehen). Ein gutes Image baut aber nicht nur verfestigte Vorurteile ab und macht Archive nicht nur attraktiv für Nutzer („Kunden“ müssen wir sie dann ja konsequenterweise nennen), ein gutes Image motiviert auch die Mitarbeiter und sorgt für die Gewinnung von qualifizierten Nachwuchskräften. Dies halte ich für sehr entscheidende Faktoren für die Akzeptanz unserer Tätigkeit und die Existenz unserer Einrichtungen.

Dabei muss uns sehr bewusst sein (und ich habe das schon en passant einfließen lassen): Archivmitarbeiter sind eben nicht nur Repräsentanten des Archivs, sondern durch das mehr oder weniger hohe Benutzeraufkommen auch Repräsentanten ihrer Archivträger. Die Beziehung zu den eigenen Behörden, Verwaltungen und Unternehmensabteilungen erscheint mir aber vielfach als immer noch dringend verbesserungsfähig. Marketingkonzepte der Archivträger müssen das Archiv, das auf den Feldern der Öffentlichkeitsarbeit und Historischen Bildungsarbeit wirkt, zwingend mit einschließen. Das darf von uns gefordert werden und das müssen wir auch einfordern!

Schließlich repräsentiert jedes Archiv auch das Archivwesen als Ganzes. Dies müssen wir uns in unserem Tun ebenfalls stets vor Augen führen! Eine Konsequenz daraus muss eine Verbesserung der zwischenarchivischen Kooperation sein sowie die Stärkung der archivischen Solidarität. Die Kommunikationsfähigkeit zwischen Archiven ist immer noch beschränkt, das gilt aber nicht nur für die „Sender“; auch potenzielle „Empfänger“ stellen sich häufig taub, weil sie meinen, ihnen könne ohnehin nicht geholfen werden. Gerade kleine Archive, Ein-Personen-Archive, die haupt-, neben- oder auch ehrenamtlich geführt werden, haben aber ein vitales Interesse an fachlichem Austausch, an Beratung und an Unterstützung bei jenen Aufgaben, die sie allein häufig nicht stemmen können. Die archivische Solidarität muss in diesem Punkte auch dazu verhelfen, dass solche Archive auch innerhalb ihrer eigenen Verwaltungen eine Rückenstärkung erfahren.

Das hier kurz Angeführte sind nur einige Zielrichtungen und Vorgehensweisen archivischer Öffentlichkeitsarbeit. Inhaltlich haben wir dabei ein überaus großes Pfund, mit dem wir wuchern können: das uns anvertraute authentische Material. Wir besitzen eine Monopolistenstellung, die wir marktwirtschaftlich viel zu wenig ausnutzen. Dabei geht es mir nicht um finanziellen Gewinn (ich halte Archive als Bildungseinrichtungen hingegen notwendigerweise und naturgegeben für investive Betriebseinheiten), sondern es geht mir vor dem Hintergrund des Gesagten darum, die zentrale Funktion der Archive für die Archivträger, für den Sprengel und für die Gesellschaft angemessen herauszustellen. Neben dem Argumentieren mit dem „Original“ müssen wir uns auch des Aspektes der „Transparenz“ noch stärker bewusst werden. Im Kontext von Open Access und der wirklichen Umsetzung von Informationsfreiheitsgesetzen sind die Archive „demokratische Lernorte“ in historischen und gegenwärtigen Bezügen. Wir müssen dabei auf unsere Rolle als Querschnittseinrichtung pochen, gehören konkret besser zum Hauptamt und nicht als Unterabteilung zu Kultur und Sport etc.. Wir verfügen über die entsprechende Kompetenz oder sind zumindest willens uns kontinuierlich fachlich weiterzuentwickeln. Lassen Sie sich als Archiv also weder negativ abstempeln noch – nur als Beispiel genannt – auf den Internetpräsenzen Ihrer Behörden, Kommunen und Unternehmen derart unauffindbar ablegen, als würde man sich Ihrer schämen! Archive sind von zentraler Bedeutung, und Öffentlichkeitsarbeit ist für Archive und ihre Träger von zentraler Bedeutung.[12]

Ich komme damit zu einem anderen Punkt, der mir sehr am Herzen liegt: den Kern- und Randbereichen archivischer Tätigkeit.[13] Mein Plädoyer lautet: Unterlassen wir doch bitte die selbstzerstörerische Trennung von ganz selbstverständlich zusammenhängenden Aufgaben! Dass sich archivische Aufgaben (wie Bewertung, Verzeichnung, Auswertung usw.) unterscheiden lassen und dass sie als Arbeitsschritte aufeinander folgen, darf weder als Legitimation für eine Hierarchisierung der verschiedenen Aufgaben dienen noch zu ihrer Scheidung in Kern und Schale führen. Es ist schlichtweg ein traditionelles Missverständnis vom Archivarsberufs, die Schriftgutfixierung der Benutzerorientierung vorzuziehen (oder vorzuschieben). Volker Schockenhoff hat ja schon vor Jahren auch für Deutschland die unumgängliche Transformation unserer „Papierarchive“ zu „Menschenarchiven“ angemahnt.[14] Wären Archive allein zur Aktenerhaltung und Aufbewahrung da, dann übergingen wir nicht nur fahrlässig das Informationspotenzial und den Bildungsauftrag der Archive, dann führten wir letztlich auch den wissenschaftlichen Anspruch unseres Berufes ad absurdum. Wenn wir aber einerseits das Wort von den „Archivwissenschaften“ im Munde führen (ich bin unsicher, ob es solche gibt), dann müssen wir auf der anderen Seite auch den wissenschaftlicher Archivar des höheren Dienstes zu wissenschaftlicher Erkenntnisleistung, Theoriebildung und Grundlagenforschung herausfordern, weil ansonsten nicht erklärlich wäre, wieso wir unser immer noch recht undurchlässiges berufliches Kastensystem aufrechterhalten. Das archivarische „Handwerk“ erlernen schließlich auch die Diplom-Archivare und sie beweisen als „Universalisten“ und Einzelkämpfer in der Berufspraxis häufig genug, dass sie die breite Aufgabenpalette ihres zeitgemäß verstandenen Berufes annehmen und ausfüllen können. Um es aber auch deutlich zu sagen: So wenig wie ein Historiker trotz Talent und Begeisterung für eine archivische Tätigkeit automatisch zum Archivar mutiert, so wenig sind auch Diplom-Archivare allein durch ihren täglichen Umgang mit historischen Quellen Historiker. Und Historiker und Archivare sind auch nicht automatisch Pädagogen oder PR-Fachleute – und jeweils umgekehrt. Der eine ist aber auch nicht des anderen Erfüllungsgehilfe. Wir sollten insofern, soweit die personellen Voraussetzungen gegeben sind, in den Archiven stärker teamorientiert als laufbahnbezogen denken und arbeiten. Wir müssen die berufliche Qualifikation den Anforderungen und den Ansprüchen, die unsere „Häuser der Geschichte“ stellen, anpassen und uns viel stärker nach den Kompetenzen als nach den Zuständigkeiten richten. Und wir müssen tatsächlich auch über „Tellerränder“ zu schauen lernen, so wie zum Beispiel bei der Überlieferungsbildung, wo ja seit einiger Zeit ein stärkerer Dialog mit der historischen Forschung gefordert wird.[15]

