Projekt über NS-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes

Die unabhängige Historikerkommission, die im Auftrag des Bundesaußenministers die Geschichte des Auswärtigen Dienstes in der Zeit des Nationalsozialismus untersuchen soll, ist offiziell im Amt. Die Kommission unter Leitung des Marburger Professors für Neuere Geschichte, Dr. Eckart Conze, hat sich zum Ziel gesetzt, zunächst den Forschungsstand zu bewerten und die Fragestellungen der zu leistenden Untersuchungen zu formulieren. Am 11. August 2006 wurde anlässlich eines Zusammentreffens mit Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier ein entsprechender Kooperationsvertrag unterschrieben. Ab sofort unterrichtet die Kommission auf ihrer Internetseite über aktuelle Entwicklungen. Insgesamt 1,4 Millionen Euro wird das Ministerium für die Arbeit der Kommission zur Verfügung stellen. Die Koordination des Projekts und die Mittelvergabe erfolgen in Marburg.

Die Kommission war im Juli 2005 vom damaligen Außenminister Joschka Fischer berufen worden. Im September 2005 fand ein Kolloquium im Auswärtigen Amt statt, an dem 12 weitere Historiker teilnahmen, darunter Vertreter des Bundesarchivs und des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts. Die Experten bestätigten die Notwendigkeit einer breit angelegten Untersuchung. Auszuwerten sei sehr umfangreiches Quellenmaterial. Die Kernbestände bildeten die Sachakten im Politischen Archiv des Auswärtigen Amts, ergänzt durch die Personalakten. Darüber hinaus müssten weitere Archive im In- und Ausland in die Untersuchung einbezogen werden. Anlässlich der Vertragsunterzeichnung kam es nun auch zu einer Begegnung der Historiker mit dem jetzigen Außenminister. \“Die wissenschaftlich-historische Untersuchung der Geschichte des Auswärtigen Amtes", sagte Steinmeier bei diesem Anlass, \“ist eine seit langem anstehende Notwendigkeit. Die mit international renommierten Experten besetzte Kommission wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten.\“ Das Forschungsprojekt soll insbesondere den Umgang mit der NS-Vergangenheit nach der Wiedergründung des Auswärtigen Amts 1951 und die Frage nach personeller Kontinuität und Diskontinuität nach 1945 wissenschaftlich untersuchen, wie es auf der Internetseite des Auswärtigen Amts heißt.

\“Bereits jetzt besteht massives Interesse seitens der Öffentlichkeit und der Medien an unserer Arbeit\“, so Kommissionssprecher Conze anlässlich der Freischaltung der neuen Homepage. \“Unsere Arbeit wird weithin wahrgenommen und zum Teil sehr kritisch verfolgt.\“ Insbesondere freue er sich auch über die Tatsache, dass das Projekt aus Marburg koordiniert werde: \“Dass dieses wichtige Projekt an der Schnittstelle zwischen Politik und Zeitgeschichte hier angesiedelt ist, verweist auf die Bedeutung der Philipps-Universität Marburg im Bereich der Geschichtswissenschaften ebenso wie der Geisteswissenschaften im allgemeinen.\“ Neben Professor Dr. Eckart Conze gehören der Kommission an: Professor Dr. Norbert Frei, Universität Jena; Professor Dr. Peter Hayes, Northwestern University/Illinois; Professor Dr. Klaus Hildebrand, Universität Bonn; Professor Dr. Moshe Zimmermann, Hebrew University of Jerusalem.

Bereits im September 2005 war im Rahmen eines Kolloquiums im Auswärtigen Amt, an dem weitere Historiker beteiligt worden waren, über die Fragestellungen der zu leistenden Untersuchungen diskutiert worden. \“Im Vorfeld der Vertragsunterzeichnungen legten wir nun ein detailliertes Konzept vor\“, erklärt Kommissionssprecher Conze, \“und planen, unsere Forschungsergebnisse im Jahr 2009 vorzustellen.\“ Das Konzept der Kommission sieht vor, dass die Kommissionsmitglieder durch eine Reihe ausgewiesener jüngerer Wissenschaftler bei ihrer Arbeit unterstützt werden.

Kontakt:
Professor Dr. Eckart Conze
Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaft, Fachgebiet Neuere und Neueste Geschichte
Wilhelm-Röpke-Str. 6 C
35032 Marburg
Tel: (06421) 28 24611
aa-kommission@staff.uni-marburg.de 

Quelle: Thilo Körkel, Philipps-Universität Marburg, Informationsdienst Wissenschaft, 26.9.2006; Auswärtiges Amt – Unabhängige Historikerkommission,  11.8.2006

