Mitteilungen aus dem Bundesarchiv 1/2003

Das neueste Heft der „Mitteilungen aus dem Bundesarchiv“ (1/2003) hat neben den gewohnten Mitteilungen aus den Abteilungen zwei Themenschwerpunkte:
– die Frage der Digitalisierung von Editionen;
– Beiträge zur archivischen Sicherung militärgeschichtlicher Unterlagen.

Inhalt:

Zu diesem Heft (3)

Perspektiven
Wir können nur tun, indem wir das meiste lassen
Hartmut Weber (4)

Beiträge

Dekonstruktion und Rekonstruktion der Quellenedition
Stuart Jenks (5)

Konversion historischer Texte in digitale Medien
Markus Brantl (13)

Das Sozialprofil von Kampfverbänden des Heeres 1939 bis 1945
Christoph Rass (18)

Zwangsarbeit im Ghetto Lodz. Die Wehrmacht als Auftraggeber
Peter Klein (23)

Benutzeranalyse im Bundesarchiv, Teil 1: Auswertung der Benutzungsdatei

Sebastian Barteleit, Anette Meiburg und Thomas Menzel (29)

Von der Kunst, den „Aktenurwald“ zu roden. Diskussionsansätze archivischer Bewertungsverfahren
Sabine Dumschat (34)

Beiträge aus den Abteilungen

Abteilung G
Abschluss der Duplizierung von Mikrofilmen zu Beständen des ehemaligen Berlin Document Center (BDC)
Johannes Ganser (41)

Abteilung B
Projektbericht über die Stage im Bundesarchiv: Bewertung und Erschließung des Bestandes B 297 – Bundessteuerberaterkammer und Funktionsvorgänger
Johannes Burkhardt, Helge Kleifeld (42)

Abteilung R
Der Bestand R 179 Kanzlei des Führers, Hauptamt IIb („Euthanasie“-Patientenakten)
Carmen Lorenz (44)

Abteilung MA
Das Militärarchiv der DDR 1989/90 und sein Übergang in das Bundesarchiv
Albrecht Kästner (48)

Das Kriegstagebuch des Chefs des Generalstabes des Heeres, Generaloberst Franz Halder
Stephanie Jozwiak (51)

Projektgruppe „Aufarbeitung der Bestände des ehemaligen NS-Archivs des MfS“
Entnazifizierung in Berlin – Kennzeichnung von Personalausweisen mit einem „Trockenstempel“
Axel Gründler (53)

Nachrichten

Publikationsfindbücher zu Beständen des Bundesarchivs
Martina Scheid (58)

Ausstellungen und Veranstaltungen der Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte, Rastatt
Wolfgang Michalka (58)

„Unbekannte Archive“: Deutsches Golf Archiv Köln
Achim R. Baumgarten (61)

Info:
Mitteilungen aus dem Bundesarchiv. Koblenz: Bundesarchiv. ISBN ISSN
0945-5531; ISSN 0945-5531

Das Heft kann kostenlos bezogen werden vom Bundesarchiv 56064 Koblenz,
Fax 0261/505-226 oder durch e.spahl@barch.bund.de.

Homepage www.bundesarchiv.de

12 Mio. historische Wertpapiere unterm Hammer

„Die Leute werden Abertausende von alten Wertpapieren kaufen und sie in der Hoffnung behalten, dass sie in ihren Händen zu Gold werden“, orakelte Wallstreet-Broker Ronald M. Smythe bereits im Jahre 1929. Auch wenn Smythe Recht behielt, werden historische Wertpapiere erst ab den 1970er Jahren systematisch gesammelt. Die Motive, die hinter der Sammelleidenschaft stehen, sind oft ganz verschieden. Für die einen verkörpern Nonvaleurs, wie die antiken Stücke in Fachkreisen genannt werden, schlicht eine Wertanlage. Andere schätzen sie als attraktive Wanddekoration oder kaufen sie, um sie später zu verschenken.

Ganz unterschiedliche Interessen trafen somit aufeinander, als am 28. Juni in Berlin die wohl größte Wertpapierauktion aller Zeiten über die Bühne geht. Zwölf Millionen Papiere aus der Zeit vor 1945 kamen unter den Hammer. Die Stücke stammen sämtlich aus den Tresoren der ehemaligen Reichsbank. Durch eine Verordnung wurde es den Banken 1939 ermöglicht, ihre Wertpapiere zentral in der Reichsbank in Berlin zu verwahren. Das Institut hatte eine Funktion als Wertpapiersammelbank. Damit befanden sich viele Aktien und Anleihen, die vor dem 8. Mai 1945 begeben wurden, in der Reichsbank. Ende April 1945 gerieten die Banken im Berliner Stadtzentrum unter sowjetische Besatzung. Die Finanzgeschäfte mussten sofort eingestellt werden, alle Safes wurden versiegelt.

In dieser ersten Auktion wurden Aktien und Schuldverschreibungen versteigert, von denen mehr als 1.000 Stück pro Sorte vorhanden sind. Der Andrang war riesig. Mehr als 300 Interessenten haben sich zur Auktion angekündigt. Daher musste der Veranstalter, das Frankfurter Münzhaus Dr. Busso Peus Nachf., kurzfristig einen größeren Raum organisieren. Ursprünglich war nur für 200 Besucher geplant worden.

