Facharbeit füllt weißen Fleck im Stadtarchiv Neumarkt

Der Stadtarchivar von Neumarkt in der Oberpfalz, Dr. Frank Präger, weis den Wert von Schülerfacharbeiten zu schätzen. Mittlerweile besitzt das Archiv zehn bis zwölf Leitzordner mit Arbeiten, die ein Stück unbearbeiteter Heimatgeschichte, aber auch aktuelle Themen behandeln. Sämtliche Facharbeiten mit lokalem Bezug werden archiviert. 

Jetzt erhielt der Bestand Zuwachs: Katharina Wittmann, 25-jährige Schülerin der Neumarkter Berufsoberschule, übergab ihre im Fach Religion angefertigte Facharbeit dem Stadtarchiv Neumarkt. Sie schlug mit ihrer Arbeit über ein 1942 bis 1945 bestehendes Durchgangslager für osteuropäische Zwangsarbeiter in Schafhof ein Kapitel Stadtgeschichte auf, das den meisten Neumarktern nicht mehr bekannt ist.

Katharina Wittmann skizziert in ihrer 19 Seiten langen Facharbeit die Entwicklung „Von der Erbauung der Baracken bis hin zur Entstehung des Mahnmals“: 1942 kamen die ersten deportierten Zivilpersonen aus von der Wehrmacht besetzten Ländern, hauptsächlich aus Polen und der Ukraine, am Neumarkter Bahnhof an. Sie wurden in 33 Holzbaracken, die auf dem Waldgelände einen Kilometer von Schafhof entfernt lagen, gebracht. Die Baracken dienten als Verteilungslager der Osteuropäer zum Arbeitseinsatz im nordostbayerischen Raum. 

Insgesamt 128.000 Menschen durchliefen innerhalb der drei Jahre während des Zweiten Weltkriegs das Lager, mehr als tausend starben. Nach 1945 führten die Überlebenden ein fast autonomes Lagerleben: „Viele beantragten eine Ausreise nach Amerika oder Australien, weil sie nicht mehr in die mittlerweile kommunistische Heimat zurück wollten“, erklärte Archivleiter Dr. Präger. Auch dieses Kapitel sei bisher noch nicht bearbeitet, weil es kaum Quellen gebe. Ab 1949 dienten die Baracken den Heimatvertriebenen aus Schlesien und dem Sudetenland als Notunterkunft. Heute stehen noch drei Baracken, seit Frühjahr 2005 erinnert ein Friedenskreuz als Mahnmal an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Krieges.

Kontakt:
Stadtarchiv Neumarkt i.d.OPf. 
Bräugasse 1
92318 Neumarkt 
09181 / 26 16 63
stadtarchiv@neumarkt.de

Quelle: Mittelbayerische, 13.2.2006

Stabwechsel im Archiv der Max-Planck-Gesellschaft

Prof. Dr. Eckart Henning M.A. (66), seit 1984 Direktor des Archivs zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft und Professor an der Humboldt-Universität, übergibt die Leitung des Archivs an seinen Amtsnachfolger, Dr. Lorenz Beck (37), bisher Bereichsleiter beim Hauptstaatsarchiv in Dresden.

Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften unterhält neben ihren Berliner Forschungsinstituten auf dem Gelände ihrer Rechtsvorgängerin, der 1911 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, im \“deutschen Oxford\“ in Dahlem seit 1973 ein eigenes Archiv. Es ist im markanten Gebäude des Instituts für Zellphysiologie des Nobelpreisträgers Otto Warburg an der Boltzmannstraße untergebracht. Warburg, \“Kaiser von Dahlem\“ genannt, hatte das Haus 1930 nach eigenen Vorstellungen und dem Vorbild eines märkischen Gutshauses errichten lassen. Heute ist es, gegenüber dem Henry-Ford-Bau der Freien Universität, eine Dahlemer Sehenswürdigkeit.

Das MPG-Archiv verwahrt die Überlieferung der z. Zt. 78 Institute der MPG, die Akten der alten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und zahlreiche Nachlässe namhafter Forscher. Es ist mit inzwischen sechzehn Beständen und Sammlungen das größte Nobelpreisträgerarchiv in Deutschland. Das Haus verfügt ferner über eine komfortabel erschlossene wissenschaftshistorische Spezialbibliothek, für das 20. Jahrhundert eine der besten in Berlin.