Kieler Stadtarchiv erinnert an Gründung des Stadtteils Mettenhof

Anfang der 1960er Jahre wurde in Kiel dringend neuer Wohnraum benötigt. In Mettenhof, fünf Kilometer westlich des Stadtzentrums, entstand von 1965 an ein völlig neuer Stadtteil. Die Historikerin Christa Geckeler, die für das Stadtarchiv Kiel jeden Monat über Kieler Erinnerungstage berichtet, hat bei ihren Nachforschungen herausgefunden, dass sich der Name Mettenhof bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Hier wurde 1676 von dem Besitzer des Gutes Quarnbek, Hans-Heinrich von Kielmannsegg, der Meierhof Mettenhof angelegt. 1960 wurde der zugehörige Grundbesitz an die Neue Heimat verkauft. Das Projekt der Neuen Heimat sah für Mettenhof 40.000 Wohnungen mit allen Versorgungseinrichtungen des täglichen Bedarfs vor. Nach Gesprächen mit der Stadt wurde die Größe des Stadtteils dann auf 21.000 Bewohner begrenzt. Dem Zeitgeist folgend, war der Stadtteil autogerecht geplant. Mitten durch das Wohngebiet sollte von Nord nach Süd eine Autobahn führen, damit der neue Stadtteil schnell zu erreichen war. Natürlich durfte damals auch eine auffällige Skyline nicht fehlen.

Am 1. Juni 1963 wurde Mettenhof, Teil der Gemeinde Melsdorf, mit 526 Einwohnern in das Kieler Stadtgebiet eingemeindet. 1965 fand anlässlich der Kieler Woche die feierliche Grundsteinlegung des Neubaugebietes unter dem Motto „Gesundheit, Lebensfreude und ein glückliches Kiel" statt. In der Presse wurde das Bauvorhaben viel beachtet. Man sprach von der größten Baustelle Europas, die ähnliche Ausmaße habe wie die Neue Vahr in Bremen. Am 26. September 1966 wurden die ersten Wohnungen bezogen, zumeist von Mietern, die bis dahin in Barackenlagern, anderen Notunterkünften und total überbelegten Altbauquartieren gelebt hatten. Die Errichtung der Wohnungen ging so schnell, dass der Aufbau der Infrastruktur hinterherhinkte. Beispielsweise mussten ein Supermarkt vorübergehend in einer Tiefgarage und sechs Schulklassen in einem Schulpavillon, genannt „Pappschule", untergebracht werden. Für viele Bewohner wurde der neue Stadtteil zu einem angenehmen Wohnort, an dem es sich gut leben ließ, vor allem in den Eigenheimen am Rande Mettenhofs. Aber es gab auch Probleme. Häufig standen Wohnungen leer. Entgegen der Prognose der 1960er Jahre nahm die Kieler Bevölkerungszahl ab. Zudem kämpfte Mettenhof mit einem negativen Image: gestalterische Monotonie, massive Hochhausbebauung, vernachlässigte Bausubstanz, wenig attraktives Wohnumfeld, Vandalismus, Jugendkriminalität, Identifikationsprobleme. Heute wird durch ein Sanierungsprogramm und die Verbesserung von Infrastruktur und Freizeitangeboten versucht, eine höhere Lebensqualität in Mettenhof sicherzustellen.

Kontakt:
Landeshauptstadt Kiel
Stadtarchiv
Rathaus
Fleethörn 9
24103 Kiel 
Telefon: 0431/901-3424
Fax: 0431/901-63423
stadtarchiv@kiel.de

Quelle: Pressemeldung Landeshauptstadt Kiel, 25.9.2006;  kiel4kiel.de, 25.9.2006

Ausgezeichnete Archivpädagogik

Die Dekane und die Rektorin der Fachhochschule Potsdam (FHP) zeichneten im Rahmen der Semestereröffnungsfeierlichkeiten am 25.9.2006 hervorragende Absolventinnen und Absolventen mit den Hochschulpreisen aus. Verliehen wurden die FHP-Preise für die besten Abschlussarbeiten, der FHP-Sonderpreis für besonderes hochschulisches und gesellschaftliches Engagement sowie der DAAD-Preis für besondere akademischen und interkulturelle Leistungen ausländischer Studierender.

\"Dekan

Im Fachbereich Informationswissenschaften, Studiengang Archiv, wurde Kristin Tuma für ihre Diplomarbeit \“Archivpädagogik als ein Mittel der historischen Bildungs- und archivischen Öffentlichkeitsarbeit – vorgestellt an ausgewählten Beispielen\“ gewürdigt, in der sie sich mit dem noch relativ jungen Feld der Archivpädagogik auseinander setzt.

Jung in so fern, als dass Archive den Nutzen und die Vorteile der Archivpädagogik für die historische Bildungsarbeit erst langsam erkennen und ihre Schätze einer breiten und vor allem jungen Gemeinschaft zu Forschungs- und Wissenzwecken zur Verfügung stellen. Das wie beinahe nebenbei ein nicht unerheblicher Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit geleistet wird, macht eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik nicht nur unerlässlich, sondern auch preiswürdig.

Die FHP-Preise für die besten Abschlussarbeiten sind mit einer Urkunde und einer Prämie von 50 € dotiert.

