Seit zwei Jahren archiviert Anne Kathrin Pfeuffer im Kommunalarchiv Minden den Nachlass von Max Bruns, der bis dato eher ein ungeordnetes Dasein fristete. Der derzeitige Firmeninhaber des Hauses J. C. C. Bruns, Rainer Thomas, hatte sich 1996 entschlossen, den Nachlass als Depositum an das Kommunalarchiv der Stadt Minden zu übergeben, damit jeder Interessent öffentlich Zugang zu den alten Schätzen hat. Bei der Suche helfen eine elektronische Datenbank, in der genau aufgelistet wird, wo sich welche Fotos und Dokumente im Archiv befinden.
Der Nachlass besteht zu einem großen Teil aus Firmenunterlagen des Druck- und Verlagshauses J. C. C. Bruns. Das Unternehmen wurde 1834 von Johann Christian Conrad Bruns in Minden gegründet und begann mit dem Druck von Postformularen. Seit 1856 gibt Bruns die Tageszeitung in Minden heraus. Im Jahr 1881 wurde der Druckerei eine Verlagsabteilung angeschlossen. Neben deutschen Autoren wie Alfred Mombert und Johannes Schlaf erschienen die ersten deutschen Gesamtausgaben der Werke von Charles Baudelaire, Gustave Flaubert und Edgar Allan Poe.
Neben den Firmenunterlagen enthält der Nachlass außerdem persönliche Dinge des Dichters Max Bruns (Enkel des Verlagsgründers Johann Christian Conrad Bruns) und seiner Ehefrau, die Lyrikerin und Märchenerzählerin Margarete Sieckmann.
Die Archivarin Anne Kathrin Pfeuffer landete während eines Praktikums in ihrer Heimatstadt Buxtehude im Archiv. Nach dem Studium in Passau absolvierte sie eine Ausbildung zur Dipl.-Archivarin in Stuttgart und Marburg, wo sie sich unter anderem auch mit der Schriftkunde vom Mittelalter bis zur Neuzeit vertraut machte. Ihre guten Kenntnisse in alten Schriften waren schließlich auch eine wichtige Voraussetzung für ihre derzeitige Arbeit im Kommunalarchiv, da der Nachlass Bruns zu einem großen Teil aus handschriftlichen Schriftstücken besteht.
Allzu viel lesen darf beziehungsweise sollte ein Archivar jedoch nicht. „Meine Aufgabe ist es, die Schriftstücke systematisch zu ordnen und zu beschreiben, dabei darf ich mich jedoch nicht in Details verstricken“, so die Archivarin. Ihre Arbeit wird noch etwa ein Jahr dauern, danach ist der Nachlass Bruns dann erschlossen und kann mit Hilfe eines Findbuches bewertet werden. Leider wüssten jedoch die wenigsten Mindener, dass sie so etwas Wertvolles, wie das Kommunalarchiv haben, bedauert Anne Kathrin Pfeuffer.
Kontakt:
Kommunalarchiv Minden
Tonhallenstr.7
D-32423 Minden
Telefon: 0571/97220-0
Telefax: 0571/97220-11
kommunalarchiv@minden.de
Quelle: mt-online.de (Mindener Tageblatt), 29.9.2003.
Protokolle der Metallwerke Unterweser AG entdeckt
Der Zufall fördert zuweilen längst verloren geglaubte Dinge ans Tageslicht. Dazu zählten bis vor wenigen Monaten die Protokollbücher der Aufsichtsratssitzungen der im Jahre 1906 gegründeten Metallwerke Unterweser AG. Bei der Renovierung des aus der Gründerzeit stammenden Verwaltungsgebäudes waren die Protokolle in einem eisernen Geldschrank wieder aufgetaucht. Was die Aufsichtsräte bei ihrer ersten Versammlung am 26. September 1906 beschlossen, ist jetzt im Archiv des Rüstringer Heimatbundes nachzulesen.
Dr. Rainer Menge, Geschäftsführer des Schweizer Unternehmens „Xstrata“ in Friedrich-August-Hütte, zu dem die ehemaligen Metallwerke seit Dezember 2002 gehören, überreichte zwei Protokollbücher an den Archivar des Rüstringer Heimatbundes, Wolfgang Engelhardt. Das sei Stadtgeschichte pur, schwärmte Engelhardt bei der Durchsicht der zunächst in tadelloser Deutscher Schrift geführten Protokolle. Die beiden Kladden umfassen die Jahre 1906-1917 und 1917-1953. Insgesamt sind 113 Sitzungen des Aufsichtsrates darin festgehalten.