Henning, seit 1984 Archiv-Direktor, beendete zum 31. Januar 2006 eine erfolgreiche Amtszeit. Er hat die wertvollen Bestände entscheidend vermehrt, nach archivwissenschaftlichem Grundsatz neu geordnet und das Archiv zu einem geachteten Haus im internationalen Archivwesen gemacht. Dazu gehörte 1999 auch der aufsehenerregende Umbau des \“Turms der Blitze\“ des alten Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik, in dem die ersten Versuche zur friedlichen Nutzung der Kernspaltung stattfanden, zu einem modernen Archivmagazin. Hier ist noch bis etwa zum Jahr 2010 Platz für die neu zugehenden Archivbestände. Forscher v.a. aus dem Gebiet der Wissenschaftsgeschichte aus dem In- und Ausland besuchen regelmäßig und zahlreich den Lesesaal des Archivs. Nicht zuletzt nimmt das Archiv selber mit seinen Publikationsreihen und zahlreichen Veranstaltungen am wissenschaftlichen Diskurs teil, darunter den \“Dahlemer Archivgesprächen\“, die im Otto-Warburg-Haus Wissenschaftshistoriker aus Ost und West vereinen. Über die Arbeit und die Bestände des Archivs informiert der 2003 in 2. Auflage erschienene Archivführer (Band 17 der Veröffentlichungen des Archivs).

Beck wird sich in seiner Amtszeit der weiteren Erschließung der wertvollen Archivbestände und ihrer Präsentation im Internet zu widmen haben. Die Sicherung der Langzeitverfügbarkeit steht für die Bestände weiterhin auf dem Programm. Zu ihr gehören die bauliche Weiterentwicklung des Standorts ebenso wie wirksame Maßnahmen gegen das bekannte Phänomen des Papierzerfalls. Gänzlich neue Aufgaben, wie überall in der Archivwelt, stellen sich mit der dauernden Sicherung der elektronischen Überlieferung, darunter zahlreiche Datenbanken der verschiedenen Max-Planck-Institute, der elektronische Geschäftsverkehr der Generalverwaltung und nicht zuletzt der Internetauftritt der MPG.

Die feierliche Amtsübergabe fand am 1. Februar 2006 im Lesesaal des Archivs in Anwesenheit des Stellvertretenden Generalsekretärs und weiterer namhafter Persönlichkeiten der MPG sowie zahlreicher Vertreter der Berlin-Brandenburgischen Archivlandschaft statt.

Kontakt:
Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft
14195 Berlin-Dahlem
Boltzmannstraße 14
Tel. 030/8413-3701,
Fax 030/8413-3700
mpg-archiv@archiv-berlin.mpg.de
www.archiv-berlin.mpg.de

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft, Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, Pressemitteilung 1/2006, 31.1.2006

Praxis Archivpflege in Kurhessen-Waldeck

Das Landeskirchliche Archiv Kassel hat die Fachaufsicht über das Archivwesen und die Archivpflege in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Dem Praxisteil „Wie ordne und verzeichne ich ein Pfarrarchiv?“ mit Anleitung, Rechtsquellen und einer Preisliste für archivtaugliches Verzeichnungs- und säurefreies Verpackungsmaterial, das das Archiv (nicht nur) an Kirchengemeinden zum Selbstkostenpreis abgibt, ist deshalb ein konzeptioneller Teil vorangestellt, der Auskunft gibt über die zahlreichen Aktivitäten des Archivs auf dem zentralen Gebiet der Archivpflege. Hier finden sich statistische Auswertungen zu wahrgenommenen Archivpflegeterminen, zu Fortbildungen, die das Archiv seit 1997 regelmäßig für Archivpflegerinnen und Archivpfleger anbietet, zu übernommenen und erschlossenen Pfarrarchivbeständen und zu dem Volumen der vermittelten Restaurierungsaufträge aus Kirchengemeinden.

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Vier historische Karten hat das Landeskirchliche Archiv inzwischen erstellt. Sie erklären die Struktur und Entwicklung der kurhessischen und waldeckischen Kirche seit 1832 und finden sich hier erstmalig zusammen abgedruckt. Die Karten sollen Archivpflegerinnen und -pflegern den Einstieg in die historischen Strukturen der Landeskirche anschaulich erleichtern.