Die Angst, das schützende Kerngehäuse unserer Institutionen verlassen zu müssen, um sich mit vermeintlichen Randbereichen zu beschäftigen, ist möglicherweise auch einfach nur Ausdruck von Hilflosigkeit (böse kann man auch behaupten: und von persönlicher Disposition, denn wir müssen uns doch kritisch fragen lassen, ob wir uns beruflich nicht doch bewusst für den „Elfenbeinkeller“ entschieden haben, von dem wir dieselben stereotypen Vorstellungen von Staubnähe und Lebensferne hatten, die wir heute um unserer Existenz willen bekämpfen müssen). Natürlich ist es schwierig, das, was weder das Berufsbild noch die Berufsausbildung vermitteln, fachlich angemessen zu kompensieren. Es zeugt sogar von einer guten Selbsteinschätzung, wenn man seine Defizite hier benennen kann und mag. Aber wir dürfen uns dem Wandel des Berufsbildes nicht verschließen. Es ist keine Geheimwissenschaft, was man im apostrophierten Randbereich archivischer Aufgaben leisten muss, und es wird dadurch – entgegen allen prominenten Einsprüchen – auch nicht das Zeitbudget für die sog. Kernaufgaben beraubt.[16] Wenn wir die Argumente der knapper werdenden Mittel, der Verwaltungsreform und des Aufgabenabbaus leichtfertig zum Schutz unserer lieben Kernaufgaben selbst aufgreifen und anführen, dann berauben wir uns hingegen unserer eigenen Grundlagen. Denn wer unserer Geldgeber, unserer Sponsoren und unserer Kunden wird sich im Ernstfalle darauf einlassen, mit uns in unserer selbstgeprägten Währung „verzeichnete Laufmeter“ zu verhandeln? – Wir müssen in unseren herkömmlichen Kernaufgaben einem gewissen Primat der Nutzerorientierung huldigen, was wir aber nur können, wenn wir durch unsere Öffentlichkeitsarbeit und unsere Bildungsarbeit in einem kontinuierlichen Kommunikationszusammenhang mit den Adressaten stehen.

Für mich münden die Herausforderungen von Öffentlichkeitsarbeit und Historischer Bildungsarbeit, die ich – wie dargelegt – als elementare archivarische Tätigkeitsfelder verstanden wissen möchte, die ebenso viel Knowhow, Ausdauer und strategische Planung bedürfen wie die anderen Fachaufgaben, notwendigerweise ein in ein Gesamtkonzept von Archivmanagement.[17] Über ein solches strategisches Management kann man sich auch als Non-Profit-Einrichtung durchaus bei den herkömmlichen Managementkonzepten der Betriebswirtschaftslehre und der Unternehmen bedienen. Und Sie werden schnell feststellen, dass derartige Adaptionen mit hohem Wiedererkennungswert mittlerweile in vielen Branchen vorgenommen werden, sei es im Stadtmarketing, im Tourismusmanagement oder in anderen Dienstleistungsbereichen. Diese Instrumente für strategisches Management, wie Stärken-Schwächen-Analyse, Potenzialanalyse, Marketing, Leitbildentwicklung, Qualitätsmanagement und Controlling, basieren in Etlichem auf dem, was ich auch für die Öffentlichkeitsarbeit und Historische Bildungsarbeit als grundlegend angesprochen habe, nämlich die Kundenorientierung, die Festlegung realistischer Ziele, flache innerbetriebliche Hierarchien, Qualität als Maßstab sowie kontinuierliche Binnen- und Außenkommunikation. – Das ist übrigens erlernbar, das ist leistbar und das macht sogar Spaß!

Ich möchte aber abschließend auch noch einmal zu denjenigen Stimmen Stellung beziehen, die meinen könnten und meinen werden, mit der ja nicht allein von mir vertretenen Auffassung von Öffentlichkeitsarbeit, Historischer Bildungsarbeit und Archivmarketing würden wir nicht nur unser „Proprium“ verlassen, sondern uns auch unnötigerweise in eine Konkurrenzsituation mit anderen Kultureinrichtungen und sogar Eventveranstaltern begeben, mit der wir in professioneller Hinsicht überfordert sind. Sofern wir unsere Ziele vernünftig planen, sofern wir die Wünsche unserer Zielgruppen in Erfahrung bringen und sofern wir unsere Schwächen und Stärken genau kennen, haben wir als gesellschaftlicher „Lernort“ gar keine Konkurrenz zu fürchten, denn unsere Produkte sind einzigartig und die Qualität unserer Arbeit ist über jeden fachlichen Zweifel erhaben.

Ich sehe natürlich auch, dass wir möglicherweise gar nicht mehr in einer Dienstleistungsgesellschaft leben (just in dem Moment, wo wir als Archive darin angekommen sind), denn die Dienstleistungsangebote sind heutzutage derart lückenlos ausgereift, dass wir uns wie in einem ,betreuten Leben mit Vollpflegestufe‘ fühlen dürfen. So leben wir möglicherweise im Zeitalter der „Erlebnisgesellschaft“, in der Glückssuche und Genuss als oberste Lebensziele gelten. Aber dass man den Besuch im Archiv als Genuss und zudem nicht nur als Suche, sondern sogar als das Finden von Glück empfinden darf, scheint doch wohl fraglos der Fall zu sein! Und wo das noch nicht der Fall ist, da können vielleicht die gegebenen Anregungen ein wenig weiterhelfen …

(Jens Murken)

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Anmerkungen:


[1] Der Vortrag wurde auf der Arbeitskreissitzung von einer „szenischen Annäherung“ (Dr. Erika Münster-Schröer /Dr. Clemens Rehm: „Bei uns im Archiv …“) und einem Vortrag von Roswitha Link („Adressatenorientiert – Themenspezifisch. Historische Bildungsarbeit in der Praxis“) eingerahmt.