Gleich auf den ersten Seiten befindet sich der Vertrag mit der Großherzoglichen Regierung in Oldenburg und den Metallwerken Unterweser AG über den Verkauf von Ländereien und die Errichtung von industriellen Anlagen. Neben den Notizen über Ankäufe von Bauland sowie den Berichten über das jeweilige Geschäftsjahr werde auch die soziale Verantwortung des Unternehmens deutlich, so Engelhardt weiter. Für die tausend Arbeiter bauten die Manager der „Hütte am Meer“ Wohnungen in Phiesewarden, später in Friedrich-August-Hütte.
Die Zinkherstellung in Deutschland begann um 1800 in Oberschlesien. Die Gründer der Hütte – Geschäftsführer Dr. Wiegand vom Norddeutschen Lloyd und Dr. Sondheimer, Geschäftsführer eines Frankfurter Bankhauses –, hofften, dass sich die Zinkproduktion auch in Nordenham zu einem lukrativen Geschäft entwickeln würde. Lag die jährliche Produktion zunächst bei 10.000 Tonnen, wurde sie auf 40.000 Tonnen gesteigert. Zum Vergleich: „Zurzeit werden jährlich 140.000 Tonnen produziert“, betonte Menge.
Die wechselvolle Geschichte der Metallwerke Unterweser ist in den Büchern dokumentiert: die miserable Wirtschaftslage in der Weimarer Republik ebenso wie der Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg. Erst durch den Koreakrieg (1950-1953) zog die Produktion in Nordenham wieder kräftig an.
Kontakt:
Rüstringer Heimatbund e.V.
Hessenstraße 7
26954 Nordenham
Quelle: Nordwest-Zeitung, 26.9.2003
Neues Gebäude für das Brandenburg. LHA
Das „Gedächtnis Brandenburgs“ hat neuen Raum: Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) hat am 26.9. gemeinsam mit dem Direktor des Brandenburgischen Landeshauptarchivs die neuen Magazingebäudes des Archivs in Bornim in Betrieb genommen. „Jahrzehnte lagerte das historische Schriftgut des Landes in der östlichen Pflanzenhalle der Orangerie von Sanssouci“, sagte Wanka. Die dortigen Gebäude hätten jedoch nicht den Erfordernissen von Brand- und Arbeitsschutz genügt. Das Land komme nun dem Ziel einen Schritt näher, Bornim zum künftigen Hauptsitz des Landeshauptarchivs auszubauen.
Insgesamt werden dort etwa 40.000 Meter laufende Meter Akten, 10.000 Urkunden, 100.000 Karten sowie 100 Nachlässe verwahrt. Insgesamt sind in Bornim bisher fünf Millionen Euro verbaut worden. Das neue klimatisierte Magazin mit seinen Platz sparenden Rollregalen fasst etwa ein Drittel der bisher in der Orangerie provisorisch untergebrachten Akten und Amtsbücher.
Planungen für einen zweiten größeren Baukomplex für weitere Magazine, einen Öffentlichkeitsbereich und Arbeitsräume haben begonnen, das Bebauungsplanverfahren ist eingeleitet. Insgesamt werden in den Standort bis zur endgültigen Fertigstellung rund 20 Millionen Euro investiert.
Quelle: Morgenpost, 27.9.2003
Vergangenheit des Körner Hellwegs
Jeder der fünf Vorortbereiche, die sich im Dortmunder Nordosten entlang der Hellwegschiene ziehen – Körne, Wambel, Brackel, Asseln und Wickede, bis zur Stadtgrenze Unna – hat sein Eigenleben. Obwohl die Straße selbst ihren Zusammenhang durch die gemeinsame Historie vorweist. Der Hellweg ist etwas Besonderes.
Das wussten schon lange vor den Ortsgründungen entlang des Weges unsere sächsischen Ahnen. Später die Römer, die die Verbindung als Heerstraße nutzen. Im Mittelalter führte der Hellweg von Duisburg bis Höxter. Seine Nachfolger – die preußische Chaussee aus dem frühen 19. Jahrhundert (die heutige B 1) und die in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts fertiggestellte Autobahn 44 „folgen prinzipiell der alten Wegführung, wenn sie heute auch unter Umgehung der Innenstädte etwas südlicher verlaufen“, so Reinhild Stephan-Maaser vom Hellweg-Museum Unna.