Die Meinungen darüber, wie der Sammlermarkt diese Mengen Papier aufnimmt, sind geteilt. Ein Szenario ist, dass der Markt zusammenbricht, das heißt von den Massen an Papier erdrückt wird. Echte Raritäten und Massenware würden dann in einen Topf geschmissen. „Diese Gefahr ist nur gegeben, wenn die Käufer der Großposten zu kurzsichtig agieren und den Markt damit überfluten“, schätzt der Düsseldorfer Gutachter Klaus Schiefer. Dem Risiko steht eine ungleich größere Chance gegenüber: „Der Markt wird breiter werden“, so der Berliner Händler Stefan Adam. „Die günstigen Preise werden neue Sammler anlocken.“

Bisher waren zahlreiche Wertpapiere sehr knapp und entsprechend teuer. Das Hobby war daher meist nur etwas für betuchte Sammler. Ähnlich wie Stefan Adam denkt auch Reinhild Tschöpe. Die Düsseldorfer Auktionatorin zieht zum Vergleich die Versteigerung der Penn-Central-Archive in den USA heran. Damals wurden Millionen von amerikanischen Eisenbahn-Wertpapieren auf den Markt gebracht. „Bei betroffenen Eisenbahn-Papieren kam es zwar vorübergehend zu einer Preisdelle, aber mittelfristig hat diese Versteigerung den amerikanischen Markt deutlich belebt.“

Voraussetzung für eine vergleichbare Hausse von historischen Wertpapieren aus Deutschland ist, dass die Stücke im Anschluss an die Auktion breit gestreut werden. Die Chancen dafür stehen gut. Denn neben den Wertpapier-Spezialisten werden zahlreiche Käufer aus den Bereichen Münzen, Briefmarken und Geldscheine erwartet. „Das eröffnet unserem relativ kleinen Sammlermarkt völlig neue Tore“, sagt Stefan Adam. Neue Sammler bedeuten aber auch eine erhöhte Nachfrage nach Papieren.

Das könnte bei Titeln, die nicht im Tresor liegen, zu stabilen bis steigenden Preisen führen. Denn von der Mehrheit der im Sammlermarkt angebotenen Stücke sind weniger als 20 bekannt. Da die meisten Sammler sich auf Zertifikate aus einer speziellen Branche oder Region spezialisieren, gibt es heute in Deutschland für viele Papiere weniger als 20 Interessenten. Die Folge: Das Angebot ist größer als die Nachfrage. Der Preis stagniert. Durch die Versteigerung des Reichsbankschatzes werden nun sukzessive neue Interessenten hinzukommen. Sobald für ein Papier mehr als 20 Interessenten vorhanden sind, fängt der Preis an zu steigen, denn wer möchte schon Lücken in seiner Sammlung haben.

Doch erst einmal steht die Reichsbank-Auktion im Vordergrund. „Das Interesse der Käufer wird sich bei dieser ersten Versteigerung vor allem auf hochdekorative Stücke sowie auf Papiere von Firmen mit großen Namen konzentrieren“, vermutet Michael Weingarten, Vorstand der AG für Historische Wertpapiere. „Leider ist viel Masse und wenig Klasse dabei. Die Masse kann zwar genutzt werden, um neue Sammler zu gewinnen.“ Weingarten warnt jedoch, bei den jetzt zur Versteigerung angebotenen Stücken auf Wertsteigerungen zu spekulieren.

„Bei derart großer Verfügbarkeit geht das meist nicht gut.“ Ähnlich sieht Händlerkollege Stefan Adam die Situation: „Käufer brauchen nicht nur Kapital, sondern viel wichtiger sind Zeit und Know-how. Wer sich aus der Reichsbankware den schnellen Euro verspricht, wird schnell bitter enttäuscht sein.“

Wer allerdings die nötige Fantasie für die angebotenen Großposten mitbringt, kann auch Spaß an den riesigen Mengen haben. Denn die Spanne zwischen den Preisen im Großposten und den bisher im Einzelhandel erzielten ist enorm. Zudem wird unter Sammlern und Händlern spekuliert, ob einige Firmen wie BMW oder DaimlerChrysler eventuell ihre eigenen Papiere kaufen.

Heiß hergehen wird es bei Papieren, die alt und schön sind. So werden die 9350 Stücke der Actien-Brauerei Neustadt-Magdeburg wohl kaum zum Ausrufpreis von 3200 Euro zu haben sein. Bisher waren nur wenige Hundert dieser Prachtstücke bekannt. Der Preis lag entsprechend bei 250 bis 400 Euro.

Quelle: Financial Times Deutschland, 27.6.2003.

Mit ELAN – Archivpädagogen starten europäisches Netzwerk

Die europäische Konferenz zur Archivpädagogik und historischen Bildung an Archiven im Europa-Institut Bocholt (19. bis 21. Juni 2003) ist erfolgreich beendet worden, wie Günther Rohdenburg auf der Homepage der Archivpädagogen (www.archivpaedagogen.de) mitteilt.

Eine Pressemitteilung informiert über das während der Konferenz neu begründete Netzwerk „ELAN“.