Die vorliegende Broschüre richtet sich an Archivpfleger und Archivpflegerinnen, solche, die es werden wollen, aber auch an die Kirchengemeinden und Kirchenkreise, die Träger der Archive, die nach der Archivpflegeordnung verpflichtet sind, kirchliches Kulturgut zu erhalten, zu sichern und für die kirchliche Arbeit und die Forschung zu erschließen. Das Landeskirchliche Archiv Kassel hilft bei der Erfüllung dieser Aufgaben. Alle Aktivitäten auf dem Gebiet der Archivpflege dienen dem Ziel, kirchliche Identität vor dem Vergessen zu bewahren.

Info:
Bettina Wischhöfer (unter Mitarbeit von Sabine Dietzsch-Uhde, Kerstin Langschied und Ralf Bansmann) Praxis Archivpflege in Kurhessen-Waldeck (Schriften und Medien 20 des Landeskirchlichen Archivs Kassel) , Kassel 2006 
ISBN 3-939017-01-9, 52 Seiten, farbig, 3,- €

Bezug:
Landeskirchliches Archiv Kassel
Lessingstraße 15 A
34119 Kassel
Tel. 0561 / 78876-12
Fax: 0561 / 78876-11
archiv@ekkw.de
www.ekkw.de/archiv

Gescheiterte Entnazifizierung in Bremen 1945-1953

Der Bremer Historiker Hans Hesse hat die Entnazifizierung in Bremen und Bremerhaven untersucht. Fazit seiner Dissertation \“Konstruktionen der Unschuld\“: Mit dem Thema wollte sich damals kein guter Bremer befassen; es gab eigentlich keine Täter. Bremen sei ein Beispiel dafür, dass die "Entnazifizierung in Deutschland weitgehend gescheitert ist", so der Autor des als Band 67 der Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen erschienenen Buches. 

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Gekoppelt an die Ausgabe von Lebensmittelkarten mussten 400.000 Bremerinnen und Bremer ab Mai 1947 die Meldebögen nach dem so genannten \“Befreiungsgesetz\“ ausfüllen. Nach Auswertung von 50.000 Karteikarten und 700 Einzelfallakten habe es in Bremen weitaus mehr Mitläufer und Entlastete als Belastete gegeben. Für die Verfahren vor den Spruchkammern blieben etwas mehr als 16.000 Fälle übrig. 1950 waren es im Lande Bremen nur knapp 1.000 Betroffene, die als Hauptschuldige (25), Belastete oder Minderbelastete eingestuft waren. Die übrigen \“Mitläufer" sahen sich fast immer als unschuldige Opfer.

Zwischen 1950 und 1953 wurden zwar in einer so genannten Abschlussphase noch einmal alle Bremer Fälle der ersten beiden Kategorien – Hauptschuldige und Belastete – untersucht. Aber bis auf drei belastete KZ-Wachmänner, die wegen mehrfachen Mordes zu der Zeit schon eine langjährige Schwurgerichtsstrafe absaßen, wurden auf Vorschlag von Justizsenator Theodor Spitta alle Belasteten zu Mitläufern zurückgestuft. Bürgermeister Wilhelm Kaisen und Theodor Spitta haben 1953 die Akten geschlossen.

Info:
Hans Hesse: \“Konstruktionen der Unschuld. Die Entnazifizierung am Beispiel von Bremen und Bremerhaven 1945-1953\“ (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen; 67), Bremen 2005, 520 S. 30,- Euro ISBN 3-925729-46-1 

Quelle: taz Bremen, 4.2.2006, 27

Uneins über Güstrower Archivnamen

Heinrich Friedrich Carl Benox, der 1884 als städtischer Beamter in der Güstrower Stadtverwaltung angestellt wurde, war als Ratsregistrator und Stadtsekretär ein halbes Jahrhundert im Dienste der Stadt Güstrow tätig. Nebenberuflich vollbrachte Benox außerordentliche Leistungen für das Stadtarchiv, um das er sich auch nach seiner Pensionierung 1932 noch zwei Jahrzehnte lang ehrenamtlich kümmerte. Die von seiner Familie hinterlegten Dokumente sind wichtige Quellen zur Stadtgeschichte und der bürgerlichen Lebensweise der Güstrower Einwohner. 2005 bestückte der Nachlass von Heinrich Benox die Ausstellung "In größter Hochachtung" im Stadtarchiv Güstrow.