Schon Kaiser Karl nutzte alten Weg
Dortmunds große Stadthistorikerin Luise von Winterfeld beschreibt in ihrer „Geschichte der Freien- und Hansestadt Dortmund“ in der Auflage von 1956, dass der Name Hellweg, „an dem viele uralte Friedhöfe lagen, mythologisch als Weg galt, der zur Totengöttin Hel“ führte.
Sehr viel nüchterner sei nach von Winterfeld eine Deutung von Karl Rübel aus dem 19. Jahrhundert. Er setzte den Namen mit Kaiser Karl dem Großen in Verbindung (um 800), der zum Schutze des Reichsgutes seine Gefolgsleute an der großen Heerstraße, dem Hellweg, ansiedelte.
Dr. Norbert Reimann beschreibt in der 1994 verlegten „Geschichte der Stadt Dortmund“, dass der Hellweg „als älteste und wichtigste Verkehrsverbindung zwischen Rhein und Weser“ gilt.
Und Reimann weiter: „Der ,Hellweg´ bedeutet ,lichter, breiter Weg´ und bezeichnete wichtige Königs- und Heerstraßen, deren Breite der Länge eines Speeres entsprach. Er war keineswegs nur auf den rheinisch-westfälischen Hellweg beschränkt“.
Körne genießt neben allen übrigen Vororten Dortmunds eine Sonderstellung: Er war der erste Bereich, der nach Dortmund eingemeindet wurde.
Hintergrund des Eingemeindungsbeginns war natürlich der industrielle Fortschritt in den Ruhrgebietsstädten. Fast hätte die neue Stadt Gelsenkirchen die alte Stadt Dortmund überrundet, zumindest, was die Einwohnerzahlen anging.
Denn das blutjunge Gelsenkirchen war von 1900 bis 1905 von 37 000 auf 147 000 Seelen angewachsen. Doch die alte Reichs- und Hansestadt Dortmund reagierte schneller.
Dr. Günther Högl beschreibt diesen „Wettlauf“ in dem vom Stadtarchiv herausgegebenen Band „Geschichte der Stadt Dortmund“ so: „1901 begannen die Eingemeindungsverhandlungen mit der Gemeinde Körne im Kreishaus des Landkreises Dortmund, die am 22. März 1904 mit der Genehmigung des Vertrages abgeschlossen wurden.“ Und mit dem Gesetz vom 1. April 1905 wurde dann Körne als erster Gebietsteil aus dem Landkreis Dortmund in den Stadtkreis Dortmund aufgenommen.
Der Körner Hellweg, zwischen zwei Brücken gelegen, die einerseits die Stadtmitte und andererseits den Vorortsbereich Wambel abschließen, markiert als Hauptverkehrsader eben auch Körne.
An diesem Hellwegbereich haben sich viele Geschäfte angesiedelt, die dem Kunden alles bieten, von Lebensmitteln über Modefachgeschäfte, Apotheken bis Zoohandlung, Reinigungen und vieles mehr. Der Körner Bewohner braucht eigentlich nur zum Hellweg zu gehen und wird fündig. Das betrifft auch den Gastronomiebereich. Die Kneipe an der Ecke, deutsche und ausländische Angebote in den vielen Gaststätten, jeder Geschmack wird „vor Ort bedient“. Und dass die Körner auch zu feiern verstehen, zeigt ihr dreitägiges Fest „Körner Treff“, vom Gewerbeverein ins Leben gerufen, das just jetzt noch bis einschließlich Sonntag rund um das Ärztehaus mit viel Unterhaltung läuft.
1,2 Kilometer lang ist übrigens der Körner Hellweg-Beritt von Brücke zu Brücke. Insgesamt bringt es der östliche Hellweg-Bereich bis Unna auf zehn Kilometer Länge.
Immer mit der Stadt verknüpft
Dass Körne und sein Hellweg politisch zur Bezirksvertretung Innenstadt-Ost und nicht zu der von Brackel gehört, ist wiederum mit der geschichtlichen Entwicklung zu erklären. Das alte Körne, urkundlich im 10. Jahrhundert erstmals erwähnt, hat sich immer mehr zu Dortmund als zu den benachbarten Gemeinden hingezogen gefühlt.