„Konferenz startet europäisches Netzwerk
Sechzig Vertreter aus 15 europäischen Staaten haben auf der ersten europäischen Konferenz für historische Bildungsarbeit und Archivpädagogik an Archiven in der Europäischen Staatsbürgerakademie Bocholt vom 19. bis zum 21. Juni über Projekte und Ideen zur internationalen Vernetzung der Archivpädagogik beraten und beschlossen, unter der Adresse www.elan-net.info ein Netzwerk zu schaffen, das den Erfahrungsaustausch zwischen verschiedenen europäischen Ländern verbessern soll. Auf der dreitägigen Konferenz wurde zunächst in Erfahrungsberichten von den Aktivitäten in den Ländern berichtet. Dabei beeindruckten besonders die Berichte des Memorial-Archivs aus Moskau die Teilnehmer, da in ihnen die einzigartigen Dokumente dieses Archivs vorgestellt wurden, die Licht in das Dunkel der stalinistischen Vergangenheit bringen. Hier und bei den Berichten aus anderen osteuropäischen Ländern und künftigen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, insbesondere den Darstellungen aus Lettland und Polen, wurde deutlich, dass die Archive als Werkzeuge der Demokratie in Erscheinung treten – sie sind die Bewahrer der authentischen Vergangenheit. In diesen Staaten wächst das Bedürfnis nach „Glasnost“, immer mehr Menschen gehen auch auf die Suche nach der Geschichte der eigenen Familie – hier sehen die Archive große Chancen der historischen Bildungsarbeit und die Notwendigkeit, durch archivpädagogische Maßnahmen die Forschungen zu unterstützen.
Berichte aus den Ländern mit längerer Tradition historischer Bildungsarbeit an Archiven, besonders Großbritannien, Frankreich und Niederlande, beeindruckten die Zuhörer mit dem breit angelegten Angebot der Archive für verschiedenste Alters- und Zielgruppen, für elektronisches und lebenslanges Lernen („lernen online“, „longlife learning“). Aus den skandinavischen Ländern Norwegen und Schweden kamen Beispiele konkreter Programme historischen Lernens und Forschens für Schulen und Universitäten. Hier wurden die vielen Gemeinsamkeiten bei Methoden und Arbeitsweisen sichtbar, die trotz der Unterschiede in der kulturellen Verfasstheit der fünfzehn Länder bestehen, die einerseits föderalistisch, andererseits zentralistisch organisiert sind mit den vielfältigen Auswirkungen u.a. auf das Archivwesen, den Zugang zu den Archiven usw..
Schließlich verdeutlichten Berichte über Geschichtswettbewerbe und deren Netzwerke in Deutschland und zahlreichen Staaten Europas („Eustory“) die Bedeutung forschenden und entdeckenden Lernens für den Demokratisierungsprozeß in den jeweiligen Gesellschaften.

Archivare, Lehrer, Kulturwissenschaftler, Gedenkstättenfachleute, Vertreter nationaler und internationaler Organisationen haben an diesen drei Tagen die Bedeutung der Archive als strukturiertes Gedächtnis der Gesellschaft verdeutlicht und den entscheidenden Beitrag der Archivpädagogen hervorgehoben. Erkannt wurden aber auch Defizite, insbesondere wurden Forderungen formuliert, die Einbindung der Archivnutzung in die Lehreraus- und Fortbildung zu verbessern. Die in englischer und deutscher Sprache, teilweise sogar auf französisch und russisch übersetzten Vorträge und Diskussionsbeiträge blieben nicht in unverbindlichen Absichtserklärungen stecken, sondern die Konferenz endete mit konkreten Arbeitsaufträgen für die kommenden Tage, um den begonnenen Informationsaustausch mit Leben zu füllen.
Von dieser Konferenz sind Impulse ausgegangen, die nach ganz Europa ausstrahlen. Die von der Europäischen Union, der Körber-Stiftung und dem Verband deutscher Archivare geförderte Tagung hat eine erste Plattform geschaffen für den von allen als notwendig angesehenen Austausch. Der Initiator und Veranstalter, der Arbeitskreis Archivpädagogik und historische Bildungsarbeit im Verband deutscher Archivarinnen und Archivare, wird diesen Austausch über das Internet und mögliche weitere Konferenzen organisieren und intensivieren. Das Zusammenwachsen Europas, die zunehmende ethnologische Vielfalt und Migration in allen europäischen Staaten wird dabei das Thema sein, das alle Archivpädagogen verbindet und an dem sich die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg kristallisieren wird.“

Quelle: http://www.archivpaedagogen.de/europa/presse.htm

Vatikanische Museen online

Die Vatikanischen Museen gehören zu den bedeutendsten Kunstsammlungen der Welt. Sie verzeichnen pro Jahr mehr als drei Millionen Besucher. Jetzt sind die Vatikanischen Museen und ihre Kunstwerke auch virtuell zu besuchen: www.vatican.va.

Sechs der insgesamt 27 Abteilungen der Sammlungen sind online zu besichtigen: die Sixtinische Kapelle, die Stanzen des Raffael, die Pinakothek, die Ägyptische und die Etruskische Sammlung, und auch das Missions- und Völkerkundemuseum.

Interessierte können auf italienisch, englisch, französisch, spanisch und deutsch virtuelle Rundgänge durch die Kunstsammlungen unternehmen. 120 Bilder mit hoher und 95 Bilder mittlerer Auflösung sind auf der Internetseite abrufbar, dazu auch Bibelstellen, die mit den Motiven der Kunstwerke in Zusammenhang stehen.

Internetnutzer können zwischen einer dreidimensionalen Kameraperspektive und der zweidimensionalen Ansicht wählen. Auch lassen sich Ausschnitte von Kunstwerken mittels Mausklick mehrmals vergrößern.

Die Arbeiten an der Internetseite, auf der sich insgesamt 50.000 Links befinden, dauerten nach Angaben der ausführenden Firma Hewlett-Packard fünf Jahre und 15.000 Arbeitsstunden. (dpa/KNA/FAZ)

Ausstellung über einen Berliner

Eine ungünstigere Zeit hätten sich die Ausstellungsmacher nicht aussuchen können: Der US-Kongress sperrt die nationalen Archive wegen des Irakkriegs und amerikanische Bibliotheken rufen bereits zugesagte Exponate zurück.

Aber der am 25. Juni eröffneten John F. Kennedy-Schau im Deutschen Historischen Museum Berlin sind die Schwierigkeiten der letzten Monate nicht anzumerken. Die kritische Würdigung des Politikers und Menschen Kennedy anlässlich des 40. Jahrestages seiner berühmten Berlin-Rede ist nach Ansicht der Märkischen Allgemeinen gelungen, im Ton wie in der Darbietung.

Außerdem sei sie spannend, weil die Macher dieses rasante Leben einfach chronologisch nachgezeichnet haben. Der Aufstieg des irischstämmigen Katholiken ins protestantische Establishment beginnt für den Besucher mit dem Taufkleid des kleinen Jack – die Vitrine steht gerade so im Weg, wie einst Kennedy in Harvard seine Konfession.

