Aus der Serie „Geschichtsort Archiv“
Jacob Friedrich Waaser pachtete ab 1797 für zwölf Jahre den Schafhof von der Klosterverwaltung Maulbronn. Im Gegenzug musste er 1.000 Gulden in Form eines Kapitalbriefs als Unterpfand oder Kaution beim Kirchenrat hinterlegen. Diesen Kapitalbrief aus dem Jahr 1798 verwahrt das Stadtarchiv Maulbronn. Er ist besonderes Beispiel für eine sogenannte „verdeckte Quelle“: ein Dokument, das Bestandteil eines Vorganges ist, dem man sie nicht unbedingt zuordnen würde.
Abb.: Gerichtssiegel des Klosteramts Maulbronn auf einem Kapitalbrief aus dem Jahr 1798 (Stadtarchiv Maulbronn).
Der Kapitalbrief ist in einer Nachlassakte, einer sogenannten „Realteilung“, als Beleg enthalten und vereint bei genauerem Hinsehen besondere Aspekte der Geschichte des Klosters Maulbronn im zu Ende gehenden „Alten Reich“ vor über 200 Jahren. Schließlich stand die Säkularisation von 1806 bevor, die Kirche und Staat voneinander trennen sollte, und im Zuge der napoleonischen Reformen wurden Verwaltung und Justiz des Klosteramts Maulbronn neu strukturiert. Neben verschiedenen Formalitäten ist in dem Kapitalbrief die Rede von aktuellen Begebenheiten wie der mit „der französischen Republic geschlossene Waffenstillstandsvertrag“ und die mit den kriegerischen Ereignissen einhergehenden „Landesbedürfnisse“.
Unterzeichnet ist er von Amtsträgern und Honoratioren, die als lokale Persönlichkeiten Bedeutung erlangten. An erster Stelle unterschrieb Klosterverwalter Johann Abraham Rapp, der angeblich wegen Dienstvergehen als Forstmeister in Löwenstein-Wertheimschen Diensten zuerst nach Schorndorf und dann nach Maulbronn (straf-)versetzt worden war. Zwei Söhne von ihm besuchten nicht die Maulbronner Klosterschule, sondern das weltliche Gegenstück: die Hohe Karlsschule in Stuttgart.
Für die sogenannte Prälatur in Vertretung des evangelischen Abts unterschrieb Klosterprofessor Johann Gottfried Mayer. Mayer, der neben seiner theologischen Laufbahn auch schriftstellerisch tätig war (1777 erschien sein Werk „Historia Diaboli“ in Tübingen), kam 1781 als Professor und Ortspfarrer nach Maulbronn. Zu seinen Schülern gehörte von 1786-88 kein geringerer als Friedrich Hölderlin. Auch den schwäbischen Dichter Justinus Kerner unterrichtete Mayer, der mit einer Cousine des Dichters verheiratet war. Als kauzig und verschroben hat ihn Kerner in seiner Autobiographie „Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit“ charakterisiert.
Abb.: Das „redende Wappen“ Maulbronns symbolisiert den Namen der Stadt durch Maultier und Brunnen; beides findet sich seit 500 Jahren in Wappen von Stadt und Kloster (Harald Katz)
Als weitere Zeugen unterschrieben angesehene Maulbronner Handwerksmeister wie Johann Michael Beck, Christian Kolb und Christian Philipp Sauter. Auch die Unterschrift von Johann Michael Spaeth findet sich auf dem Dokument: Der Geometer und Speisemeister fertigte 1761 im Auftrag der Klosterverwaltung eine Flurkarte der Klostergemarkung an, die heute wichtige Rückschlüsse auf die einstige zisterziensische Kulturlandschaft mit dem ausgedehnten Wassersystem zulässt. Im Jahr 1800, mitten im Zweiten Koalitionskrieg gegen Frankreich, vertrat er als 74-jähriger den Klosterverwalter und geriet bei einem Aufenthalt in Bretten in französische Gefangenschaft. Er wurde nach Bruchsal verschleppt, wo ihm eine abenteuerliche Flucht gelang.
Besonders bedeutend ist das neben Klosterverwalter Rapp gesetzte Siegel des Maulbronner Klostergerichts. Die Wappendarstellung geht zum Teil auf den evangelischen Abt Jakob Schropp zurück, der sich als einstiger Maulbronner Zisterziensermönch der Reformation angeschlossen hatte, nachdem er heimlich bei hellem Mondschein in Luthers deutscher Übersetzung des Neuen Testaments gelesen hatte. Zu Schropps Amtszeit 1578-94 war der spätere Astronom und Mathematiker Johannes Kepler Klosterschüler in Maulbronn.
Abb.: Das Maulbronner Klosterwappen nach David Wollebers württembergischer Landesbeschreibung von 1591 (Stadtarchiv Maulbronn).
Obgleich Schropps Abtswappen mit zwei gebogenen Fischen und den beiden Kronen mit jeweils einem Kreuz darüber eine heraldische Erfindung war, ist es bis zur Säkularisation im 19. Jahrhundert in verschiedenen Darstellungen zu finden. Um 1590 hatte es der württembergische Geschichtsschreiber David Wolleber in das von ihm phantasievoll gestaltete Klosterwappen aufgenommen.
Das Wappen im Gerichtssiegel zeigt die auf Abt Schropp zurückgehenden Elemente sowie den am Brunnen trinkenden Maulesel. Außerdem ist das Siegel mit der Mitra und dem Abtsstab sowie dem Zisterzienser-Schrägbalken versehen – eindeutig katholische Attribute. Das zeigt, dass man auch im evangelischen Maulbronn stolz auf die klösterliche Vergangenheit war. Auch die Rückkehr der Zisterzienser während des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) trug zur Etablierung von Mitra und Abtsstab als Bestandteilen des Wappens bei. Das Siegel belegt, dass Maultier und rot-weißer Zisterzienserbalken seit 500 Jahren zum „redenden Wappen“ von Maulbronn gehören.
(Martin Ehlers, Stadtarchiv Maulbronn)
Kontakt:
Stadtarchiv Maulbronn
Klosterhof 31
75433 Maulbronn
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Fax: 07043/10345
Quelle: Enzkreis, Pressemitteilung 313/2016, 9.9.2016