Kontakt:
Fachhochschule Potsdam
Fachbereich Informationswissenschaften
Friedrich-Ebert-Str. 4
14467 Potsdam
Tel. +49 (0)331 5801501
Fax +49 (0)331 5801599
abd(AT)fh-potsdam.de

Quelle: idw-online, 25.9.2006

Ausstellung des Landesarchivs Südtirol zur Alltagskultur

„Ain guetter kupferner Kössl“ gehörte ebenso zu den Gebrauchsgegenständen in einem Tiroler Haushalt wie „gloggspeisene“ Pfannen und „rupfene Ziechen“. „Ain guetter kupferner Kössl“ ist auch der Name der Ausstellung, die unter der Federführung des Landesarchivs entstanden ist und die am kommenden Freitag, 29. September am Platzlhof in Eppan-Berg eröffnet wird. Das Südtiroler Landesarchiv hat historische Hausinventare zu einer Ausstellung vereint, die im Oktober in Eppan und Jenesien zu sehen sein werden. Inventare haben neuerdings als Quellengattung zur Erforschung der frühneuzeitlichen Lebenswelt erhebliche Bedeutung erlangt. Margot Pizzini vom Landesarchiv hat eine Ausstellung konzipiert, die neben den Inventaren auch Inventargegenstände aus vergangenen Zeiten zeigt und so kultur- und alltagsgeschichtliche Fragen erfahr- und begreifbar macht. Dazu passend wurden auch die Ausstellungsorte gewählt: Der Platzlhof etwa auf Eppan-Berg ist mehrere hundert Jahre alt und bietet mit seinen gut erhaltenen historischen Räumlichkeiten ein ideales Ambiente.

Wie wurden die Inventare überhaupt erfasst? Das typische Hausinventar wurde vom Richter oder dessen Anwalt im Beisein von mehreren Beisitzern erstellt. Zur Beschreibung und Schätzung des Besitzes gingen Richter und Geschworene durch das ganze Haus und notierten, säuberlich getrennt nach den verschiedenen Räumlichkeiten, die einzelnen Posten. Bei Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen merkten sie vielfach das Material und die Qualität an. „Ain tisch mit ainer feichten plat“ war in den meisten Stuben vorhanden. In den Küchen fanden sich durchwegs „gloggspeisene“, „eisene“, „kupferne“, „messinge“, „zinnen“ Pfannen, Schüsseln, Teller und Gefäße, die entweder „pesser“ oder „schlechter“ oder gar „letz“ waren.

„Ain guetter kupferner Kössl“ ist in Eppan im Weinhof Platzl (Eppan Berg) vom 30. September bis zum 15. Oktober 2006 zu sehen. Die Ausstellung wird am kommenden Freitag, 29. September um 18 Uhr von Landesarchivar Josef Nössing eröffnet. In Jenesien, im Haflinger-Museum, wird die Ausstellung hingegen am 20. Oktober (18 Uhr) eröffnet und kann bis zum 29. Oktober besichtigt werden.

Kontakt:
Landesarchiv Südtirol
Armando-Diaz-Straße 8
I-39100 Bozen
Tel.: 0471 411941
Fax: 0471 411959
Landesarchiv@provinz.bz.it

Quelle: Pressemitteilung Autonome Provinz Bozen, 22.9.2006

Ausstellung Kurt Gerstein – Widerstand in SS-Uniform nun in Saarbrücken

Das Stadtarchiv Saarbrücken zeigt gemeinsam mit den Evangelischen Kirchenkreisen Saarbrücken, Völklingen und Ottweiler die Ausstellung \“Kurt Gerstein – Widerstand in SS-Uniform". Die Ausstellung wurde am 20. September 2006 in der Ludwigskirche eröffnet.

Kurt Gerstein, 1905 in Münster/Westf. Geboren, hat einen Teil seiner Schulzeit in Saarbrücken verbracht. Er engagierte sich früh in der evangelischen Jugendarbeit und trat 1933 in die NSDAP ein. Nach einer Ausbildung zum Bergingenieur arbeitete er 1935 /36 bei der Saargrubenverwaltung in Saarbrücken. Zu dieser Zeit war er schon in der Bekennenden Kirche aktiv. Da er von seiner Dienststelle aus Broschüren der Bekennenden Kirche versandte, wurde er festgenommen und in der Haftanstalt Lerchesflur inhaftiert. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst und dem Ausschluss aus der Partei, studierte er in Tübingen Medizin. Im Zusammenhang mit der Ermordung einer Verwandten im Rahmen des Euthanasieprogramms trat er in die SS ein, um sich selbst ein Bild von den Verbrechen zu machen und die Öffentlichkeit zu informieren. Er war in die Gaslieferungen für die Vernichtungslager involviert, versuchte sie aber immer wieder zu sabotieren und informierte kirchliche Würdenträger und ausländische Diplomaten über die Vorgänge in den Lagern. 1945 stellte er sich den französischen Truppen. In französischer Untersuchungshaft kam er vermutlich durch Selbstmord ums Leben.