[2] Vgl. Günther Rohdenburg: „… sowohl historisch als auch pädagogisch, didaktisch und archivarisch qualifiziert …“. Zur Geschichte der „Archivpädagogen“ als Mitarbeiter der historischen Bildungsarbeit an Archiven, in: Der Archivar 3/2000 (www.archive.nrw.de/archivar/2000-03/Aa03.htm).

[3] Vgl. Katharina Hoffmann: Public Relations and Historical Education in German Archives. Vortrag auf dem Seminar „Archival public relations and education“ des International Council on Archives, Warschau und Krakau, 7.-10.9.2003; Katharina Hoffmann: Möglichkeiten und Grenzen der Öffentlichkeits- und historischen Bildungsarbeit in kleineren Archiven. Ergänztes und überarbeitetes Manuskript des Vortrags auf der ANKA-Tagung der Regionalgruppe Oldenburg am 13.11.2002 in Westerstede (www.oldenburg.de/stadtol/fileadmin/oldenburg/Benutzer/PDF/30/304/stadtarchiv/hoffmann.pdf).

[4] Landesarchiv Baden-Württemberg, Referat 23: Archivische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit (Sachgebiete: Öffentlichkeitsarbeit und Marketing; Archiv und Forschung; Archiv und Schule; Publikationen).

[5] Clemens Rehm: Spielwiese oder Pflichtaufgabe? Archivische Öffentlichkeitsarbeit als Fachaufgabe, in: Der Archivar 51/1998, 206-218.

[6] Beispiele jetzt in: Clemens Rehm (Hg.): Historische Bildungsarbeit. Kompass für Archive? Vorträge des 64. Südwestdeutschen Archivtags am 19. Juni 2003 in Weingarten, Stuttgart 2006. Vgl. auch Birgit Schneider-Bönninger unter Mitarbeit von Anita Placenti: „Ran an die Quellen!“ Theorie und Praxis der Archivdidaktik – Das Wolfsburger Modell, Wolfsburg 2005.

[7] Hans Booms: Öffentlichkeitsarbeit der Archive – Voraussetzungen und Möglichkeiten, in: Der Archivar 23/1970, 15-32.

[8] Vgl. Franz-Josef Jakobi: Zur didaktischen Dimension der Archivarbeit, in: Bernd Schönemann/Uwe Uffelmann /Hartmut Voigt (Hg.): Geschichtsbewußtsein und Methoden historischen Lernens, Weinheim 1998, 227-237.

[9] Vgl. dazu das Kapitel „Der kulturelle Auftrag der Archive – Öffentlichkeitsarbeit, Historische Bildungsarbeit, Archivdidaktik und Archivpädagogik“, in: Thomas Lange/Thomas Lux: Historisches Lernen im Archiv, Schwalbach/Ts. 2004, 50-56.

[10] Bettina Wischhöfer: Öffentlichkeitsarbeit und Archiv – Systemtheoretische Überlegungen, in: Aus evangelischen Archiven 36/1997, 31-37; Gabriele Stüber: Zielorientiert und adressatenbezogen. Felder archivischer Öffentlichkeitsarbeit, in: Aus evangelischen Archiven 38/1998, 53-74.

[11] Vgl. das Kapitel „Imagefragen im Archivwesen“, in: Jens Murken: Vom Nutzen und Nachteil des Tages der Archive für die Archive. Eine Evaluation, Diplomarbeit FH Potsdam 2005, 9-12 (www.augias.net/doc/fhp2005_murken.pdf).

[12] Vgl. „Historische Bildungsarbeit als integraler Bestandteil der Aufgaben des Kommunalarchivs“. Positionspapier der Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag (BKK), 18.4.2005 (www.lwl.org/waa-download/aktuelles/Positionspapier_Historische_Bildungsarbeit.pdf).

[13] Vgl. die Kapitel „Kern und Schale archivischer Tätigkeit“ sowie „Ganzheitlichkeit der Archivarbeit“ in: J. Murken: Vom Nutzen und Nachteil des Tages der Archive für die Archive, aaO., 12-19.

[14] Volker Schockenhoff: Historische Bildungsarbeit – Aperçu oder ,Archivische Kernaufgabe‘. Die gegenwärtige Diskussion um die zukünftige Rolle öffentlicher Archive, in: Günther Rohdenburg (Hg.): Öffentlichkeit herstellen – Forschen erleichtern. Aufsätze und Literaturübersicht zur Archivpädagogik und historischen Bildungsarbeit, Hamburg 1998, 15-26, hier: 17.

[15] So auf dem 46. Deutschen Historikertag in Konstanz 2006 in der Sektion „Geschichtsbilder der Archive / Geschichtsbilder der Wissenschaft: Dokumente und Deutungen zur Anti-Atomkraft-Bewegung der 1970er Jahre“ (www.uni-konstanz.de/historikertag/programm.php?menu=programm&sektion=ng&veranstaltung=ng10). – Vgl. das Perspektivpapier „Die deutschen Archive in der Informationsgesellschaft“ der Arbeitsgruppe „Informationsmanagement der Archive“, veröffentlicht in: Der Archivar 57/2004, 28-36; vgl. auch den Bericht von Ragna Boden und Christoph Schmidt zum Workshop am 10.12.2004 in der Oberfinanzdirektion Münster: „Die Überlieferung von Unterlagen der Bundes- und Landesfinanzverwaltung“ – Archivierung, Quellenwert, Benutzung (www.archive.nrw.de/dok/publikationen/finanzworkshop.pdf).

[16] Vgl. z.B. Hans-Wilhelm Eckardt: Kern und Schale. Überlegungen zu den Aufgaben eines zeitgemäßen Archivs, in: Hans-Wilhelm Eckardt/Klaus Richter (Hg.): Bewahren und Berichten. Festschrift für Hans-Dieter Loose zum 60. Geburtstag, Hamburg 1997, 27-52.