Ein paar Meter weiter begreift man, dass der junge John Fitzgerald sich nicht einmal von seinem despotischen Vater und Clan-Oberhaupt Joseph einschüchtern ließ. Im Alter von zehn Jahren beantragt er handschriftlich eine Taschengelderhöhung, „damit ich meine Pfadfindersachen kaufen und überhaupt etwas mehr bezahlen kann“.

Dann der lebenshungrige Twen: Das ergreifendste Exponat dieser Jahre ist ein Ringbuch mit Notizen, die Jack in seiner Zeit als Beobachter der Potsdamer Konferenz machte: „Die Menschen haben alle völlig farblose Gesichter“, schreibt er über das verwüstete Berlin. „Sie alle tragen Bündel. Niemand scheint zu wissen, wohin sie gehen.“

Ein ovaler Raum folgt – eine Anspielung auf das Regierungszimmer im Weißen Haus. Man wirft einen Blick auf das Manuskript der berühmten Antrittsrede – die Buchstaben sind riesig, weil der eitle Präsident nicht mit Brille auftreten wollte.

Nun stürmt es auf einen ein, die Bürgerrechtsbewegung, der Mauerbau, die Kubakrise – letztere durch ein kurioses Exponat illustriert: einen Fernschreiber aus DDR-Produktion, den Kennedys Gegenspieler Chruschtschow nach den dramatischen Ereignissen als Teil des „heißen Drahtes“ nach Wahington schickte.

Endlich der große Moment: Kennedy vor dem Rathaus Schöneberg. – Aber es ist etwas anderes als der berühmte Satz auf der Leinwand zu sehen, nämlich dass die Menge den Mann vor lauter „Kennedy! Kennedy!“-Rufen gar nicht beginnen lässt. Im nächsten Raum wartet das Unheil. Das Amateurvideo aus Dallas, 22. November 1963, in Zeitlupe. Man eilt weiter und liest sich durch die pointiert aufbereiteten Verschwörungstheorien.

Schließlich ist man froh, dass es den Raum mit den Kennedy-Memorabilia gibt, mit der Jackie-Anziehpuppe und dem Supermann-Heft, in dem der Präsident dem Helden aus der Patsche hilft – alles nachzublättern im gut gemachten Katalog, der die 60er-Jahre-Ästhetik der Life-Hefte aufnimmt.

Wie einen kritischen Kommentar, einen Fußnotenteil bekommt der Besucher im Hinausgehen noch ein paar Bilder und Texte von der dunklen Seite des Aufstiegs serviert. Den Mafiaboss, der Wählerstimmen besorgt haben soll, und das nackte Napalm-Mädchen, in dessen Heimat Kennedy Bomber schickte. Aber es wird weder verurteilt, noch verklärt. Der Besucher soll selbst entscheiden.

Zum 40. Jahrestag des Kennedy-Besuches in Berlin würdigte Bundespräsident Johannes Rau Kennedys Berliner Rede als „Meilenstein deutscher Geschichte“ und „festen Anker für die deutsch-amerikanische Freundschaft“. Am 26. Juni 1963 hatte Kennedy etwa 400.000 Berlinern vor dem Rathaus Schöneberg auf Deutsch zugerufen: „Ich bin ein Berliner!“ Dies sei „eins der ganz großen Symbole für die Freiheit Berlins“, so Rau.

Kontakt:
Deutsches Historisches Museum
Unter den Linden 2,
10117 Berlin
Telefon: +49 – (0)30 – 20304 – 0
Telefax: .+49 – (0)30 – 20304 – 543
http://www.dhm.de/

Quelle: Märkische Allgemeine, 26.6.2003

Reininghaus wird Präsident des Landesarchivs NRW

Der Leiter des Staatsarchivs Münster, Professor Dr. Wilfried Reininghaus, wird Präsident des zum 1. Januar 2004 zu errichtenden Landesarchivs Nordrhein-Westfalen. Der 1950 geborene Reininghaus hat Volkswirtschaftslehre und Geschichte in Münster studiert. Seit 1982 arbeitete er im Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Dortmund, als dessen Leiter er 1996 als Ltd. Staatsarchivdirektor an das NRW Staatsarchiv Münster wechselte. An der Universität Münster ist er apl. Professor für Westfälische Landesgeschichte.

Das nach einer Entscheidung der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf der Grundlage einer Organisationsuntersuchung zu Jahresbeginn zu schaffende Landesarchiv Nordrhein-Westfalen soll als zentrale Einrichtung des staatlichen Archivwesens dienen. Es wird aus drei Zentral- und vier Fachabteilungen bestehen – den bisherigen Staatlichen Archiven in Brühl, Detmold, Düsseldorf und Münster. Das künftige Landesarchiv ist zuständig für alle Fragen des staatlichen Archivwesens in NRW. Der Präsident wird das Landesarchiv mit Hauptsitz in Düsseldorf leiten sowie zugleich die für die archivfachlichen Grundsatzfragen und die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Abteilung des Landesarchivs. Er führt rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Vor der Übernahme des Präsidentenamtes zum 1. Januar 2004 wird Professor Reininghaus vom 1. Juli an als Leiter des Aufbaustabes für das neue Landesarchiv fungieren.

Führung durch Thüringen 1933 bis 1945

Territorial gegliedert, informiert der achte, Thüringen betreffende Band der »Heimatgeschichtlichen Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945« über die Stätten der Verfolgung durch die Naziherrschaft, über Orte des Widerstands sowie über Grabstätten und andere Gedächtnisorte. So werden Kreis für Kreis, Ort für Ort für das Land Thüringen erfaßt und beschrieben. Die Beschreibungen für jeden Ort gliedern sich durchgängig in die Abschnitte »Widerstand und Naziterror« und »Konzentrationslager und Zwangsarbeit«, hin und wieder ergänzt durch »Rassistische Verfolgung und ›Euthanasie‹«.