1906, also nach Körnes Eingemeidung, aber vor der Eingemeindung weiterer Ortschaften am Hellweg, eröffnete die Straßenbahngesellschaft des Landkreises eine Strecke auf dem Hellweg, die eben von Körne über Asseln und Wickede nach Unna führte. Nachdem die Straßenbahngesellschaft von der Stadt übernommen worden war, führte die damalige Linie 11 vom Dortmunder Hauptbahnhof bis Unna. Das letzte Stück wurde erst 1965 still gelegt.
Quelle: WAZ Dortmund, 12.9.2003
Schongau: Kreisarchivar setzt sich ein
Kreisarchivpfleger Max Biller malt ein düsteres Bild: Wenn Schongau seinen Archivar entließe, würde sich die „traditionsreiche Stadt dem Gespött und der Lächerlichkeit preisgeben“, und zwar bundesweit, sagte der Pollinger Heimatforscher gestern bei einem Pressegespräch im Schongauer Rathaus. Hintergrund für Billers Befürchtung ist die Forderung der CSU-Stadträte, dem Museumsleiter und Archivar Richard Ide wegen der städtischen Finanzkrise zu kündigen.
Für Biller war es „nicht erfreulich“, von derartigen Plänen zu hören. Dabei mische er sich nicht aus „Gschaftlhuberei“ ein, sondern weil es ihm ein „echtes Anliegen“ sei. Je geschichtsträchtiger eine Stadt sei, desto wichtiger sei es, dass eine Fachkraft das Archiv betreut, betonte der Kreisarchivpfleger, der dieses Amt seit nunmehr 27 Jahren bekleidet. Wichtig sei auch, dass sich ein und dieselbe Person „lange und möglichst kontinuierlich“ um ein Archiv kümmert. Weiter machte Biller deutlich, dass es sich beim Archiv um eine Pflichtaufgabe der Kommune handle.
„Wir können das Kind nicht mit dem Bade ausschütten“, bekräftigte Bürgermeister Friedrich Zeller (SPD). Ganze Zivilisationen würden auf Archiven aufgebaut. Das „Gedächtnis der Stadt“ könne man nicht einfach stornieren und beiseite schieben. „So weit können wir es nicht kommen lassen. Die Schmerzgrenze ist erreicht.“ Der Rathauschef verwies darauf, dass in der Kreisstadt Weilheim zwei Kräfte das Museum und das Archiv betreuen, während in Schongau diese beiden Bereiche in der Hand von einer Person liegen. „Es ist eine Tatsache, dass wir das Archiv brauchen“, fügte er hinzu.
Richard Ide sieht die digitale Archivierung als Problem der Zukunft. Hier sei nicht klar, „ob das einer nebenher leisten kann“. Neben dem Archiv ist auch ungewiss, in welchem Rahmen das Stadtmuseum weitergeführt wird. Zwei Vereine, die ursprünglich nach der Sommerpause die Leitung hätten übernehmen sollen, haben bereits abgesagt.
Kontakt:
Stadtmuseum Schongau
Christophstraße 55
86956 Schongau
Tel. 08861-20602
Museum-Archiv@Schongau.de
Quelle: Weilheimer Süddeutsche Zeitung, 12.9.2003.
Schätze der Modezeichnerin Regina May im Stadtarchiv
Fein säuberlich gestapelt, wartet auf einem Tisch im Stadtarchiv Wiesbaden eine kleine Auswahl von Illustrationen, Zeichnungen und Gegenständen aus dem Nachlass von Regina May (1923-1996). Nur ein Teil jener etwa 130 Ausstellungsstücke, die vor genau einem Jahr unter dem Titel „Illustration und Mode. Spiegel der Zeit“ im Museum Wiesbaden zu sehen waren und zuvor auch in der Frankfurter Stadtbücherei und in der Berliner Kunstbibliothek.
Ehemann und Nachlasshüter Achim Koch hat diese Arbeiten seiner Frau als Dauerleihgabe dem Stadtmuseum überlassen. In Wiesbaden lebte Regina May seit ihrer Jugend. Hier soll auch die Sammlung bleiben. Das geplante Stadtmuseum bewahrt sie vorerst in den Räumen des Stadtarchivs auf.