[17] Vgl. Hartmut Weber/Renate Köhne-Lindenlaub: Archivmanagement, in: Evelyn Kroker/Renate Köhne-Lindenlaub/Wilfried Reininghaus/Ulrich S. Soénius (Hg.): Handbuch für Wirtschaftsarchive. Theorie und Praxis, München 22005, 259-274; Brigitte Kramer: Management in Kommunalarchiven – Strategien für die Anpassung an veränderte Arbeitsbedingungen im Rahmen der neuen Steuerungsformen, in: Archivpflege in Westfalen-Lippe 64/2006, 8-16, insb. 11ff..

Anfänge der urbanen Infrastruktur in Reutlingen

Mit dem Titel „Wasser, Gas, Strom, Verkehr – Die archivalische Überlieferung der Stadtwerke Reutlingen“ werden derzeit in den Wandvitrinen des Stadtarchivs Reutlingen ausgewählte Pläne, Bände und Akten sowie Fotografien aus den 1860er bis 1950er Jahren ausgestellt. Die Archivalien dokumentieren schlaglichtartig das Entstehen einer modernen urbanen Infrastruktur. Es handelt sich um den ältesten Teil der schriftlichen Hinterlassenschaft jener Versorgungseinrichtungen, aus denen sich bis 1952 aus teils privatwirtschaftlichen Anfängen heraus ein städtischer Großbetrieb in Reutlingen entwickelt hatte.  

Bei ihrem Umzug in einen Neubau im Jahr 1991 haben die damaligen „Stadtwerke Reutlingen“ einen großen Teil ihrer Altregistraturen an das Stadtarchiv Reutlingen abgegeben. Diese schriftliche Überlieferung mit einem Gesamtumfang von rund 110 Regalmetern wurde inzwischen bewertet, geordnet und über ein Datenbankprogramm inhaltlich erschlossen. Die Bestände der „Gas-, Wasserwerke und Badeanstalten“, der „Stromversorgungsbetriebe“ oder der „Hauptabteilung Verkehrsbetriebe“ stellen nun einen zentralen historischen Quellenfundus zur Reutlinger Stadt-, Wirtschafts- und Technikgeschichte dar, der ausgewertet werden kann. Die Ausstellung kann während der Öffnungszeiten der Rathaus-Eingangshalle bis Ende Dezember 2006 besichtigt werden.

Kontakt:
Stadtarchiv Reutlingen
Marktplatz 22 
72764 Reutlingen 
Telefon: 07121 / 303 – 2386
Fax: 07121 / 303 – 2758
stadtarchiv@reutlingen.de

Quelle: Gerald Kronberger, Stadt Reutlingen Aktuell; Reutlinger Generalanzeiger, 26.9.2006

Stadtarchiv Offenburg baut digitales Zeitarchiv auf

Seit dem 25. September 2006 bietet das Offenburger Stadtarchiv gemeinsam mit Baden Online, dem Internetportal der Mittelbadischen Presse allen Interessierten ein kostenloses "digitales Zeitarchiv" an. Baden Online hat nicht nur das Programm und die Datenbank erarbeitet, sondern stellt auch die digitalisierten Zeitungsseiten zur Verfügung. Zur Zeit befinden sich dort mehr als 3.000 Zeitungsartikel – beginnend im November 2004 – aus dem Offenburger Tageblatt. Geplant ist, alle wichtigen Zeitungsbeiträge und Themen aus der Zeit von 1999 bis 2004 nach und nach ins Netz zu übertragen. Die wöchentliche Auswahl der Artikel übernimmt im Stadtarchiv Offenburg der Hobby-Historiker Ulrich Burgert. Nachdem er sie zusätzlich mit Schlagwörtern versehen hat, stellt er die Artikel digital zur Verfügung. Der Aufbau dieses digitalen Archivs nach Stichwörtern, Oberbegriffen und Sparten entspricht dem eines klassischen Papier-Archivs und ist dementsprechend zeitaufwändig. Viele Archive verzichten deshalb aus Personal- und Zeitmangel auf diesen Service.

Nachdem Präsentation und Suchkriterien einem zeitgemäßen Standard entsprechen, bietet das digitale Zeitarchiv allen an der aktuellen Geschichte Offenburgs Interessierten eine komfortable Suchmöglichkeit nach Rubriken und Schlagwörtern. Zusätzlich wird auch eine Volltextsuche angeboten, bei der die gesamte Zeitungsseite, auf der sich die gesuchte Nachricht befindet, aufgerufen und bei Bedarf auch ausgedruckt werden kann. Von 1999 bis 2003 hatte es bereits ein ähnliches Angebot seitens des Stadtarchivs gegeben, dessen Datenbank-Struktur und Abfrage-Mechanismus jedoch sehr bald technisch überholt war und deshalb eingestellt wurde. Bei diesem zweiten Versuch sind alle Beteiligten jedoch davon überzeugt, das digitale Zeitarchiv auch in den nächsten Jahren auf einem technisch hochwertigen Standard halten zu können.

Kontakt:
Stadtarchiv Offenburg
Ritterstraße 10
D-77652 Offenburg 
Tel.: 0781 / 822341
Fax: 0781 / 827521
stadtarchiv@offenburg.de
www.stadtarchiv-offenburg.de

Quelle: Jürgen Rohn, Offenburger Tageblatt, 27.9.2006; Jürgen Rohn, Baden Online, 27.9.2006

Bundesarchiv-Datenbank »Biographische Bildsammlung« online

Gibt es Fotos von Hans Günter Winkler, Günter Grass oder von Ferdinand Graf von Zeppelin? Täglich erreichen das Bildarchiv des Bundesarchivs Anfragen nach Bildern von Personen. Um der Forschung und der interessierten Öffentlichkeit im In- und Ausland die Möglichkeit zu eröffnen, sich selbst im Internet über die im Bildarchiv vorhandenen Fotos zu informieren, hat das Bundesarchiv eine biografische Datenbank mit den Namen der Personen eingerichtet, von denen Bilder vorhanden sind. 

