Edition der Documents Diplomatiques Français 1964

21. Februar 2005 Documents Diplomatiques Français 1964. Band 1: 1. Januar bis 30. Juni, Band 2: 1. Juli bis 31. Dezember. Documents Diplomatiques Français 1965. Band 1: 1. Januar bis 30. Juni. Herausgegeben vom Ministère des affaires étrangères. Commission de publication des documents diplomatiques français. Verlag Peter Lang, Brüssel 2002 und 2003. LI und 710 Seiten, XLIV und 651 Seiten, LI und 882 Seiten, je Band 41,20 [Euro].

Zeitlebens blieb für Charles de Gaulle die Nation das Maß aller Dinge; und so hegte er auch keinen Zweifel daran, daß die "internationalen Beziehungen von den Staaten bestimmt werden müssen". Neben den Errungenschaften der Revolution von 1789 war es dieses Grundaxiom internationaler Beziehungen, aus dem die "französische Jahrhundertgestalt" (Klaus Hildebrand) für Frankreich das Recht ableitete, die führende Rolle in der Europäischen Gemeinschaft zu spielen. Denn Staaten gab es dort seinem Verständnis zufolge nur zwei: Frankreich und die Niederlande. Deutschland hingegen, so erklärte er dem niederländischen Botschafter im März 1965, sei geteilt; Italien habe seine Einheit erst im 19. Jahrhundert erworben; Belgien erscheine ihm ein künstliches Gebilde zu sein, und über Luxemburg verbäte sich diesbezüglich jedes Wort.

Diese und andere luzide Einsichten finden sich in Halbjahresbänden 1964 und 1965 der Documents Diplomatiques Français (DDF), die einmal mehr beweisen, welch interessanten, ja spannenden Lesestoff große Akteneditionen bieten können. Auf gut 2200 Seiten präsentieren die 849 Dokumente aus dem Archiv des Pariser Außenministeriums ein facettenreiches Themenspektrum von der großen Politik über die Außenhandelsbeziehungen bis zur Raumfahrt und belegen eindrucksvoll den Anspruch der "Grande Nation" auf Weltgeltung.

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Neue Aufschlüsse über die Motive, die im Vorfeld zur Entscheidung über die "Politik des leeren Stuhls" geführt haben, erlauben die Quellen leider nicht. Überhaupt vermag die Auswahl der durch knappe Einführungen, eine sparsame Kommentierung, ein regestenartiges Dokumentenverzeichnis und einen Personenindex erschlossene Dokumente nicht voll zu überzeugen. Offenbar legten die Herausgeber mehr Wert auf die Berichterstattung der Diplomaten aus dem Ausland denn auf den Denkrahmen der Pariser Zentrale. Selbstreflexionen oder Aufzeichnungen der Beamten im Quai d\’Orsay finden sich nur selten, Weisungen des Staatspräsidenten an das Außenministerium gar nicht, obwohl er die Außenpolitik als seine eigene Domäne ansah. Dieser Verzicht ist um so bedauerlicher, als die Edition vor allem dann besonders tiefe Einblicke in die "arcana imperii" bietet, wenn sie de Gaulle zu Wort kommen läßt.

Desungeachtet stellen die Documents Diplomatiques Français ein unverzichtbares Instrument für die Erforschung der französischen Außenpolitik dar. Zu wünschen wäre ihnen eine Beschleunigung des Erscheinungstempos, denn der vom Archivgesetz vorgegebenen Dreißigjahresfrist hinken sie arg hinterher.

Quelle: Ulrich Lappenküper, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.02.2005, Nr. 43 / Seite 8

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