Aus dem Ausschuss für Jugend, Schule, Kultur und Sport kam jetzt der Vorschlag, das Güstrower Stadtarchiv zu Ehren von Heinrich Benox mit dessen Namen auszustatten. Dies wurde bei einer Abstimmung im Hauptausschuss der Stadt mit der Begründung abgelehnt, dass es sich beim Stadtarchiv, das nach seiner Auslagerung 1945 im Jahr 1949 wieder eingerichtet und mit Personal besetzt wurde, um eine offizielle Einrichtung einer Behörde handele. \“Es ist ja nicht Herrn Benox‘ Archiv, sondern das der Stadt \“, führte Gerhard Jacob (GWB) aus. Es soll allerdings eine andere Möglichkeit der Ehrung Heinrich Benox‘ gefunden werden. 

Kontakt:
Stadtarchiv Güstrow
Markt 1
18273 Güstrow 
Tel. 03843/769/160, /161 
Fax: 03843/769540 

Quelle: Eckhard Rosentreter, Güstrower Anzeiger, 9.2.2006; Güstrower Stadtanzeiger, Mai 2005, 19

5 Jahre publikumsoffenes Stadtarchiv Neu-Isenburg

Im Isenburger Stadtarchiv lagern nach Auskunft der Isenburger Stadtarchivarin Claudia Lack rund 600 Regalmeter Akten, jährlich kommen rund 5 Meter hinzu. Die ältesten Dokumente stammen vom Anfang des 18. Jahrhunderts, kontinuierlich gesammelt wird seit 1876. Die Dokumente aus den Anfängen Isenburgs lagern im Archiv der Ysenburger Grafen in Büdingen.

Daneben existiert seit seiner Eröffnung am 23. Februar 2001 auch noch das publikumsoffene Stadtarchiv Neu-Isenburg, das zum Stöbern in der Stadtgeschichte einlädt. 1.300 Besucher folgten dieser Einladung seit der Eröffnung vor fünf Jahren. Das Archivteam um Claudia Lack besteht aus vier Helfern, die bei Recherchen, sei es für die Ahnenforschung oder bei wissenschaftlichen Projekten, hilft. Zu den Aufgaben der Helfer gehören neben Recherchen im publikumsoffenen Stadtarchiv auch die Karteiverwaltung, der Ausschnittservice, das Fotoarchiv und die Reihe „Gefunden im Stadtarchiv“. Elf Ausstellungen zu unterschiedlichsten Themen konnten in den vergangenen fünf Jahren zudem erarbeitet und präsentiert werden.

Bei besonderen Engpässen wird die Kernmannschaft von weiteren Archivhelfern aus dem Verein für Geschichte, Heimatkunde und Kultur (GHK) unterstützt. Geht die Recherche einmal tiefer und damit über die archivierten Informationen hinaus, ist Stadtarchivarin Lack gefragt, die dann im Stadtarchiv im Rathaus recherchiert und damit im Bereich, der für Externe nicht zugänglich ist. – Wenn aber das publikumsoffene Stadtarchiv am 14. Februar mit Imbiss und Musik seinen fünften Geburtstag feiert, wird mit vielen Gratulanten gerechnet.

Info: Übersicht über die Ausstellungen:

  • „365 Jahre für meine Stadt“, Uwe Gillig, anlässlich der 300-Jahr-Feier (Dauerausstellung)
  • Glasbilder mit Neu-Isenburger Motiven von Gabriele Trapold (2001)
  • Flugblätter aus dem Dritten Reich (2001)
  • „Essen in Hessen, und schmecke duts“ (2002)
  • Die 50er und 60er Jahre (2002)
  • Teilnahme an der Kunstbandaktion des Kulturbüros in Kooperation mit dem Forum für Kunst und Kultur (2002)
  • „Essen und Trinken in Neu-Isenburg 1699 bis heute“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe Neu-Isenburg kulinarisch-kulturell neu entdecken (2003)
  • „Neu-Isenburg 1933-45“, ein Projekt der Goetheschule in Kooperation mit dem Stadtarchiv (2004)
  • „Genitale Verstümmelungen“ in Kooperation mit dem Frauenbüro (2004)
  • „Watz und Oberlump“, Karneval in Neu-Isenburg (2005)
  • „60 Jahre Kriegsende“, Fotografien von der Ostfront als Mahnung und Appell gegen den Krieg (2005)
  • „Schriftzeichen“, Ausstellung zum Thema Schriften, Wissenswertes über die Geschichte der Schrift (2005)