\"Springreiter

Diese im Internet verfügbare Datenbank umfasst derzeit 57.959 Namen zu Personen, zu denen etwa 800.000 Bilder vorhanden sind. Dabei reicht die Spanne vom Strafrechtsprofessor J. Simon van der Aa, über Konrad Adenauer, den SPD-Vorsitzenden Erich Ollenhauer bis zur polnischen Jazzsängerin Natascha Zylskie. Die Datenbank wird vierteljährlich aktualisiert und um weitere Personen ergänzt. Auf der Internetseite www.bundesarchiv.de/biografische-bildsammlung kann nach Vor- und Nachnamen, Land und Bemerkungen recherchiert werden.

Die biografische Datenbank wird im Jahr 2007 durch die im Aufbau befindliche Bilddatenbank des Bundesarchivs abgelöst. Mit der Bilddatenbank werden circa 250.000 Bilder online verfügbar sein. Dann kann nicht nur recherchiert werden, ob zu einer Person Bilder vorhanden sind, sondern diese Bilder können gleich betrachtet und gegebenenfalls auch heruntergeladen werden; auch die digitalisierten Fotos von Hans Günter Winkler, Günter Grass und Graf Zeppelin. 

Kontakt:
Bundesarchiv
Dr. Oliver Sander
Potsdamer Str. 1
56075 Koblenz
Telefon: 0261/ 505 478
o.sander@barch.bund.de 

Quelle: Bundesarchiv, Pressemitteilung, 6.9.2006; Abb.: Springreiter Hans Günter Winkler auf Felicitas, Mai 1964 © Bundesarchiv, Bild 183-C0531-0002-001, Fotograf: Kohls

Aktenbestand der Stadtverwaltung Hartenstein im Kreisarchiv Zwickauer Land

Ende der 1990er Jahre begann die Übergabe des Archivbestandes der Stadt Hartenstein an das Kreisarchiv Zwickauer Land. Bedingt durch den Umzug des Kreisarchivs 2001/02 in die neuen Räumlichkeiten in der Königswalder Str. 18 in Werdau konnte die Übergabe erst 2003/04 fortgesetzt und 2006 abgeschlossen werden. Diese Übernahme erfolgte auf Grund der Tatsache, dass die Sicherung und Nutzung des Archivgutes in der und durch die Stadt Hartenstein nicht ausreichend gewährleistet war und dringender Handlungsbedarf bestand.

In der Stadtverwaltung Hartenstein wurden überwiegend durch ABM-Kräfte umfangreiche Listen über die dort vorhandenen Akten erstellt. Anhand dieser an das Kreisarchiv eingereichten Auflistungen erfolgte eine erste Bewertung. Nach der tatsächlichen Übergabe der Akten erfolgte in Verbindung mit der Erschließung im Kreisarchiv eine weitergehende Bewertung. In deren Folge wurde ein zusätzliches Kassationsprotokoll angefertigt, in dem die nachkassierten Akten vermerkt wurden. Vor der körperlichen Vernichtung des Kassationsgutes wurde die schriftliche Zustimmung der Stadt Hartenstein als Eigentümers des Archivgutes eingeholt.

\"Lesesaal

Abb.: Lesesaal Kreisarchiv Zwickauer Land (© Kreisarchiv ZL)

Vor der inhaltlichen Bearbeitung erfolgte zuerst gemäß der Provenienz die Zuordnung der Akten zu den jeweiligen Verwaltungen, in denen sie entstanden waren, d.h. Stadt Hartenstein, Gemeinden und heutige Ortsteile Stein, Thierfeld und Zschocken inklusive bereits seit längerem im Kreisarchiv vorhandener Akten dieser Ortsteile. Weiterhin erfolgte für jeden Ort die Bestandstrennung nach dem im Kreisarchiv üblichen chronologischen Prinzip, d.h. kommunale Bestände I bis 1945, Bestände II 1945-1990 sowie Bestände III ab 1990.

Die inhaltliche Erschließung wurde durch eine Diplomarchivarin (FH) in Abstimmung mit der Kreisarchivarin und der Stadtverwaltung Hartenstein fachlich qualifiziert und in Anlehnung an die Ordnungs- u. Verzeichnungsgrundsätze DDR 1964 durchgeführt. Bewährt hat sich dabei und für die Erstellung von Findmitteln die im Kreisarchiv umfangreich genutzte Software AUGIAS. Zur Klassifizierung standen für die unterschiedlichen Zeitepochen der Bestände drei im Kreisarchiv erstellte Klassifikationen zur Verfügung.

Im Ergebnis der intensiven inhaltlichen Erschließung wurden für die Bestände I und II der Stadt Hartenstein und seiner Ortsteile sieben thematisch geordnete Findbücher sowie für die Bestände III nach 1990 drei vorläufige Verzeichnisse angefertigt. Diese Findbücher stehen für Benutzungen im Kreisarchiv zur Verfügung. Zusätzlich wurden für alle Bestände fortlaufende Bestandslisten erstellt, die als Nachweis des Verbleibs der Akten dienen. Diese Bestandslisten wurden der Stadtverwaltung Hartenstein in Kopie übergeben. Die Listen sollen dort auch als Übersicht für Anfragen zur Aufgabenerfüllung der Verwaltung zur Verfügung stehen.

Insgesamt umfassen alle der Stadt Hartenstein gehörenden Bestände rund 65 lfm, davon betreffen ca. 45 lfm die Stadt Hartenstein, 13 lfm die Gemeinde Zschocken, 6 lfm die Gemeinde Thierfeld und 0,5 lfm die Gemeinde Stein. Zeitlich erstrecken sich die Bestände z. T. über rund 450 Jahre. Die Überlieferung einzelner Akten in Hartenstein beginnt 1553, verstärkt ab etwa 1720 bis z. Zt. 2001. Die Akten von Stein umfassen den Zeitraum 1841-1945 und bis zur Eingemeindung liegen Akten für Thierfeld im Zeitraum 1682-1994 und Zschocken 1806-1996 vor.

Einige wenige während der Bearbeitung ermittelte Einzelakten mit Provenienzen Hartensteiner Herrschaften wurden Ende 2005 zuständigkeitshalber dem Staatsarchiv Chemnitz übergeben.
Die Bestände geben Auskunft über das städtische und dörfliche Leben in all seinen Facetten.
Akten zum Bierstreit, Sitz des Amtsgerichtes, dem vielseitigen Vereinslebens, den Festspielen um den Prinzenraub und die Entwicklung zur Erholungs- und Sportstadt wird durch die Archivalien des Stadtbestandes Hartenstein über die wechselnden Zeit- und Herrschaftsepochen anschaulich dokumentiert. Auch die Auswirkungen des angrenzenden Oelsnitz-Lugauer Steinkohlebergbaus finden in den Archivalien ihren Niederschlag.
Ein umfangreiches Brandkataster gibt Auskunft über die Bebauung und Hausbesitzer Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts.