Regina May selbst wäre nie auf die Idee gekommen, ihre Arbeiten auszustellen, bemerkte Achim Koch. „Aber es wäre schade, wenn das Oeuvre meiner Frau bei mir im Keller verstauben würde.“ Schubläden und Schränke seien voll mit noch nicht geordneten Sachen.
Der Name Regina May mag zunächst nur wenigen etwas sagen. Obwohl eines ihrer frühen Werke – ohne Übertreibung – Millionen Bundesbürgern bekannt sein dürfte: der Titelkopf der FAZ. Im Jahre 1949 als frisch gebackene Gebrauchsgrafikerin und Absolventin der Städelschule, „pinselte“ sie in zehn Tagen, wie damals der „Spiegel“ berichtete, den schwierigen Zeitungskopf „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Erst nach mehreren Anläufen fanden die Herausgeber was sie wollten. Der schließlich genehmigte Zweizeiler aus Fraktur und Antiqua blieb seither unverändert. Gerahmt und unter Glas liegen Ur- und Endfassung auf einem Tisch im Stadtarchiv. Daneben Zeichnungen aus den späten 40er Jahren: Illustrationen für Wiesbadener Verlage und die Mainzer „Allgemeine Zeitung“.
In der Mainzer Verlagsanstalt hatte Regina May ihre Druckerlehre absolviert und später als Schriftenzeichnerin gearbeitet. Bekannt geworden aber ist sie durch einen unverwechselbar eigenen Strich in Sachen Mode. Mit dem brachte sie zwischen 1950 und 1975 Schwung auf die FAZ-Seite „Für die Frau“ und ins „Constanze-Modeheft“ ebenso. Die Modezeichnungen der 50er Jahre hätten sie wahnsinnig geärgert, weil sie so altmodisch gewesen seien, meinte sie. Dabei herrschte in der Modewelt gerade Christian Diors aufregender New Look mit den schwingenden Ballerinaröcken, den Riesenhüten und armlangen Handschuhen.
Als FAZ-Korrespondentin getarnt, zeichnete Regina May zunächst nur heimlich auf den großen Galas der Couture in Paris, Florenz oder Mailand. Aus Furcht vor Nachahmern war das „Mitzeichnen“ untersagt. Neben ihren schnellen und trotzdem präzisen Skizzen liest man die berühmten Namen Patóu, Dior, Balmain, Givenchy, Cardin und St. Laurent.
Nicht eine Modezeichnerin wie alle anderen wollte sie sein, sondern eine „Modeinterpretin“. Ihre Linien sind klar und erfassen bis hin zur Überzeichnung durch Reduktion immer das auf den Punkt gebrachte Wesentliche. Karikaturen nannte sie ihre Figuren gern. Und hat recht damit, wenn sie die Begabung meinte, genau zu beobachten und ein typisches Merkmal treffsicher zu betonen. Hellwach erkannte sie, was hinter den Kleidern steckt: ein sich wandelnder Zeitgeschmack und ein sich mit ihm wandelndes Frauenbild. „Sie müssen vor allem anderen lernen zu sehen“, hieß ihr „Lehrsatz“ an der Fachhochschule Wiesbaden, wo sie zehn Jahre lang als Dozentin arbeitete.
Ein bewundernswert sicheres Gespür für Entwicklungen und neue Trends habe sie gehabt, so Achim Koch. Bis zu ihrem Tod war sie deshalb bei namhaften Textil- und Accessoires-Firmen als Modeberaterin höchst willkommen. Aus der Beraterzeit stammt ein „Objekt“, das etwas unscheinbar den Stapel mit Zeichnungen krönt. Klein und viereckig glänzt es in schwarzem Lackleder, trägt lange schmale Henkel und einen silbernen Sichelverschluss: Eine Mustertasche für die Collection Nouvelle Couture von Gold-Pfeil. An das Unternehmen hatte Regina May vor Jahren auch ihre einstige Volontärin Jil Sander vermittelt. Die Mode sei ein gefährliches Pflaster für seine Frau gewesen, meinte Achim Koch lächelnd. „Sie hat viel Geld dafür ausgegeben.“ Manchmal sogar ein Paar Schuhe doppelt gekauft, damit im Notfall Ersatz vorhanden war.
Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 13.09.2003
Schriften Wilhelm Heinrich Riehls
Am 25. Februar 1912 schreibt Elisabeth Riehl, Tochter des 1897 in München gestorbenen Kulturhistorikers, Soziologen und Schriftstellers Wilhelm Heinrich Riehl, an den Wiesbadener Bibliotheksdirektor Dr. Erich Liesegang: „Anbei übersende ich Ihnen die erwähnten Manuskripte meines Vaters und spreche Ihnen zugleich meine Freude darüber aus, dass dieselben in der Nassauischen Landesbibliothek aufgehoben werden können. Mein Vater hing mit so großer Liebe an seiner Heimat, dass diese Verfügung gewiss in seinem Sinn ist.“
Die zitierte väterliche Heimat waren das Herzogtum Nassau und die Stadt Biebrich am Rhein, wo Riehl 1823 als Sohn des herzoglichen Schlossverwalters Friedrich Wilhelm Riehl (1789-1839) zur Welt kam und seine Kindheit verbrachte. In einer Zeit, als die Rheingasse (heute Rheingaustraße) noch „eine enge doppelzeilige Dorfstraße war, deren Häuser dem Strom den Rücken zukehrten“. Mit dieser Erinnerung beginnt Riehls Novelle „Seines Vaters Sohn“.
Im benachbarten Wiesbaden besuchte Riehl nicht nur die Lateinschule. Anfang April des Revolutionsjahres 1848 übernahm er hier für zwei Jahre die Leitung von August Schellenbergs frisch gegründeter „Nassauischen Allgemeinen Zeitung“. Ab 1854 lebte Riehl in München, wurde Professor für Staatswissenschaft sowie Kulturgeschichte und Statistik, 1883 geadelt und 1885 Direktor des Bayerischen Nationalmuseums. Außer der (heutigen) Hessischen Landesbibliothek Wiesbaden besitzen auch das Deutsche Literaturarchiv in Marbach sowie die Universitätsbibliothek und das Stadtarchiv in München jeweils Teile des Nachlasses.
Brita Zimmermann, seit 30 Jahren Bibliothekarin in der Landesbibliothek und ein guter Geist des Lesesaals, öffnet den Tresor und entnimmt ihm den Kasten mit Riehl-Handschriften. Er enthält Manuskripte von Novellen, die in den Sammlungen „Geschichten aus alter Zeit“ (1863/64), „Am Feierabend“ (1880) und „Lebensrätsel“ (1888) erschienen sind. Außerdem literarische Porträts für die „Kulturgeschichtlichen Charakterköpfe aus der Erinnerung gezeichnet“ (1891), Vorworte und Vorträge. Letztere hat Riehl teilweise zu Essays überarbeitet und als „Freie Vorträge“ in zwei Bänden (1873/85) publiziert. Vortragstitel wie „Die Leiden der kleinen Minister“ oder „Der Dilettant auf dem Landtage“ verraten den geübten politischen Journalisten.
Dem „Geist der Öffentlichkeit“ und einem bereits damals verbreiteten allgemeinen Bildungsbedürfnis entsprechend, unternahm Riehl ab den 70er Jahren regelmäßig Vortragsreisen. Die Vorträge widmeten sich der Politik, Kunst und Kulturgeschichte. Als gelegentliche Flucht des Münchner Professors „aus der gemütlichen Häuslichkeit seines akademischen Hörsaals“ und wohl auch als faszinierend weitreichende Wirkungsmöglichkeit genoss Riehl seine Vortragstätigkeit durchaus. Er habe in vierzehn Jahren „112 verschiedene Themen in 462 Wandervorträgen behandelt und in 103 deutschen Städten vor mehr als 180.000 Zuhörern gesprochen“, resümierte er 1884 nicht ohne Stolz im Manuskript zum Vorwort des zweiten Bandes „Freie Vorträge“.