Vorgestellt werden die Stätten des Naziterrors, die frühen Konzentrationslager Nohra und Bad Sulza, die späteren Buchenwald und Dora und ihre Außenlager, die SA-Folterstätten, die Gefängnisse und Zuchthäuser u.a. in Ichtershausen und Gräfentonna. Beschrieben werden die Stationen der Verfolgung der Juden, der Sinti und Roma bis zu ihrer Deportation in Vernichtungslager. Dokumentiert werden die Orte der Zwangsarbeit von Kriegsgefangenen, zivilen Zwangsarbeitern und KZ-Gefangenen, so das Kriegsgefangenenstammlager IX C Bad Sulza und seine Arbeitskommandos, die Zwangsarbeiterlager zahlreicher Groß- und Mittelbetriebe der Industrie, der Land- und Forstwirtschaft, das Arbeitserziehungslager Römhild, die unterirdischen Verlagerungsprojekte der Rüstungsindustrie im Kohnstein und in Ohrdruf. Nachgewiesen werden die Stationen der Ausgrenzung und Ermordung behinderter Menschen, so die Landesheilanstalten Mühlhausen-Pfaffenrode, Blankenhain und Stadtroda samt den ihnen übergeordneten Gesundheitsämtern. Die aufgelisteten Orte der Verfolgung beschränken sich nicht auf jene, an denen sich eine Verfolgungsinstitution befand. Aufgenommen wurde jeder Ort, an dem Menschen verfolgt, verhaftet, verurteilt oder umgebracht wurden – soweit sie bekannt sind. Der Wegweiser kann über viele Orte nur wenige Anhaltspunkte liefern, über manche fehlen auch jegliche Kenntnisse, obwohl Vollständigkeit angestrebt wird. Die Autoren verstehen daher ihre Dokumentation als Zwischenbilanz ihrer jahrelangen Recherchen.

Die Dokumentation der Stätten des Widerstandes ist zwar territorial gegliedert, geht aber von den Menschen aus, die an den angegebenen Orten lebten und in dieser oder jener Form Widerstand leisteten. Das Spektrum ist hinsichtlich der einbezogenen Aktivitäten wie hinsichtlich der sozialen und politischen Spannbreite der bekanntgewordenen Personen umfassend.

Der Band stellt jedem Kreis eine Karte mit der Gemeindeeinteilung voran, dabei geht er von der heutigen administrativen Einteilung aus. Für jeden größeren Ort wird eingangs eine soziale Charakteristik gegeben. Zahlreiche Karten, Lagepläne und Abbildungen verleihen dem Band eine vorzügliche Übersichtlichkeit. Vor allem hinsichtlich der kleineren Gedenkorte, also Grabsteine, Gedenksteine, Denkmäler, ist er reichhaltig mit Abbildungen ausgestattet. Für jeden Kreis werden am Schluß der Dokumentation Quellen und Literaturhinweise angegeben.

Bei Gedenkstätten wird über Adressen. Telefon, Öffnungszeiten und Führungen informiert. Ein Ortsregister erleichtert die Übersicht, ein Personenregister fehlt.

Der Band über Thüringen folgt in Aufbau und Präsentation den sieben Bänden der Reihe »Wegweiser«, die vom Studienkreis Deutscher Widerstand initiiert und in langjähriger Forschungs- und Editionsarbeit realisiert wurden. Bisher erschienen Wegweiser zu Baden-Würtemberg 1, Bremen, Hessen (2 Teilbände), Niedersachsen (2 Bände), Saarland, Schleswig-Holstein 1. Der Band zu Thüringen ist der erste in dieser Reihe über ein Land aus der ehemaligen DDR.

Der Hauptzweck des Bandes und der Reihe besteht darin, Spuren zu sichern und sie vor dem Verdrängt- und Vergessenwerden zu bewahren. Mit seiner detaillierten und umfassenden Rekonstruktion der Stätten von Verfolgung und Widerstand gegen den Faschismus in diesem Lande stellt er allen Antifaschisten solide, zuverlässige Information darüber zur Verfügung, wo und von wem gegen die Nazibarbarei Widerstand geleistet wurde. Regional- und lokalgeschichtlich angelegt, reicht die Bedeutung des Wegweisers über die beschriebenen Territorien hinaus.

Info:
»Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945«, Bd. 8: Thüringen.
Mit einem Vorwort von Frank Spieth, DGB-Landesvorsitzender Thüringen, hrsg. vom Thüringer Verband der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und dem Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-45,
Frankfurt 2003, ISBN 3-88864-343-0, 380 S.

Quelle: Junge Welt vom 21.6.2003

Ausstellung Nationalsozialismus in München

Es war eine seltsame Mischung aus Dementi und Dennoch, mit der Christian Ude die lang erwartete Ausstellung „Nationalsozialismus in München – Chiffren der Erinnerung“ eröffnete. „Keine einzige Aussage war falsch oder unzutreffend“, verteidigte Münchens Oberbürgermeister die letztes Jahr von ihm selbst abgesetzte Schau, wie die FR am 25.6. berichtet. Dann erst sagte Ude, weshalb er die Überarbeitung eines zentralen Teils städtischer Selbstdarstellung gefordert hatte. Es ging ihm um die „Stimmung“ der Ausstellung. Ein recht vager Begriff, aber ein Schlüssel für die gesamte Kontroverse. Im August 2002 nämlich hatte der SPD-Politiker die unfertige Präsentation noch als „SA-Lederhosenschau“ verurteilt und der freien Kuratorin Brigitte Schütz eine „kritiklose Ansammlung von Devotionalien“ vorgeworfen. Die Dauerausstellung wurde erst gar nicht eröffnet, niemand konnte die Angelegenheit vor Ort überprüfen. Ist nun alles anders geworden?