Die Ausstellung will sowohl den Weg dieses Mannes aus den Schülerbibelkreisen und der Bekennenden Kirche in die SS und Vernichtungslager nachzeichnen als auch seine Versuche würdigen, über den Mord an den Juden Europas zu informieren. Seine sich selbst auferlegte Verpflichtung, über den Holocaust Zeugnis abzulegen, ist bis heute in ihrer Widersprüchlichkeit schwer zu verstehen. Kurt Gerstein im Gesamtspektrum des Widerstands gegen den Nationalsozialismus zu zeigen und sein Denken und Handeln einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, ist Ziel dieser Ausstellung, die im Landeskirchlichen Archiv Bielefeld unter der thematischen Verantwortung von Prof. Dr. Bernd Hey gemeinsam mit dem Förderkreis Kurt Gerstein erarbeitet worden ist.

In der Ludwigskirche ist die Ausstellung bis zum 11.10.06 täglich außer Montags von 10 – bis 18 Uhr zu sehen. Danach wandert sie in die Martinskirche in Köllerbach und zum Schluss wird sie in der Christuskirche in Neunkirchen gezeigt.

Quelle: Landeshauptstadt Saarbrücken, Pressemitteilung, 14.9.2006

Auf den Spuren einer Familiengeschichte im Stadtarchiv Herten

Das Stadtarchiv Herten lädt zu zwei ganz besonderen Terminen ein: Am Dienstag, 26. September 2006, 11.00 Uhr wird im Glashaus Herten die Ausstellung „Ost-West-Begegnungen in Krieg und Frieden. Auf den Spuren einer Familiengeschichte“ durch Bürgermeister Dr. Uli Paetzel eröffnet. Es ist eine zweisprachige Ausstellung im Deutsch-Polnischen Jahr 2005/2006 zur Historie des Ruhrgebiets und der deutsch-polnischen Begegnungsgeschichte. Entwickelt wurde die Präsentation aus dem Buch „Masurische Gnadenhochzeit“ von Herbert Somplatzki in Zusammenarbeit mit dem Westpreußischen Landesmuseum in Münster. Als Ergänzung dazu lädt das Stadtarchiv Herten am selben Tag von 17.00 bis 18.30 Uhr zur Lesung ins Glashaus Herten ein. Herbert Somplatzki, Autor, P.E.N.-Mitglied, ehemaliger Bergmann und gebürtiger Masure erzählt von den Menschen, die aus dem Osten Deutschlands, dem fernen Masuren in Ostpreußen kamen und in den Dörfern und Städten des Ruhrgebiets eine neue Heimat fanden. In Herten, Westerholt und anderswo. Er berichtet vom Leben der so genannten einfachen Leute, von ihren Schicksalen, von Freud und Leid, von Flucht und Vertreibung, vom Neubeginn im Revier, aber auch von den großartigen Landschaften Masurens. Er erzählt von Masuren, dem wunderschönen Land der tausend Seen und dunklen Wäldern, von Sehnsucht nach Heimat, Heimatverlust und dem Angekommensein. 

\"Ausstellung:

Abb.: Ausstellung: Ost-West-Begegnungen (© Stadtarchiv Herten)

Die Ausstellung, die bereits mit großem Erfolg wechselweise in Deutschland und in Polen gezeigt worden ist, zuletzt im Muzeum Regionalne Krokowa (Polen), erzählt anhand einer Familiengeschichte Geschichte in Geschichten. Geschichten, die nicht nur von Menschen und ihren Schicksalen handeln, sondern auch einen Abschnitt europäischer Geschichte exemplarisch widerspiegeln. Vor dem Hintergrund des oft schwierigen Verhältnisses zwischen Deutschen und Polen als Nachbarn versucht die Ausstellung einen Brückenschlag zwischen Völkern und Ländern auf dem Weg in ein neues friedliches Europa, das sich des gemeinsamen kulturellen Erbes erinnert und dieses bewahrt. Dem Stadtarchiv Herten ist es als „Gedächtnis der Stadt“ ein Anliegen, mit dieser Ausstellung auch ein Stück Einwanderungsgeschichte nach Herten, aus Masuren und anderswo, anschaulich zu machen. 

Die Ausstellung ist vom 26. September bis zum 25. Oktober im Glashaus Herten, Hermannstr. 16, zu sehen. Bei Bedarf sind Führungen möglich. 

Kontakt:
Stadtarchiv Herten
Gartenstr. 40 (im Städt. Gymnasium)
45699 Herten
Telefon: 02366-303-233
Telefax: 02366-303-630
stadtarchiv@herten.de

Quelle: Presseinformationen Stadt Herten, 22.9.2006

Sprengstoff! im Westfälischen Industriemuseum Zeche Nachtigall

Am Abend des 28. November 1906 brach im Mischgebäude der Wittener Roburit-Fabrik ein Feuer aus. Kurze Zeit später erschütterten zwei gewaltige Explosionen den Stadtteil. Die Fabrik, die ausgerechnet Sicherheitssprengstoffe für den Bergbau herstellte, flog in die Luft. 41 Menschen kamen ums Leben, mehrere hundert wurden verletzt und über 2000 obdachlos. Wie kann der als sicher geltende Sprengstoff Roburit, seit zwanzig Jahren erfolgreich im Bergbau eingesetzt, ohne Zünder explodieren? Ein Anschlag? Menschliches Versagen? Illegale Machenschaften der Fabrik? Die Verantwortlichen der Firma, Staatsanwaltschaft und Sachverständige stehen vor einem Rätsel. Zugleich fragt man sich: Warum ist eine solche Fabrik in einem Wohngebiet errichtet und betrieben worden?