Neben der inhaltlichen Bearbeitung erfolgte auch die so genannte technische Bearbeitung. Dazu gehörten v. a. die Säuberung besonders verschmutzter Akten, die Einlagerung in säurefreie Archivmappen und Archivkartons, eine korrekte einheitliche Beschriftung und natürlich die Einlagerung in die klimatisierten Archivmagazine.

Die Nutzung der Archivbestände der Stadt Hartenstein und seiner Ortsteile ist nunmehr für alle interessierte Bürger und Einrichtungen im Rahmen der Rechtsvorschriften im Kreisarchiv möglich.
Die Archivalien stehen insbesondere auch der regionalgeschichtlichen und heimatkundlichen Forschung nach Voranmeldung im Benutzersaal (Öffnungszeiten: Di 9.00-12.00, 13.00-18.00 Uhr und Do 9.00-12.00, 13.00-16.00 Uhr) zur Direkteinsicht offen. Schriftliche Anfragen werden durch das Kreisarchiv bearbeitet.

Die Akten sind weiterhin Eigentum der Stadt Hartenstein, die auch prinzipiell gemäß Sächsischen Archivgesetzes vom 17.05.1993 die volle Verantwortung zur Umsetzung der archivischen Pflichtaufgaben trägt.
Entsprechend der Archivsatzung des Landkreises Zwickauer Land vom 05.12.2005 werden im Kreisarchiv die archivfachlichen Anforderungen hinsichtlich Personal, Räumen und Ausstattung eingehalten. Die archivierten Akten lagern im Kreisarchiv unter optimalen klimatischen und konservatorischen Bedingungen. Die Einhaltung zahlreicher spezifischer Rechtsvorschriften bei Benutzung der Akten ist gewährleistet.

Der Stadtverwaltung Hartenstein wurde zur vertraglichen Regelung über die Übernahme und Verwaltung der Archivbestande der Stadt Hartenstein und seiner Ortsteile durch das Kreisarchiv Zwickauer Land ein Mustervertrag auf der Grundlage der Archivsatzung des Landkreises Zwickauer Land übermittelt. Darin soll auch vertraglich die weitere Übergabe des neu in der Tätigkeit der Stadtverwaltung entstehenden Archivgutes geregelt werden. Der Vertragsabschluss wird noch für 2006 angestrebt.

Anette Hänel, Kreisarchivarin

Kontakt:
Landratsamt Zwickauer Land
Kreisarchiv
Königswalder Str. 18
08412 Werdau
Tel. 03761/561690
archiv@zwickauerland.de
www.zwickauerland.de 

Projekt über NS-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes

Die unabhängige Historikerkommission, die im Auftrag des Bundesaußenministers die Geschichte des Auswärtigen Dienstes in der Zeit des Nationalsozialismus untersuchen soll, ist offiziell im Amt. Die Kommission unter Leitung des Marburger Professors für Neuere Geschichte, Dr. Eckart Conze, hat sich zum Ziel gesetzt, zunächst den Forschungsstand zu bewerten und die Fragestellungen der zu leistenden Untersuchungen zu formulieren. Am 11. August 2006 wurde anlässlich eines Zusammentreffens mit Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier ein entsprechender Kooperationsvertrag unterschrieben. Ab sofort unterrichtet die Kommission auf ihrer Internetseite über aktuelle Entwicklungen. Insgesamt 1,4 Millionen Euro wird das Ministerium für die Arbeit der Kommission zur Verfügung stellen. Die Koordination des Projekts und die Mittelvergabe erfolgen in Marburg.

Die Kommission war im Juli 2005 vom damaligen Außenminister Joschka Fischer berufen worden. Im September 2005 fand ein Kolloquium im Auswärtigen Amt statt, an dem 12 weitere Historiker teilnahmen, darunter Vertreter des Bundesarchivs und des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts. Die Experten bestätigten die Notwendigkeit einer breit angelegten Untersuchung. Auszuwerten sei sehr umfangreiches Quellenmaterial. Die Kernbestände bildeten die Sachakten im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts, ergänzt durch die Personalakten. Darüber hinaus müssten weitere Archive im In- und Ausland in die Untersuchung einbezogen werden. Anlässlich der Vertragsunterzeichnung kam es nun auch zu einer Begegnung der Historiker mit dem jetzigen Außenminister. \“Die wissenschaftlich-historische Untersuchung der Geschichte des Auswärtigen Amtes", sagte Steinmeier bei diesem Anlass, \“ist eine seit langem anstehende Notwendigkeit. Die mit international renommierten Experten besetzte Kommission wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten.\“ Das Forschungsprojekt soll insbesondere den Umgang mit der NS-Vergangenheit nach der Wiedergründung des Auswärtigen Amts 1951 und die Frage nach personeller Kontinuität und Diskontinuität nach 1945 wissenschaftlich untersuchen, wie es auf der Internetseite des Auswärtigen Amts heißt.

\“Bereits jetzt besteht massives Interesse seitens der Öffentlichkeit und der Medien an unserer Arbeit\“, so Kommissionssprecher Conze anlässlich der Freischaltung der neuen Homepage. \“Unsere Arbeit wird weithin wahrgenommen und zum Teil sehr kritisch verfolgt.\“ Insbesondere freue er sich auch über die Tatsache, dass das Projekt aus Marburg koordiniert werde: \“Dass dieses wichtige Projekt an der Schnittstelle zwischen Politik und Zeitgeschichte hier angesiedelt ist, verweist auf die Bedeutung der Philipps-Universität Marburg im Bereich der Geschichtswissenschaften ebenso wie der Geisteswissenschaften im allgemeinen.\“ Neben Professor Dr. Eckart Conze gehören der Kommission an: Professor Dr. Norbert Frei, Universität Jena; Professor Dr. Peter Hayes, Northwestern University/Illinois; Professor Dr. Klaus Hildebrand, Universität Bonn; Professor Dr. Moshe Zimmermann, Hebrew University of Jerusalem.