Dass die Landeshauptstadt den Nährboden für Hitlers Aufstieg bildete, dass hier die NSDAP gegründet wurde, die SS und SA, und München bis zuletzt Sitz der Partei blieb, sind die zentralen Aussagen der Ausstellung, ihr kleines „Einmaleins“, wie Schütz sagt. Vor Ort und mit Blick auf Bayern soll die verhängnisvolle Mischung aus Reichskampfbünden, völkischer Kampfpresse und rassistisch-dumpfer Stammtischmentalität chronologisch, also vom Ende des Ersten Weltkriegs an, gezeigt werden.

Mit zahlreichen Originaldokumenten versucht die Ausstellung greifbar zu machen, was einen sprachlos macht. Deshalb kommt dem einzelnen Objekt eine solche Bedeutung zu. Es wird dazu auf den Sockel gehoben, buchstäblich; Uniformen stehen in gläsernen Schneewittchensärgen, und Schriftstücke liegen auf metallenen Kathedern. Von Objekt zu Objekt will die Kuratorin die Besucher durch „Wechselbäder kritischer Rekonstruktion“ leiten. Beanstandete Stücke – Nazi-Kitsch, mit dem München seinen Ruf als Kunststadt auch im „Dritten Reich“ gewinnbringend vermarktete – sind von Infotafeln umstellt. Sie sollen nicht mehr für sich selbst sprechen. Der Porzellan-Schäferhund aus der SS-Manufaktur Allach etwa blieb nur, weil das Foto eines Zwangsarbeiters hinzukam, der dort schuften musste.

Die nun frei gegebene Dauerausstellung verzettelt sich nach Auffassung der FR, so als läge der Schlüssel zum Verständnis gesellschaftlicher Prozesse in der unsystematischen Präsentation von Details, von NS-Gegenständen: Parteiabzeichen, Generalplänen für das neue München oder gar NS-Kitsch. Die Schau breitet Material aus, wo ein Statement gereicht hätte. Was kann Hitlers Globus vermitteln von den Allmachtsträumen der Nationalsozialisten? Und was ein Papierfähnchen mit Hakenkreuz?

Dabei gibt es durchaus Dokumente, die nachdenklich machen. Narben überziehen den Rücken von Sebastian Nefzger, den SS-Schergen am 26. Mai 1933 im KZ Dachau ermordeten. Die Gerichtsbilder zeigen schwerste Misshandlungen. Solche Dokumente des Grauens haben freilich einen schweren Stand gegen die dominante Ausstellungsarchitektur. Stellenweise scheint die Inszenierung völlig überfordert und aus dem Ruder geraten. Mit ihren genieteten Metalloberflächen gleicht die Schau einem großen Ausstellungs-U-Boot.

Es ist mitnichten alles anders geworden. Die Präsentation wurde abgeändert, und ein beanstandetes Stück verschwand. Aber bis auf den Röhm-Dolch ist alles an Ort und Stelle geblieben. Nur die Ausgangslage für die Kritik hat sich geändert.

Kontakt:
Münchner Stadtmuseum,
St.-Jakobs-Platz 1:
80331 München
Tel: 089-233 22370
Fax: 089-233 25033
stadtmuseum@muenchen.de
http://www.stadtmuseum-online.de/

Entscheidung über Stadtarchiv Alzey verschoben

Erst in einer Stadtratssitzung im September soll die Entscheidung fallen, ob das Alzeyer Stadtarchiv in der Stadt bleibt oder an das Landesarchiv Speyer abgegeben wird, wie Bürgermeister Knut Benkert (SPD) gegenüber der AZ mitteilte. Ursprünglich war ein Votum für Juni vorgesehen, nachdem sich der Stadtrat im Februar 2003 noch Bedenkzeit gegeben hatte. Am kommenden Freitag, den 27. Juni, wird Benkert der interfraktionellen Arbeitsgruppe ein Papier präsentieren, in dem sich Speyer verpflichtet, die Alzeyer Archivalien innerhalb eines Jahres zu erschließen. Bürgermeister Benkert sieht sich durch dieses Schreiben aus Speyer in seiner Position bestätigt

In der Sitzung Anfang Februar 2003 hatte sich der Stadtrat nach Widersprüchen aus der Bevölkerung dem Antrag des Bürgermeisters verweigert, das Stadtarchiv an Speyer abzugeben. Stattdessen war eine Arbeitsgruppe eingesetzt worden, die bis Juni Vorschläge zum weiteren Verfahren erarbeiten sollte. Diese Entscheidung ist nun aber bis September aufgeschoben worden.

Die Abstimmungsniederlage Anfang des Jahres sieht Benkert nicht als persönliche Schlappe: „Es geht um Inhalte, nicht um Personen.“ Im Stadtrat hätten ohnehin nur „ein oder zwei Leute Ahnung vom Archivwesen“. Sein Vorschlag sei eine „wirtschaftlich vertretbare, professionelle und bezahlbare Lösung“, warb Benkert. In einer Sitzung der Arbeitsgruppe am kommenden Freitag werde über eine Lösung diskutiert. Auch der Altertumsverein sei mit im Boot.

9.482 Euro müsste Alzey pro Jahr nach Speyer überweisen, das seien etwa 50 Cent pro Einwohner und Jahr, damit die Archivare dort die Kladden und Aktenbündel bearbeiten. Dass Oppenheim heute bereue, sein Archivgut abgegeben zu haben, sei ein unsinniges Argument, das „irgendwelche Idioten“ in die Welt setzten, ärgert sich Benkert. Oppenheim habe keinen Pfennig bezahlt, Alzey werde aber bezahlen und könne deswegen auch auf eine schnelle Bearbeitung vertrauen. „Die Summe ist schwer zu stemmen, aber sehr viel billiger, als einen Archivar und eine Hilfskraft einzustellen“, rechnet Benkert vor. Dies würde das Fünf- oder Sechsfache kosten. Vor allem fehlten in Alzey die geeigneten Räume für die Archivalien.