100 Jahre später erinnert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in seinem Westfälischen Industriemuseum Zeche Nachtigall mit der Ausstellung „Sprengstoff!“ (24.9.06 – 28.1.07) an diese technische Katastrophe, die im gesamten Deutschen Reich Bestürzung auslöste. Über 120 Exponate, die in direktem Zusammenhang mit dem Unglück stehen, hat das Ausstellungsteam zusammengetragen und in Szene gesetzt; mehr als die Hälfte davon sind Leihgaben. Die größte unter ihnen ist die Annener Feuerglocke, die damals die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zum Einsatz rief. Unmittelbare Eindrücke aus der Zeit der Katastrophe vermitteln mehr als 40 Ansichtspostkarten vom Unglücksort sowie Plakate mit Hilfsangeboten. Zentrales Exponat ist ein repräsentatives Fotoalbum der Fabrikbesitzer aus dem Jahr 1903, in das später Unglücksfotos eingeklebt wurden. Jahre nach der Explosion gelangte es in den Besitz des Polizisten und Unglücksopfers Ludwig Wahl. Sein Gehör wurde durch die enorme Druckwelle schwer geschädigt, und er erhielt 1909 eines der ersten Hörgeräte, die es auf dem Markt gab. Die Kosten von 90 Mark wurden aus den reichsweit gesammelten Spendengeldern erstattet. „Die Geschichte von Ludwig Wahl ist ein typisches Beispiel dafür, wie wir den Blick in der Ausstellung immer wieder auf einzelne Menschen lenken“, so Ingrid Telsemeyer.

Einen anschaulichen Eindruck von Größe und Lage der Fabrik vermittelt ein Modell, das in den Werkstätten des LWL-Industriemuseums nach historischen Plänen und Fotografien gebaut wurde. Feuerwehr- und Polizeiutensilien, medizinische Hilfsmittel wie Krücken und Beinprothesen, historische Fotografien und andere Dokumente ergänzen die Schilderungen von Zeitzeugen. Über Hörstationen vermitteln sie einen lebendigen Eindruck vom Verlauf des Unglücks und von den Debatten um die Ursache und die juristische und moralische Schuld. Medien-Stationen regen zum Nachdenken über die eigene Einstellung zum Thema an. Das umfangreiche Begleitprogramm (s.u.) reicht von Vorträgen über Sicherheitstrainings mit der Feuerwehr Witten bis zu einer Tagung.

Die Ausstellung beschränkt sich aber nicht auf die Katastrophe allein. „Wir nehmen auch die gesellschaftlichen Reaktionen auf das Unglück in den Blick“, betont Ingrid Telsemeyer. Unter den Überschriften „Sensation und Solidarität“ sowie „Erinnern und Vergessen“ geht es um die Zeitungsberichterstattung zum Unglück, um Angst, Anteilnahme und Hilfsbereitschaft der Menschen sowie die Aufarbeitung des Falls durch die Gerichte bis hin zur späteren Erinnerungskultur.

„Zu den Jahrestagen war das Unglück in Witten immer wieder präsent. Heute erinnert in Witten nur noch wenig an das große Unglück. Jetzt nach 100 Jahren wurde die Katastrophe für die Ausstellung erstmals gründlich erforscht“, erläutert Dr. Martina Kliner-Fruck, Leiterin des Stadtarchivs Witten, das zahlreiche Dokumente zur Ausstellung beisteuerte. Das Stadtarchiv, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund sowie der Geschichtsverein Annen sind Kooperationspartner des Projektes. Am Ende zieht die Schau auch Parallelen zur heutigen Katastrophenbewältigung und den nach wie vor vorhandenen Risiken der industriellen Produktion. Unter dem Titel Sprengstoff! erscheint eine Begleitpublikation zur Ausstellung, die die dort angesprochenen Themen, über das lokale Beispiel hinausgehend vertieft.

