Hernes Fehlgriff in Sachen Zwangsarbeit

Wissenschaftliche Forschung muss naturgemäß intersubjektiv überprüfbar sein. Nun ist über die Ergebnisse des Zwangsarbeiterforschungsprojektes der Stadt Herne bisher noch nicht allzuviel zu lesen gewesen. Ob es je dazu kommt, ist derzeit zweifelhaft. Die Dokumentation „Zwangsarbeit und Kriegsgefangene in Herne und Wanne-Eickel zwischen 1940 und 1945“ wird nicht erscheinen. „Das Material ist für uns wertlos“, erklärte Kulturdezernentin Dr. Dagmar Goch. Ob die Dokumentation im Reißwolf landen wird, ist allerdings noch nicht entschieden. Zuerst werde sie nun komplett kritisch gegengelesen. Eventuell könne das aufbereitete Quellenmaterial als Grundlage für eine andere Dokumentation genutzt werden.

Hintergrund ist, dass der seit dem Jahr 2000 für zweieinhalb Jahre als ABM-Kraft mit der Zwangsarbeiterforschung im Herner Stadtarchiv beauftragte Historiker Dr. Olaf Rose zeitgleich sowie zuvor und danach auch mit Vorträgen in Kreisen der „Neuen Rechten“ bzw. in der Neonaziszene reüssiert hat. Nach einem Bericht der tageszeitung vom 22.5. sehe Rose keinen Widerspruch in seinen Tätigkeiten für die Stadt und die „Nationalkonservativen“. Dass er in der Tat keine Berührungsängste hat, belegen wohl seine – im als rechtsradikal geltenden Verlag Vowinkel erschienenen – Schriften sowie seine Mitarbeit in den extrem rechten Zeitschriften „Opposition“ und „Deutsche Geschichte“. Dies und ein Gespräch mit der Stadtverwaltung, in dem Rose seine Veröffentlichungen in diesen Verlagen und Magazinen zugab, nahm die Stadt zum Anlass, sich umgehend von Rose zu trennen (er hätte noch Texte nachliefern müssen) und von der Drucklegung der Dokumenation abzusehen.

In Bezug auf die Zwangsarbeiterforschung war Rose dabei unauffällig und kooperativ, beteiligte sich z.B. am Arbeitskreis Zwangsarbeit des Westfälischen Archivamtes in Münster, wo er über seine Briefkontakte zu ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus der ehemaligen Sowjetunion berichtete. Da es dabei, wie im gesamten Münsteraner Arbeitskreis, weniger um die Präsentation fertiger Forschungsprojekte, sondern um Werkstattberichte laufender Arbeiten ging, stand der Austausch über die Probleme der kommunalen Quellenlage im Vordergrund. Die Archivbestände der Korrespondenz mit den ehemaligen Zwangsarbeitern, wie sie durch deren Anfragen über Nachweise für ihre Tätigkeit in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs entstehen, stellen dabei eine neue Quellengattung dar, die auch der Quellenkritik unterworfen sein muss. So greift es sicherlich zu kurz, wenn man aus den auf die damalige Zwangsarbeit abhebenden Schilderungen in den russischen, weißrussischen und ukrainischen Briefen, die sich ja letztlich um Entschädigungsgelder bemühen, unreflektiert Rückschlüsse zieht auf die zeitgenössische Arbeits- und Lebenswirklichkeit der Zwangsarbeiter. Nicht nur die zeitliche Distanz und nicht nur die schlimmen Erfahrungen, die die meisten Zwangsarbeiter auch nach der Rückkehr in ihre Heimat als vermeintliche „Kollaboratuere“ machen mussten, sondern auch die bittstellerische Absicht ihrer heutigen Briefe sind dabei in die Interpretation der Darstellungen einzubeziehen. Hier hat Rose sicherlich nicht sorgfältig genug gearbeitet, wenn er aus der Lektüre dieser Briefe unumwunden schließt, wie die tageszeitung ihn zitiert, dass das Leben der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in den deutschen Lagern „sehr viel komfortabler als immer behauptet wird“ gewesen sei.

Wahrnehmungsschwächen haben sich aber gewiss auch andere vorzuwerfen, so insbesondere die Stadt Herne als ehemalige Arbeitgeberin Roses, die die Qualität seines wissenschaftlichen „Handwerkszeugs“ und die Intentionen seiner bisherigen Forschungen durchaus im Vorfeld seiner Beschäftigung hätte überprüfen können.

Quellen und Links:

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.