Zurzeit seien die Schriftstücke in Kellerräumen deponiert, verfielen allmählich wegen der unsachgemäßen Aufbewahrung. Für den neueren Teil des Archivs gebe es keine der so genannten Findbücher – das sind Verzeichnisse, ohne die der Forscher nicht zu seinen Unterlagen findet. Speyer werde diese Aufgabe gerne übernehmen, erklärt Benkert.

Auch wegen des Datenschutzes wehrt er sich dagegen, ehrenamtliche Kräfte an die Archivstücke zu lassen. „Das können nicht Hinz und Kunz machen, wenn es um Vermögensverhältnisse geht“, meint Benkert. Bis zum 100-jährigen Jubiläum des Altertumsvereins 2006 seien die Schriftstücke im Landesarchiv längst erschlossen. „Hätte der Stadtrat im Februar entschieden, wäre der größte Teil des Alzeyer Archivs bereits jetzt aufgearbeitet.“

Forscher und Geschichtsinteressierte sind gegen Abgabe der Akten ans Landesarchiv Speyer

In einem fünfseitigen Papier haben sich die historischen Vereine Alzeys gegen die Abgabe des Stadtarchivs an das Landesarchiv Speyer ausgesprochen. Altertumsverein, Altstadtverein und Verein für Postgeschichte setzen sich in dem Schreiben, das an alle Stadtratsmitglieder geschickt wurde und das unserer Zeitung vorliegt, für den Verbleib und Aufbau des Archivs vor Ort ein.

Wenige Tage vor der Sitzung der Arbeitsgruppe am Freitag haben die in den historischen Vereinen organisierten Fachleute und Forscher ihre Meinung zu der von Bürgermeister Knut Benkert (SPD) vorgeschlagenen Abgabe des Stadtarchivs nach Speyer dargelegt. Unter der Überschrift „Archiv der Stadt Alzey: Situation, Alternativen, Lösungen“ beschreiben die Autoren die Ausgangslage und diskutieren Für und Wider der Abgabe und des Verbleibs der historischen Dokumente. Ihr Fazit: Die Archivalien in der Stadt zu lassen sei „sachlich, personell und finanziell möglich und im Hinblick auf Geschichte und Kulturleben der Stadt wünschenswert.“

Ein Stadtarchiv in Alzey ist nach den Rechnungen der Vereine nicht teurer als die Summen, die jährlich an das Landesarchiv in Speyer entrichtet werden müssten. Für die Kassation – also das Sichten und Aussortieren – der neueren unbearbeiteten Archivalien soll ein Archivar mit einem zeitlich befristeten Werkvertrag angestellt oder aber ein Fachmann eines Archivs der Umgebung zeitweise entliehen werden. Für einen zweijährigen Werkvertrag müssten rund 12.000 Euro ausgegeben werden. Innerhalb von ein bis zwei Jahren könnten die bisher unerschlossenen Archivalien der 1950er bis 1980er Jahre bearbeitet werden. Damit werde der dringend benötigte Platz in der überfüllten Registratur der Stadtverwaltung geschaffen.

Anschließend sollten ehrenamtliche Archivare die historischen Unterlagen und Schriftstücke verwalten. Für ihre neuen Aufgaben könnten sie etwa in der Archivschule in Marburg schlau gemacht werden. Auch der Raumbedarf wird in dem ausführlichen Konzept berechnet: Für 20 Regale würden etwa 50 Quadratmeter benötigt, entsprechende Räume könnten in einer Schule oder einer Wohnung angemietet werden. Somit müssten 3000 Euro Mietkosten, 5544 Euro als Aufwandsentschädigung für die drei Archivpfleger und 906 Euro an Sachmitteln ausgegeben werden, haben die Vereine in einer Modellrechnung herausgefunden. Damit blieben die Kosten nach den ersten Anschaffungen sogar deutlich unter denen von Speyer jährlich geforderten 9.482 Euro.

„Alzey gibt mit dem Archiv seine Identität, seine Geschichte aus der Hand“, befürchtet Privatdozentin Dr. Sigrid Schmitt, die in Mainz an der Johannes Gutenberg-Universität Mittelalterliche Geschichte lehrt und Vorstandsmitglied des Altertumsvereins ist. Das Alzeyer Archiv sei bis zu den 1950er Jahren gut zugänglich, sorgfältig verzeichnet und werde professionell betreut. Im 70 Kilometer entfernten, anonymen Landesarchiv Speyer könne niemand den Forschern Auskunft über Alzeyer Geschichte geben. Dort sei mit mehr Bürokratie und deutlich höheren Kopierkosten zu rechnen. Außerdem sei der Vorschlag, das Archiv abzugeben, verwunderlich, weil die Mitglieder des Altertumsvereins in ehrenamtlicher Arbeit und auch mit hohem finanziellen Einsatz über Jahrzehnte hinweg das Alzeyer Stadtarchiv mit aufgebaut hätten.

Bei einer Abgabe des Stadtarchivs in die Pfalz seien nicht nur lange Anfahrtswege zu befürchten, sondern in letzter Konsequenz ein „Versiegen der historischen Lokal- und Heimatforschung“, heißt es in dem Papier. Dies zeige das Beispiel der Nachbarstadt Bingen, die ihr 1965 nach Speyer abgegebenes Archiv zurückhole. Dort habe die stadtgeschichtliche Aufarbeitung stark unter der Entfernung gelitten, mit dem Auszug des Archivs sei – laut Kulturdezernent – das wissenschaftliche Arbeiten zur Stadtgeschichte „abrupt abgebrochen“.