Begleitprogramm:

So, 24.9. Eröffnung: 12 – 18 Uhr Die Feuerwehr der Stadt Witten mit dem Infomobil und einem Löschfahrzeug; Vorstellung der Jugendfeuerwehr; 14 Uhr: Offizielle Eröffnung der Ausstellung; ab 15 Uhr freie Ausstellungsbesichtigung

Vorträge im Westfälisches Industriemuseum Zeche Nachtigall

Mi, 27.9.06 19.30 Uhr: „Nur drei Arbeiter machten einen gesunden Eindruck …“ Die Roburit-Fabrik in Witten 1886–1906. Von Dr. Frank Ahland, Historiker & Publizist, Witten, und Stefan Nies, Historiker, Dortmund

Mi, 15.11. 19.30 Uhr: Vom Schwarzpulver zum Sicherheitssprengstoff. Von Dr. Ralf Zimmermann, Holzwickede 

Mi, 22.11.06 19.30 Uhr: Der Mensch ist immer schuld! – Wie menschlich ist „menschliches Versagen“? Von Dr. Karl-Ernst Poppendick, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund

Di, 28.11.06 19.30 Uhr: Analyse von Unfällen beim Umgang mit Sprengstoff. Von Dr. Thomas Lehmann, Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, Berlin

Mi, 10.1.07 19.30 Uhr: Die Produktion und Sicherheit des Wettersprengstoffs Roburit heute. Von Dr. Burkhard Eulering WASAG Chemie Sythen, Haltern

Vorträge an anderen Orten

Mi, 25.10.06 19 Uhr: „Ganz Annen liegt sozusagen in einem Trümmerhaufen“. Die Explosion der Roburit-Fabrik und ihre Folgen für Annen. Dr. Frank Ahland, Historiker & Publizist, und Stefan Nies, Historiker, Haus Witten, Ruhrstraße

Mi, 17.1.07 ab 18 Uhr: 12. Wittener Archivforum mit Führung durch die Feuer- und Rettungswache Witten, Dortmunder Straße (18 Uhr) und Vortrag (19 Uhr): \“… mindestens die moralische Verpflichtung des Staates …\“ – Konsequenzen aus der Roburit-Explosion vom 28.11.1906 in Witten, von Dr. Frank Ahland, Witten und Stefan Nies, Dortmund, Vortragsraum der Feuerwehr

Fr, 19.1.07 10-18 Uhr: Jahrestagung des Vereins Historikerinnen und Historiker vor Ort: Thema: „Gott sei Dank ist Dortmund noch eben verschont geblieben …\“ Vom Umgang mit industriellen Risiken vor Ort. Infos unter www.historiker-vor-ort.de

Außerdem: Sicherheits-Training für Kinder und Erwachsene mit der Feuerwehr Witten (Anmeldung erforderlich)

– Brandschutz mit „Fridolin Brenzlich“ max. 15 Kinder

– Sicherheits- und Brandschutztraining für max. 30 Erwachsene

Termine: 05.11.2006 15 – 17 Uhr; 26.11.2006 15 – 17 Uhr; 07.01.2007 11 – 13 Uhr

Gruppenführungen: Auf den Spuren der Roburit-Katastrophe unterwegs (Gruppenführung auf Anfrage)

Kontakt:
Westfälisches Industriemuseum
Zeche Nachtigall
Nachtigallstraße 35
58452 Witten-Bommern
Sekretariat: Raphaela Klages
Telefon: 02302 93664-0
Telefax: 02302 93664-22
Zeche-Nachtigall@lwl.org

Quelle: Pressemitteilung Stadt Witten, 22.9.2006; Sonderausstellung: Sprengstoff!. Die Explosion der Wittener Roburit-Fabrik 1906.

Neue Publikation über Magdeburger Rathäuser

Zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober findet auch im Jahr 2006 das traditionelle Magdeburger Rathausfest statt. Bis in die frühen Abendstunden gibt es im und ums Rathaus Musik, Kultur, Informationen sowie Sport und Spiel. Um 11.00 Uhr stellt Bürgermeister Bernhard Czogalla im Hansesaal das Buch \“Das Alte und das Neue Rathaus zu Magdeburg im Wandel der Zeit\“ vor. \“Ich freue mich, dass wir in diesem Jahr wieder eine Publikation unseres Stadtarchivs zum Rathausfest präsentieren können\“, lädt Bürgermeister Czogalla geschichtsinteressierte Magdeburger schon jetzt ins Rathaus ein. Gemeinsam mit dem Amt für Öffentlichkeitsarbeit und Sitzungsmanagement hat sich das Stadtarchiv Magdeburg daran gemacht, die Geschichte der beiden Magdeburger Rathäuser zu dokumentieren. Anlass dafür war nicht nur der Abschluss der Sanierung des Alten Rathauses im November 2005, wir können in diesem Jahr auch zwei ‚runde Geburtstage‘ feiern: Das Neue Rathaus wurde vor 100 Jahren eingeweiht, und ebenfalls vor 100 Jahren wurde die Pressestelle der Stadtverwaltung eingerichtet. Magdeburg war die erste Stadt in Deutschland, die ein kommunales Presseamt schuf. Im Anschluss an die öffentliche Präsentation können Interessenten das Buch \“Das Alte und das Neue Rathaus zu Magdeburg im Wandel der Zeit\“ zum Preis von 15 Euro erwerben.