Bereits im September 2005 war im Rahmen eines Kolloquiums im Auswärtigen Amt, an dem weitere Historiker beteiligt worden waren, über die Fragestellungen der zu leistenden Untersuchungen diskutiert worden. \“Im Vorfeld der Vertragsunterzeichnungen legten wir nun ein detailliertes Konzept vor\“, erklärt Kommissionssprecher Conze, \“und planen, unsere Forschungsergebnisse im Jahr 2009 vorzustellen.\“ Das Konzept der Kommission sieht vor, dass die Kommissionsmitglieder durch eine Reihe ausgewiesener jüngerer Wissenschaftler bei ihrer Arbeit unterstützt werden.

Kontakt:
Professor Dr. Eckart Conze
Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaft, Fachgebiet Neuere und Neueste Geschichte
Wilhelm-Röpke-Str. 6 C
35032 Marburg
Tel: (06421) 28 24611
aa-kommission@staff.uni-marburg.de 

Quelle: Thilo Körkel, Philipps-Universität Marburg, Informationsdienst Wissenschaft, 26.9.2006; Auswärtiges Amt – Unabhängige Historikerkommission,  11.8.2006

Kieler Stadtarchiv erinnert an Gründung des Stadtteils Mettenhof

Anfang der 1960er Jahre wurde in Kiel dringend neuer Wohnraum benötigt. In Mettenhof, fünf Kilometer westlich des Stadtzentrums, entstand von 1965 an ein völlig neuer Stadtteil. Die Historikerin Christa Geckeler, die für das Stadtarchiv Kiel jeden Monat über Kieler Erinnerungstage berichtet, hat bei ihren Nachforschungen herausgefunden, dass sich der Name Mettenhof bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Hier wurde 1676 von dem Besitzer des Gutes Quarnbek, Hans-Heinrich von Kielmannsegg, der Meierhof Mettenhof angelegt. 1960 wurde der zugehörige Grundbesitz an die Neue Heimat verkauft. Das Projekt der Neuen Heimat sah für Mettenhof 40.000 Wohnungen mit allen Versorgungseinrichtungen des täglichen Bedarfs vor. Nach Gesprächen mit der Stadt wurde die Größe des Stadtteils dann auf 21.000 Bewohner begrenzt. Dem Zeitgeist folgend, war der Stadtteil autogerecht geplant. Mitten durch das Wohngebiet sollte von Nord nach Süd eine Autobahn führen, damit der neue Stadtteil schnell zu erreichen war. Natürlich durfte damals auch eine auffällige Skyline nicht fehlen.

Am 1. Juni 1963 wurde Mettenhof, Teil der Gemeinde Melsdorf, mit 526 Einwohnern in das Kieler Stadtgebiet eingemeindet. 1965 fand anlässlich der Kieler Woche die feierliche Grundsteinlegung des Neubaugebietes unter dem Motto „Gesundheit, Lebensfreude und ein glückliches Kiel" statt. In der Presse wurde das Bauvorhaben viel beachtet. Man sprach von der größten Baustelle Europas, die ähnliche Ausmaße habe wie die Neue Vahr in Bremen. Am 26. September 1966 wurden die ersten Wohnungen bezogen, zumeist von Mietern, die bis dahin in Barackenlagern, anderen Notunterkünften und total überbelegten Altbauquartieren gelebt hatten. Die Errichtung der Wohnungen ging so schnell, dass der Aufbau der Infrastruktur hinterherhinkte. Beispielsweise mussten ein Supermarkt vorübergehend in einer Tiefgarage und sechs Schulklassen in einem Schulpavillon, genannt „Pappschule", untergebracht werden. Für viele Bewohner wurde der neue Stadtteil zu einem angenehmen Wohnort, an dem es sich gut leben ließ, vor allem in den Eigenheimen am Rande Mettenhofs. Aber es gab auch Probleme. Häufig standen Wohnungen leer. Entgegen der Prognose der 1960er Jahre nahm die Kieler Bevölkerungszahl ab. Zudem kämpfte Mettenhof mit einem negativen Image: gestalterische Monotonie, massive Hochhausbebauung, vernachlässigte Bausubstanz, wenig attraktives Wohnumfeld, Vandalismus, Jugendkriminalität, Identifikationsprobleme. Heute wird durch ein Sanierungsprogramm und die Verbesserung von Infrastruktur und Freizeitangeboten versucht, eine höhere Lebensqualität in Mettenhof sicherzustellen.

Kontakt:
Landeshauptstadt Kiel
Stadtarchiv
Rathaus
Fleethörn 9
24103 Kiel 
Telefon: 0431/901-3424
Fax: 0431/901-63423
stadtarchiv@kiel.de

Quelle: Pressemeldung Landeshauptstadt Kiel, 25.9.2006;  kiel4kiel.de, 25.9.2006

Ausgezeichnete Archivpädagogik

Die Dekane und die Rektorin der Fachhochschule Potsdam (FHP) zeichneten im Rahmen der Semestereröffnungsfeierlichkeiten am 25.9.2006 hervorragende Absolventinnen und Absolventen mit den Hochschulpreisen aus. Verliehen wurden die FHP-Preise für die besten Abschlussarbeiten, der FHP-Sonderpreis für besonderes hochschulisches und gesellschaftliches Engagement sowie der DAAD-Preis für besondere akademischen und interkulturelle Leistungen ausländischer Studierender.

\"Dekan

Im Fachbereich Informationswissenschaften, Studiengang Archiv, wurde Kristin Tuma für ihre Diplomarbeit \“Archivpädagogik als ein Mittel der historischen Bildungs- und archivischen Öffentlichkeitsarbeit – vorgestellt an ausgewählten Beispielen\“ gewürdigt, in der sie sich mit dem noch relativ jungen Feld der Archivpädagogik auseinander setzt.

Jung in so fern, als dass Archive den Nutzen und die Vorteile der Archivpädagogik für die historische Bildungsarbeit erst langsam erkennen und ihre Schätze einer breiten und vor allem jungen Gemeinschaft zu Forschungs- und Wissenzwecken zur Verfügung stellen. Das wie beinahe nebenbei ein nicht unerheblicher Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit geleistet wird, macht eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik nicht nur unerlässlich, sondern auch preiswürdig.