Der Wiesbadener Bestand enthält ebenso einen offenbar unvollständigen oder abgebrochenen, mit „Rheinlandschaft“ überschriebenen Text, „gesprochen im Verein für wissenschaftliche Vorträge zu Crefeld am 24. Oktober 1871“. Elisabeth Riehl bemerkt im Brief an Erich Liesegang, dass ihr Vater „seine Entwürfe meistens selbst vernichtete“ und leider nicht mehr viel „von seiner eigenen Hand“ existiere. „Was noch vorhanden war, ist in keiner Weise geordnet u. es ist mühsam etwas Zusammenhängendes herauszufinden.“
In der Sammlung „Kulturgeschichtliche Charakterköpfe“ erschien Riehls „Idylle eines Gymnasiasten“. Die in seiner Handschrift vorliegende Geschichte erinnert an die Nassauer Jugendzeit, die er in Weilburg/Lahn verlebte: „An der Spitze des Weilburger Gymnasiums stand 'zu meiner Zeit• der Oberschulrat und Direktor Friedrich Traugott Friedemann, eine höchst merkwürdige Erscheinung.“ Der Charakterkopf Friedemann (1793-1853) war später Archivdirektor in Idstein. Die Hessische Landesbibliothek bewahrt auch von ihm Manuskripte auf, sozusagen in idyllischer Nachbarschaft des einstigen Schülers.
Riehls volkskundlich-soziologische Untersuchungen und Theorien, die er in seiner „Naturgeschichte des Volkes als Grundlage einer deutschen Social-Politik“ (1851-1869) veröffentlichte, waren schon zu seinen Lebzeiten umstritten und blieben es bis heute.
Quelle: Wiesbadener Tagblatt, 12.09.2003
Fundgrube Ernestinum-Archiv
Celles älteste Schule, das Ernestinum, feiert in diesem Jahr ihren 675. Geburtstag. Pünktlich zum Schuljubiläum ist ein Buch erschienen mit dem Titel „Der deutsche Abituraufsatz am Gymnasium Ernestinum Celle als Spiegel nationaler Geschichte 1830–1970”.
Der Celler Historiker Mijndert Bertram, der die Einführung zu diesem Buch geschrieben hat, hält die Veröffentlichung für eine in Deutschland bislang einzigartige Pionierarbeit, die auf überregionale Aufmerksamkeit stoßen werde. Ihre Besonderheit liege in der Vollständigkeit und im Längsschnitt, der einen Zeitraum von 140 Jahren umfasst.
Über die Jahre hinweg sind im Archiv des Ernestinums http://www.ernestinum-celle.de/ alle Abiturarbeiten aufbewahrt worden, die seit dem ersten staatlich abgenommenen Abitur im Jahr 1830 am ältesten Gymnasium der Stadt geschrieben worden sind. In dieser Schatzkammer im Keller des jetzigen Schulgebäudes machten sich der Archivar Gunter Thies und die Geschichtslehrerin Elke Haas auf die Suche nach allen vorhandenen Abiturthemen für den Deutschen Aufsatz bis zum Jahr 1970. Die Schüler eines Geschichts-Leistungskurses und die Referendarin Jessica Schirmer arbeiteten mit, indem sie jede Menge Abituraufsätze studierten, ältere Arbeiten, die noch in deutscher Schrift geschrieben worden sind, transkribierten und teilweise auch kommentierten.
Eine Auswahl dieser ausgearbeiteten Aufsätze sind im zweiten Teil des Buches abgedruckt. Sie stammen aus den historisch bedeutenden Abschnitten deutscher Geschichte, und zwar aus den Jahren 1830, 1848, 1872, 1917, 1941, 1943, 1950 und 1970 und geben ein beeindruckendes Zeugnis von den Wertvorstellungen, Erziehungsidealen und Problemen der jeweiligen Zeit und der Nation.
Quelle: Cellesche Zeitung, 9.9.2003
Denkmale der Tonkunst
Das Schaffen des Rudolstädter Komponisten Georg Gebel hat in der jüngeren Vergangenheit sowohl von der Musikwissenschaft wie der Musikpraxis verstärktes Interesse erfahren. Die Wiederentdeckungen der „Johannes-Passion“ sowie des Weihnachts- und Neujahrsoratoriums seien stellvertretend genannt. Erstere ist in einer inzwischen viel beachteten Einspielung auf CD erschienen, auch die beiden Oratorien werden in Kürze auf dem Tonträgermarkt erhältlich sein.
Das Thüringische Staatsarchiv Rudolstadt, das sämtliche kirchenmusikalische Kompositionen Gebels verwahrt – u.a. 144 Kantaten – und vor kurzem ein deatilliertes Verzeichnis derselben publiziert hat (Frankfurt: Peter-Lang-Verlag 2003), möchte aus Anlass des 250. Todestages auf diesen Komponisten und seine Denkmale der Tonkunst aufmerksam machen.