Kontakt:
Publikumsoffenes Stadtarchiv Neu-Isenburg
Beethovenstraße 55
63263 Neu-Isenburg
Telefon: 0 61 02 / 24 99 11 
claudia.lack@stadt-neu-isenburg.de

Quelle: Frankfurter Neue Presse, 8.2.2006; Stadt Neu-Isenburg, 1.2.2006

Vom Zettelberg zum Historiker-Nachlass

Der Nachlass des Emder Historikers und Lehrers Dr. Friedrich Ritter (1856-1944) wird im Staatsarchiv Aurich erschlossen. Vor rund zehn Jahren gelangten mehrere Umzugskartons, die die in kleinster Handschrift angefertigte und kaum leserliche Zettelsammlung Ritters beinhalteten, als Depositum an das Auricher Staatsarchiv. Zuvor befanden sich die Unterlagen bis zum Krieg im alten Rathaus; sie gelangten dann in den Besitz der reformierten Gemeinde und schließlich in die Emder Johannes a Lasco Bibliothek.

Der in Leer geborene Friedrich Ritter studierte von 1874 bis 1880 Philologie in Göttingen und Straßburg. 1881 wurde er in Göttingen promoviert. Zuvor legte er sein Staatsexamen ab und erhielt die Lehrbefähigung. Noch 1881 kam Ritter in den Schuldienst, von 1882 bis zu seiner Pensionierung 1921 unterrichtete er als Gymnasialprofessor am Emder Wilhelmsgymnasium.  1884 wurde der Junggeselle Ritter Mitglied der Emder "Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer" und führte die Aufsicht über die Sammlungen der Gesellschaft, seit 1889 war er Vorstandsmitglied. In der Nazizeit entfernte man ihn aus diesen Ämtern. 88-jährig starb der Lehrer und Forscher, dessen Leben der Regional- und Lokalgeschichte galt, im April 1944 – noch vor der endgültigen Zerstörung der Stadt. 

Zahllose Interessensgebiete deckt der Rittersche Zettelberg ab, den Archivar Stefan Pötzsch mit Unterbrechungen seit etwa drei Jahren für die Einzelblattverzeichnung sortiert und entschlüsselt. Mittlerweile sind daraus 650 dünne Aktenbände entstanden, ohne dass der Zettelberg bereits gänzlich abgearbeitet wäre. Das Findbuch zum Bestand Ritter (Depositum 87) ist im Staatsarchiv Aurich zugänglich, soll demnächst aber auch ins Internet gestellt werden.

Kontakt:
Staatsarchiv Aurich 
Oldersumer Straße 50
26603 Aurich
Telefon: (04941) 176 660
Fax: (04941) 176 673
Aurich@nla.niedersachsen.de

Quelle: Ina Wagner, Emder Zeitung, 8.2.2006

Braunschweiger Stadtchronik jetzt online

13.000 Einträge zu wichtigen Ereignissen und Personen der Braunschweiger Stadtgeschichte umfasst die Chronik des Stadtarchivs Braunschweig, die jetzt frei geschaltet wurde. Sie ist den städtischen Internetseiten angegliedert. Die Chronik bietet einen schnellen, leicht zugänglichen und umfangreichen Überblick zu den wichtigsten Ereignissen der Braunschweiger Stadtgeschichte und wichtigen Personen aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Sport und Kultur. 

Die Chronik beginnt mit dem Eintrag zur Gründung Braunschweigs 861, vorerst letzter Eintrag ist die Vertragsunterzeichnung zur Übernahme der Aufgabe der Stadtentwässerung durch Veolia am 23. Dezember 2005. Mit der Freischaltung ist die Chronik, die in den 30er Jahren begonnen wurde, erstmals auch vollständig digital erfasst. 

Der städtische Internetauftritt ist damit um ein wichtiges Service- und Rechercheelement reicher. Trotz der großen Menge an Einträgen ist das Angebot übersichtlich; dafür sorgen unterschiedliche Übersichten (Jahrhunderte, Jahre), eine Zeitleiste sowie eine Suchfunktion mit einfacher und kombinierter Suche. Die Einträge sind überwiegend kurz, ähnlich denen von Kalenderblättern. Sie können Ausgangspunkt einer Recherche zu einem bestimmten Ereignis sein oder einen Eindruck geben, welches die wichtigsten Ereignisse in einem bestimmten Jahr waren. Dabei variiert die Zahl der Einträge pro Jahr. In jüngster Vergangenheit sind es jeweils etwa 100. Die Chronik wird vom Stadtarchiv gepflegt und kontinuierlich aktualisiert. 