Die FHP-Preise für die besten Abschlussarbeiten sind mit einer Urkunde und einer Prämie von 50 € dotiert.

Kontakt:
Fachhochschule Potsdam
Fachbereich Informationswissenschaften
Friedrich-Ebert-Str. 4
14467 Potsdam
Tel. +49 (0)331 5801501
Fax +49 (0)331 5801599
abd(AT)fh-potsdam.de

Quelle: idw-online, 25.9.2006

Ausstellung des Landesarchivs Südtirol zur Alltagskultur

„Ain guetter kupferner Kössl“ gehörte ebenso zu den Gebrauchsgegenständen in einem Tiroler Haushalt wie „gloggspeisene“ Pfannen und „rupfene Ziechen“. „Ain guetter kupferner Kössl“ ist auch der Name der Ausstellung, die unter der Federführung des Landesarchivs entstanden ist und die am kommenden Freitag, 29. September am Platzlhof in Eppan-Berg eröffnet wird. Das Südtiroler Landesarchiv hat historische Hausinventare zu einer Ausstellung vereint, die im Oktober in Eppan und Jenesien zu sehen sein werden. Inventare haben neuerdings als Quellengattung zur Erforschung der frühneuzeitlichen Lebenswelt erhebliche Bedeutung erlangt. Margot Pizzini vom Landesarchiv hat eine Ausstellung konzipiert, die neben den Inventaren auch Inventargegenstände aus vergangenen Zeiten zeigt und so kultur- und alltagsgeschichtliche Fragen erfahr- und begreifbar macht. Dazu passend wurden auch die Ausstellungsorte gewählt: Der Platzlhof etwa auf Eppan-Berg ist mehrere hundert Jahre alt und bietet mit seinen gut erhaltenen historischen Räumlichkeiten ein ideales Ambiente.

Wie wurden die Inventare überhaupt erfasst? Das typische Hausinventar wurde vom Richter oder dessen Anwalt im Beisein von mehreren Beisitzern erstellt. Zur Beschreibung und Schätzung des Besitzes gingen Richter und Geschworene durch das ganze Haus und notierten, säuberlich getrennt nach den verschiedenen Räumlichkeiten, die einzelnen Posten. Bei Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen merkten sie vielfach das Material und die Qualität an. „Ain tisch mit ainer feichten plat“ war in den meisten Stuben vorhanden. In den Küchen fanden sich durchwegs „gloggspeisene“, „eisene“, „kupferne“, „messinge“, „zinnen“ Pfannen, Schüsseln, Teller und Gefäße, die entweder „pesser“ oder „schlechter“ oder gar „letz“ waren.

„Ain guetter kupferner Kössl“ ist in Eppan im Weinhof Platzl (Eppan Berg) vom 30. September bis zum 15. Oktober 2006 zu sehen. Die Ausstellung wird am kommenden Freitag, 29. September um 18 Uhr von Landesarchivar Josef Nössing eröffnet. In Jenesien, im Haflinger-Museum, wird die Ausstellung hingegen am 20. Oktober (18 Uhr) eröffnet und kann bis zum 29. Oktober besichtigt werden.

Kontakt:
Landesarchiv Südtirol
Armando-Diaz-Straße 8
I-39100 Bozen
Tel.: 0471 411941
Fax: 0471 411959
Landesarchiv@provinz.bz.it

Quelle: Pressemitteilung Autonome Provinz Bozen, 22.9.2006

Ausstellung Kurt Gerstein – Widerstand in SS-Uniform nun in Saarbrücken

Das Stadtarchiv Saarbrücken zeigt gemeinsam mit den Evangelischen Kirchenkreisen Saarbrücken, Völklingen und Ottweiler die Ausstellung \“Kurt Gerstein – Widerstand in SS-Uniform". Die Ausstellung wurde am 20. September 2006 in der Ludwigskirche eröffnet.

Kurt Gerstein, 1905 in Münster/Westf. Geboren, hat einen Teil seiner Schulzeit in Saarbrücken verbracht. Er engagierte sich früh in der evangelischen Jugendarbeit und trat 1933 in die NSDAP ein. Nach einer Ausbildung zum Bergingenieur arbeitete er 1935 /36 bei der Saargrubenverwaltung in Saarbrücken. Zu dieser Zeit war er schon in der Bekennenden Kirche aktiv. Da er von seiner Dienststelle aus Broschüren der Bekennenden Kirche versandte, wurde er festgenommen und in der Haftanstalt Lerchesflur inhaftiert. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst und dem Ausschluss aus der Partei, studierte er in Tübingen Medizin. Im Zusammenhang mit der Ermordung einer Verwandten im Rahmen des Euthanasieprogramms trat er in die SS ein, um sich selbst ein Bild von den Verbrechen zu machen und die Öffentlichkeit zu informieren. Er war in die Gaslieferungen für die Vernichtungslager involviert, versuchte sie aber immer wieder zu sabotieren und informierte kirchliche Würdenträger und ausländische Diplomaten über die Vorgänge in den Lagern. 1945 stellte er sich den französischen Truppen. In französischer Untersuchungshaft kam er vermutlich durch Selbstmord ums Leben.

Die Ausstellung will sowohl den Weg dieses Mannes aus den Schülerbibelkreisen und der Bekennenden Kirche in die SS und Vernichtungslager nachzeichnen als auch seine Versuche würdigen, über den Mord an den Juden Europas zu informieren. Seine sich selbst auferlegte Verpflichtung, über den Holocaust Zeugnis abzulegen, ist bis heute in ihrer Widersprüchlichkeit schwer zu verstehen. Kurt Gerstein im Gesamtspektrum des Widerstands gegen den Nationalsozialismus zu zeigen und sein Denken und Handeln einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, ist Ziel dieser Ausstellung, die im Landeskirchlichen Archiv Bielefeld unter der thematischen Verantwortung von Prof. Dr. Bernd Hey gemeinsam mit dem Förderkreis Kurt Gerstein erarbeitet worden ist.

In der Ludwigskirche ist die Ausstellung bis zum 11.10.06 täglich außer Montags von 10 – bis 18 Uhr zu sehen. Danach wandert sie in die Martinskirche in Köllerbach und zum Schluss wird sie in der Christuskirche in Neunkirchen gezeigt.

Quelle: Landeshauptstadt Saarbrücken, Pressemitteilung, 14.9.2006