Der Musikwissenschaftler Dr. Axel Schröter, der im Rahmen eines Erschließungsprojektes des Musikalienbestandes der Hofkapelle Rudolstadt auch die Verzeichnung der Gebelschen Kompositionen vorgenommen hat, wird am „Tag des offenen Denkmals“ einen Vortrag mit praktischen Demonstrationen halten, der über Leben und Schaffen Gebels hinaus auch die technische Erschließung seiner Werke thematisieren wird. Die Werke Gebels bilden den umfangreichsten Autographenbestand, der sich unter den etwa 110 Regalmetern Musikalien des Staatsarchivs Rudolstadt befindet. Sie gehören zugleich auch zu den ältesten dort erhaltenen musikalischen Quellen. Denn dem Schlossbrand von 1735 fiel nahezu die gesamte bis dahin angelegte Musikaliensammlung, über die heute nur noch Inventarisierungslisten Aufschluss geben, den Flammen zum Opfer.
Zu einem Vortrag zum Thema „Denkmale der Tonkunst: Die Kantaten des Rudolstädter Komponisten Georg Gebel (1709-1753)“ mit Musikbeispielen von Dr. Axel Schröter (Weimar/Rudolstadt) wird am Sonntag, 14. September, um 17 Uhr, Porzellangalerie Schloss Heidecksburg eingeladen.
Quelle: OTZ Rudolstadt, 11.9.2003
HH: Besser Rasenmäher als Kahlschlag
Wegen des Besucherandrangs musste vom nüchternen Sitzungszimmer in den repräsentativen Kaisersaal des Rathauses umgezogen werden: Dabei stand im Kulturausschuss der Bürgerschaft das eher nüchterne Thema Haushalt auf dem Programm. Doch ein Punkt des Etatplans 2004 sorgte für regen Besuch: Die von einer drastischen Sparankündigung der Kulturbehörde in ihrer Existenz bedrohten Geschichtswerkstätten hatten mobil gemacht.
Zur Erinnerung: Der Haushalt der Kulturbehörde wird im kommenden Jahr steigen, doch es gibt einen großen Verlierer: Die Zuwendungen von 539.000 Euro für die 14 Stadtteilarchive sollten komplett gestrichen werden. So hieß es Ende Juni. Erschreckt über lautstarke Proteste milderte die Behörde dies ab und kündigte im Juli 133.000 Euro für 2004 an, um zumindest Miet- und Betriebskosten der Stadtteilarchive zu sichern. Fehlen werden die Mittel für hauptamtliches Personal – was von den Betreibern als unabdingbare Voraussetzung dafür angesehen wird, das rege ehrenamtliche Engagement in diesem Bereich zu erhalten.
„Die Archive leisten Arbeit, auf die die Stadt nicht verzichten kann“, sagte Holger Christier (SPD). Darin waren sich alle fünf Fraktionen im Kulturausschuss einig. Damit endete die Gemeinsamkeit auch schon. Die Vertreter der Koalition wollen am Sparplan der Behörde festhalten, während Ausschussvorsitzender Willfried Maier (GAL) fordert, dass nach dem Rasenmäherprinzip gekürzt werden sollte: Die vergleichsweise geringe Einsparung von gut 300 000 Euro könnte besser von mehreren Institutionen geleistet werden, als eine einzige in ihrem Bestand zu gefährden. Dem wollte sich Karl-Heinz Ehlers (CDU) nicht anschließen: Er forderte konkrete Sparvorschläge von Maier und den Mut, dann „das Quieken der Betroffenen“ auszuhalten.
Kultursenatorin Dana Horáková, die gestern mit großem Spezialisten-Gefolge zum Ausschuss gekommen war, setzt auf Gespräche. Ihre Hoffnung: Synergien, Kooperationen, Sponsoren, noch mehr Ehrenamt. Die Opposition bezweifelte ihren guten Willen: Der zunächst geplante totale Kahlschlag sei offensichtlich eine politische Entscheidung gewesen. Nach der heftigen öffentlichen Kritik habe die Senatorin ein bisschen zurückgerudert. Dabei sollte sie jetzt nicht Halt machen. Maier hofft noch auf eine gemeinsame Empfehlung des Ausschusses. Die Schlussabstimmung der Bürgerschaft über den Haushalt 2004 findet am 17. Dezember statt.
Quelle: Hamburger Abendblatt, 12.9.2003