Bisher konnten die Chronik kostenlos direkt beim Stadtarchiv eingesehen werden. Es gab bereits zum Teil Stichwortregister, die jedoch mit den Möglichkeiten der jetzt vorhandenen digitalen Stichwortsuche nicht vergleichbar sind. Nun ist die Chronik vom heimischen Computer aus zu jeder Zeit einsehbar, und sie bietet eine komfortable, rechnergestützte Volltextsuche. „Dies ist ein Service, den bisher nur wenige Stadtarchive bieten, und der sich an stadtgeschichtlich interessierte Bürgerinnen und Bürger, aber natürlich auch Schüler und wissenschaftliche Institute wendet. Ein Blick ins Internet reicht, um z. B. die einfache Frage zu beantworten, wann Schloss Richmond gebaut wurde“, sagte Fachbereichsleiterin Dr. Anja Hesse. 

Angelegt wurde die Chronik seit den 1930er Jahren von Mitarbeitern des Stadtarchivs. Die bis zum Jahr 1933 aufgenommenen Ereignisse basieren größtenteils auf schriftlichen Belegen in den Beständen des Archivs. Fortlaufend geführt werden die Einträge seit 1934. Meldungen der regionalen Presse, seit 1946 in erster Linie der Braunschweiger Zeitung, bilden hierfür die Grundlage. Bevor die digitale Erfassung der Einträge seit Ende der 90er Jahre begann, wurde zunächst handschriftlich gearbeitet. So lagen acht Bände in analoger Form vor. 

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stadtarchivs haben die Chronik in die über 13 Megabyte große Datenbank übertragen. Webdesign und Datenbank sind als Teil eines Projekts des Beschäftigungsbetriebs der Stadt Braunschweig für Arbeitslosengeld-II-Empfänger entstanden. Bei weiterführenden Recherchen zu den Einträgen der Chronik helfen die Mitarbeiter des Stadtarchivs weiter.

Link: www.braunschweig.de/rat_verwaltung/verwaltung/fb41_4/stadtchronik.html 

Kontakt:
Stadtarchiv Braunschweig
Löwenwall 18B
Postfach 33 09
38023 Braunschweig
Telefon 470-4711 und 470-4719
stadtarchiv@braunschweig.de

Quelle: Stadt Braunschweig – Pressestelle, Meldung vom 6.2.2006

Biberach plant Schließung des Wieland-Archivs

Christoph Martin Wieland, der Begründer des modernen deutschen Bildungsromans und neben Johann Jacob Wilhelm Heinse, Johann Gottlieb Klopstock und Gotthold Ephraim Lessing einer der vier "Vorklassiker", wurde 1733 im Pfarrhaus vom Oberholzheim bei Biberach an der Riß geboren. 1760 wurde er Kanzleiverwalter in Biberach, 1769 Professor für Philosophie in Erfurt. Ab 1772 war Wieland Prinzenerzieher in Weimar, wo er 1813 verstarb.

1905 wurde durch den Biberacher Kunst- und Altertumsverein und durch die Initiative Biberacher Bürger das Wieland-Museum gegründet. Das 1907 als Gedenkstätte für den Dichter Christoph Martin Wieland (1733-1813) eröffnete Museum ging 1972 in das Eigentum der Stadt Biberach über. Das Wieland-Museum beinhaltet u.a. das Wieland-Archiv, das zwei Dauerausstellungen betreut. Derzeit prüft die Stadt Biberach die Schließung ihres Wieland-Archivs und die Übergabe der mehr als 14.000 verwahrten Bücher und Handschriften nach Oßmannstedt bei Weimar.

Oßmannstedt sei ein idealer Ort für das Archiv, da dort im jüngst renovierten ehemaligen Landgut Wielands bereits ein Kolleg eingerichtet wird, das unter anderem die erste kritische Gesamtausgabe seines Werkes herausbringen soll. Zudem wird die Einrichtung, deren Entstehung maßgeblich durch den Hamburger Kunstmäzen Jan Philipp Reemtsma gefördert wird, von der Universität Jena betreut werden. In der Nähe von Biberach gebe es keine Universität mit entsprechendem Forschungsschwerpunkt, so der Biberacher Kulturdezernent Hans-Peter Biege.