Kontakt:
Stadtarchiv Magdeburg
Bei der Hauptwache 4
39104 Magdeburg
Telefon: 0391/ 5 40 25 15
archiv@magdeburg.de

Quelle: Presseinformation Landeshauptstadt Magdeburg, 21.9.2006

Das Archiv in der Öffentlichkeit – die Öffentlichkeit im Archiv

Der 76. Deutsche Archivtag in Essen (26.-29. September 2006) fragt nach der Funktion und der Wahrnehmung der Archive in der Öffentlichkeit, wie der VdA in seiner Pressemitteilung zum Archivtag informiert:

Archiv und Öffentlichkeit – auf den ersten Blick erscheint das wie ein Gegensatzpaar. Denn nur den Wenigsten ist bewusst, dass der öffentliche Zugang zu Informationen gesetzlicher Auftrag und zentrale Aufgabe der Archive ist. Jedermann zugängliche Archive sind die Voraussetzung für historische Forschungen, in gleicher Weise aber auch für die Klärung von Rechtsfragen wie z.B. bei der Entschädigung von Zwangsarbeitern. Archive stehen nicht nur der professionellen Forschung offen, sondern allen Bürgerinnen und Bürgern, Studierenden und Schülern, Familienforschern und Freizeithistorikern jedweder Art.

\"76.

In den letzten Jahren sind die Archive verstärkt in die Öffentlichkeit getreten. Um sich als nutzbare Einrichtung des kulturellen Lebens zu positionieren, um auf sich aufmerksam zu machen, neue „Kunden“, Förderer und Fürsprecher zu gewinnen, nicht zuletzt auch um ihre Träger von der Bedeutung archivischer Arbeit zu überzeugen, haben die Archive seit den neunziger Jahren ihre Aktivitäten in der Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit verstärkt.

Dabei wurden und werden neue Formen der Präsentation – sowohl des Archivguts als auch des Archivs selbst als Institution – erprobt. Szenische Lesungen aus archivalischen Quellen beispielsweise wurden vielerorts eingesetzt. Die Beteiligung an Langen Nächten und an Kulturevents hat die Kreativität gefördert, zugleich aber auch die Frage aufgeworfen, wo die Grenzen liegen.

Öffentlichkeit bedeutet im Archivwesen aber sehr viel mehr als Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, denn die zentrale Funktion der Archive besteht eben darin, Unterlagen Öffentlichkeit zu verleihen. Im Archiv werden die Unterlagen einer staatlichen Verwaltung, einer Kommune, eines Wirtschaftsunternehmens oder kirchlicher Einrichtungen allgemein nutzbare historische Quellen.

Durch das Internet hat diese Funktion in den letzten Jahren ganz neue Dimensionen gewonnen. Informationen zu den Beständen der Archive, zum Teil auch die verwahrten Unterlagen selbst sind weltweit zugänglich, per Mausklick, sofort und unbürokratisch. Grenzen werden der Öffnung quasi nur noch rechtlich gesetzt. Welt- und europaweit stehen groß angelegte Digitalisierungsvorhaben von Archivgut an.

Vor dem Hintergrund diesen Entwicklungen setzt sich der 76. Deutsche Archivtag mit dem Archiv in der Öffentlichkeit auseinander. Letzten Endes geht es dabei um die Frage, welche Funktion die Archive heute in der Öffentlichkeit erfüllen sollen und wollen. In Verbindung damit soll aber auch darüber nachgedacht werden, wie die Archive in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und wie sie die Öffentlichkeit besser erreichen können. „Die Archive mit ihrer wichtigen Gedächtnisfunktion für die Gesellschaft müssen sich künftig aktiver positionieren“, so der Verbandsvorsitzende Robert Kretzschmar, „dafür müssen wir Strategien entwickeln.“

Eröffnungsvortrag und Abschlusspodium
Seinen Eröffnungsvortrag am 26. September wird Prof. Dr. Ulrich Raulff vom Literaturarchiv in Marbach – ausgehend von seiner persönlichen Biografie – unter das Thema stellen: "Archiv und Öffentlichkeit – aus der Perspektive der Wissenschaft, des Feuilletons und eine Literaturarchivs". Den Abschluss bildet eine international besetzte Podiumsdiskussion „Das Archiv in der Öffentlichkeit – Die Öffentlichkeit im Archiv. Erfahrungen und Perspektiven.“

Themenschwerpunkte

  • Neue Herausforderungen an die Archive in ihrem Umfeld
  • Erwartungen der Politik an die Archive
  • Archive und ihre Träger
  • Sicherung und Zugänglichmachung von Unterlagen für die Gesellschaft
  • Das Netz als Öffentlichkeit
  • Traditionelle Öffentlichkeitsarbeit und modernes Marketing
  • Thema Open access: Freier Zugang zu Kulturgut in Archiv, Bibliothek und Museen

Zur Tagung
Der VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare erwartet 600 Teilnehmer aus 20 Ländern. Mit dem Archivtag ist die „Archivistica“ verbunden, die in Europa größte Fachmesse zum Archivwesen. Dort werden 44 Aussteller ihre Produkte und Innovationen präsentieren.