Kontakt:
Archiv der Stadt Alzey
Ernst-Ludwig-Str. 42
55232 Alzey
Tel.: 06731-4950
Fax: 06731-495555
information@alzey.de
www.alzey.de

Altertumsverein Alzey und Umgebung e.V.
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Quelle: Allgemeine Zeitung, 24.6.2003

Tagung: 350 Jahre Wismarer Tribunal

Für den 27. und 28. Juni 2003 laden der Greifswalder Lehrstuhl für Strafrecht und Strafverfahrensrecht (Prof. Dr. Jürgen Regge) und das Universitätsarchiv (Leiter Dr. Dirk Alvermann) zu einer gemeinsamen rechtsgeschichtlichen Tagung mit deutschen, schwedischen, dänischen und polnischen Historikern, Archivaren und Juristen in den Großen Sitzungssaal des Oberverwaltungsgerichtes in Greifswald (Domstraße 7) ein.

Anlass hierfür bietet das 350-jährige Jubiläum der Einrichtung des Königlichen Tribunals in Wismar, des Oberappellationsgerichtes für die schwedischen Lehen im Alten Reich (zu denen ein Teil Pommerns bis 1806 gehörte). Zugleich jährt sich zum 200. Mal die Verlegung des Tribunals von Wismar über Stralsund nach Greifswald im Jahre 1803.

Grund genug, die Stellung des bedeutenden historischen Gerichtsstandortes Greifswald mit dem Pommerschen Hofgericht, dem Konsistorium sowie dem Spruchkollegium der Juristenfakultät und deren Beziehungen zum Königlichen Tribunal in Wismar zu untersuchen. Solchen Verbindungen läßt sich nicht nur im Instanzenzug nachspüren. Ihnen liegt auch ein sehr enges personelles Geflecht zugrunde, denn mehrere spätere Vizepräsidenten und Assessoren des Tribunals waren zuvor Professoren der Greifswalder Juristenfakultät (David Mevius, Hermann Heinrich Engelbrecht, Augustin v. Balthasar, Breitenstern, Emanuel Friedrich Hagemeister) oder verdankten ihr ihre Ausbildung, andere waren vor ihrem Dienst in Wismar Assessoren am Pommerschen Hofgericht. Durch die enge Verschwägerung unter den pommerschen Juristenfamilien gab es zudem starke familäre Beziehungen zwischen allen Gerichten. Die Universität selbst errang 1753 (noch ein Jahrestag) das Privileg, nur vor dem Königlichen Tribunal beklagt zu werden. Zu diesen und anderen Themen werden dreizehn Referenten sprechen, deren Vorträge später in einem Tagungsband veröffentlicht werden sollen. Das genaue Tagungsprogramm ist dem Veranstaltungskalender der Pressestelle zu entnehmen.

Info:
Prof. Dr. Jürgen Regge, Cornelia Hohn
Lehrstuhl für Strafrecht und Strafverfahrensrecht der Universität Greifswald,
Domstraße 20,
17487 Greifswald,
Tel. 03834-86-2106,
Fax 03834-862103,
hohn@uni-greifswald.de

Ort und Zeit:
27.06.2003 um 09:00 bis 28.06.2003 17:00 
Großer Sitzungssaal, Oberverwaltungsgericht MV
17487 Greifswald 

Tagungsprogramm:

27. Juni 2003

09:00-09:15 Begrüßung
09:15-10:00 Jürgen Regge „Greifswald als Gerichtsort in der Übergangszeit von schwedischer zu preußischer Herrschaft“
10:00-10:45 Kjell Åke Modéer „Aktenversendung und Greifswalder Juristenfakultät“
10:45-11:15 Kaffeepause
11:15-12:00 Martin Onnasch „Konsistorium und Tribunal“ 12:00-12:45 Martin Schoebel „Hofgericht und Tribunal“
12:45-14:45 Diskussion
13:00-14.45 Mittagspause
14:45-15:30 Dirk Alvermann „Akademische Gerichtsbarkeit, Hofgericht und Tribunal – der Streit um das forum competens“
15:30-16:15 Uwe Kiel „Das Oberappellationsgericht aus städtischer Perspektive – das Beispiel Greifswald“
16:15-17:15 Kaffeepause/Diskussion
17:15-18:00 Felix Schönrock „Greifswalder Gerichtstopographie“ (anschl. mögliche Besichtigung der ehemaligen Gerichtsstandorte)
20:00 Uhr Empfang/Abendessen

28. Juni 2003

9:15-10:00 Nils Jörn „Greifswalder und Rostocker Professoren am Wismarer Tribunal“
10:00-10.45 Martin Krieger „Greifswalder Gelehrtenkommunikation im Zeitalter der Aufklärung“
10:45-11.15 Kaffeepause
11:15-12:00 Jens E. Olesen „Auswirkungen der dänischen Herrschaft auf Verständnis und Praxis der Tribunalstätigkeit“
12:00-12.45 Diskussion
12:45-14:30 Mittagspause
14:30-15.15 Pawel Gut „Patrimonialgerichtsbarkeit in Pommern“
15:15-16:00 Anja Tews “ Die Strafrechtspflege im Bezirk des Oberappellationsgerichts zu Greifswald (1915-1851)“
16:00-16:45 Diskussion/Kaffeepause
16:45-17:00 Schlußworte
 
Teilnahme-Informationen über
Prof. Dr. Jürgen Regge, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, Domstraße 20, Tel. 03834-862107
Dr. Dirk Alvermann, Universitätsarchiv, Tel. 03834-861155, archiv@uni-greifswald.de 

Quelle: idw-online, 20.6.2003