Zum VdA
Der VdA wurde 1946 gegründet. Sein Zweck ist die Förderung und die Vertretung der Interessen des Archivwesens, insbesondere durch wissenschaftliche Forschung, Erfahrungsaustausch und fachliche Weiterbildung. Der VdA veranstaltet jährlich den Deutschen Archivtag und gibt Veröffentlichungen heraus. Seine Vereinsmitteilungen erscheinen in der Zeitschrift »Der Archivar. Mitteilungsblatt für deutsches Archivwesen«. Um die Wahrnehmung der Archive in der Öffentlichkeit zu verbessern, hat der Verband 2001, 2004 und 2006 den „Tag der Archive“ initiiert.

Weitere Informationen und Bildmaterial zum Archivtag (Referenten, Vortragsthemen, Abstracts) unter www.vda.archiv.net bzw. www.archivtag.de oder bei der Geschäftsstelle des VdA:

VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. 
Geschäftsstelle 
Wörthstraße 3 
36037 Fulda 
Tel.: +49 661 / 29 109 72
Fax: +49 661 / 29 109 74 
info@vda.archiv.net

Tagungsbüro beim 76. Deutschen Archivtag (26.- 28. September 2006):
Congress-Center Essen (CC-West), 
Norbertstraße
45131 Essen
Tel. +49 201 / 8039302
Fax. +49 201 / 8039303

Quelle: VdA, Pressemitteilung, 18.9.2006

Widerstände gegen geplanten Handschriftenverkauf Badens

Bereits vor einem Jahrzehnt sorgte das Haus Baden, das bis 1918 die Staatsoberhäupter der Markgrafschaft Baden, des Kurfürstentums Baden sowie die Großherzöge von Baden stellte, für Aufsehen und Erregung, als es aus Finanznot das Inventar im Schloss Baden-Baden verkaufte. Nun hofft Bernhard, der Erbprinz des Hauses Baden, mit dem Verkauf wertvoller Handschriften aus der Sammlung der Markgrafen von Baden, erneut auf hohe Einnahmen. Mit diesen Mitteln, man rechnet beim Verkauf der sich in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe befindlichen Handschriften mit einem Erlös von 70 Millionen Euro, soll unter anderem die Sanierung der Schlossanlage Salem, Familiensitz des Hauses Baden am Bodensee, finanziert werden.

\"Stundenbuch

Abb.: Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden. Paris, um 1490. Badische Landesbibliothek, Cod. Durlach 1, Blatt 95v-96r, Faksimile und Kommentar: Stundenbuch des Markgrafen Christoph I. von Baden, © Badische Landesbibliothek Karlsruhe.

Das Land Baden-Württemberg hat sich mit dem badischen Markgrafenhaus bereits auf den Verkauf der wertvollen Handschriftensammlung, die bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht, auf dem internationalen Kunstmarkt verständigt. Dabei ist der Besitz der Handschriften sowie weiterer Kunstwerke und Kulturgüter zwischen dem Haus Baden und der Landesregierung seit Jahrzehnten umstritten. Hintergrund ist die Frage, ob diese Kulturgüter, deren Gesamtwert sich auf 250 bis 300 Millionen Euro belaufen soll, mit der Auflösung des Großherzogtums Baden 1918/19 an den Staat fielen oder in der Familie verblieben. Eine juristische Auseinandersetzung wurde bislang vermieden. Die jetzt getroffene Vereinbarung über den Verlauf der Handschriften sieht vor, dass das Land Baden-Württemberg der Adelsfamilie gestattet, 70 Millionen Euro aus dem Verkauf der Handschriften aus der Landesbibliothek Karlsruhe zu schlagen. Im Gegenzug verzichtet Haus Baden ein für alle Mal auf alle Ansprüche auf den großen Rest des Kunst- und Kulturbesitzes zugunsten des Landes.

Der Direktor der Landesbibliothek Karlsruhe, Dr. Peter Michael Ehrle, befürchtet mit dem geplanten Verkauf der Handschriften und Kunstwerke \“von europäischem Rang\“ den Verlust \“unersetzlichen Kulturguts\“. Es bedeute für die Landesbibliothek das Ende als Forschungsbibliothek, wenn man dem Adelshaus nun rund 3.500 ihrer rund 4.200 Handschriften überlassen müsse. Dabei wären die Handschriften, so Ehrle gegenüber der Stuttgarter Zeitung, \“um ein Haar ins Weltkulturerbe aufgenommen worden\“. Nach den Berechnungen der Landesbibliothek müsste die gesamte alte Sammlung verkauft werden, um auf den gewünschten Erlös von 70 Millionen Euro zu kommen. Die Einigung zwischen der Landesregierung und dem badischen Adelshaus, wertvolle Kunstgegenstände dem Markgrafen zu überlassen, ist nicht nur bei der Badischen Landesbibliothek und bei der Badischen Bibliotheksgesellschaft, sondern bisher auch bei der SPD und bei Verbänden auf deutliche Kritik gestoßen…

Link: Presseberichte zum Ausverkauf badischer Handschriften

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Quelle: Reiner Ruf, Stuttgarter Zeitung, 21.9.2006; Heilbronner Stimme, 22.9.2006; FAZ, 21.9.2006, 38, und 22.9.2006, 33.