Widerstand gegen die Umzugspläne äußerte der Literaturwissenschaftler Wilhelm Hindemith, der der Stadt Biberach vorwarf, sie "verschachere" das Kulturgut ihres bedeutendsten Sohnes. Hingegen machte der Biberacher Kulturdezernent deutlich, dass Wieland in der oberschwäbischen Stadt trotzdem präsent bleiben solle. Es sei geplant, mit dem Erlös aus der Herausgabe der Bücher, Zeitschriften, Sonderdrucke und Handschriften eine Stiftung zu gründen, mit der ein Museum aufgebaut werden soll.

Kontakt:
Wieland-Museum mit Wieland-Archiv
Zeppelinring 56
88400 Biberach an der Riß
Telefon: 07351 51-458 
Fax: 07351 51459 
wieland-museum@biberach-riss.de 
www.wieland-museum.de 

Quelle: Schwabmünchner Allgemeine, 2.2.2006; FAZ, 4.2.2006

Nachlass eines evangelischen Heiligen

Der evangelische Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer wäre am 4. Februar 2006 100 Jahre alt geworden. Die Nazis richteten ihn am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg hin. Sein Nachlass befindet sich seit 1996 im zweiten Stock der Staatsbibliothek zu Berlin in der Potsdamer Straße. In 25 Archivkästen werden Bonhoeffers schriftliche Spuren verwahrt: Schulzeugnisse (\“Religion: sehr gut. Ordnung: mangelhaft\“), handgeschriebene Gedichte, Bewerbungsunterlagen, Postkarten von seinen ausgedehnten Reisen, Vortragstexte und Manuskripte seiner Publikationen, darunter die nicht vollendete \“Ethik\“.

Dietrich Bonhoeffer wurde mit 21 Jahren zum Lic. theol. promoviert, 1930 habilitierte er sich in Berlin als Privatdozent für Systematische Theologie. Vom Beginn des \“Kirchenkampfes\“ an stand Bonhoeffer in der vordersten Reihe der Bekennenden Kirche. Seit Oktober 1933 wirkte er als Pfarrer an zwei deutschen Gemeinden in London. Während der Vorbereitung einer Reise nach Indien zu Gandhi erhielt Bonhoeffer einen Ruf der Bekennenden Kirche und übernahm im April 1935 mit 25 Vikaren die Leitung des in Strohhütten zwischen den Dünen am Ostseestrand von Zingst notdürftig eingerichteten illegalen pommerschen Predigerseminars, das einige Monate später nach Finkenwalde bei Stettin verlegt, 1937 durch Heinrich Himmler aufgelöst, aber erst 1940 von der Geheimen Staatspolizei endgültig geschlossen wurde. 1936 verlor Bonhoeffer seine Lehrbefugnis an der Berliner Universität. Durch seinen Schwager Hans von Dohnanyi (1902-1945) gewann er 1938 Einblick in die Hintergründe der Krise um den Oberbefehlshaber des Heeres und in die beginnenden militärischen Umsturzpläne. Bonhoeffer war von da an über die weitere Entwicklung der Widerstandsarbeit ständig unterrichtet. Mit seinen ausländischen Beziehungen und Erfahrungen stellte er sich der Widerstandsbewegung zur Verfügung, in deren Auftrag er unter Einsatz seines Lebens verschiedene Reisen ins Ausland unternahm. Am 5.4.1943 wurde Bonhoeffer in seinem Elternhaus von der Geheimen Staatspolizei verhaftet, im Herbst 1944 kam er in die Sonderabteilung des Gefängnisses der Geheimen Staatspolizei in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin und von dort in das Konzentrationslager Buchenwald, in dem er bis zum 3.4.1945 blieb. Dann verschleppte man ihn nach Schönberg im Bayerischen Wald und ins Lager Flossenbürg, wo er von einem Standgericht zum Tode verurteilt und gehängt wurde.

Religion ist für Bonhoeffer keine Privatsache gewesen, so bekunden seine Zeitgenossen, sondern etwas, was sich im Zusammenleben mit anderen ereignet – und indem man das Leiden der anderen teilt, auch wenn sie keine Christen sind. Schon im April 1933 hatte Bonhoeffer die Judenverfolgung klar und deutlich verurteilt. Im Frühjahr 1945 hat Eberhard Bethge (1909-2000), der Freund, Vertraute und spätere Biograph Dietrich Bonhoeffers den theologischen Nachlass nach dessen Ermordung unter Mühen gesichert. Nach dem Tod der Eltern Bonhoeffers wurden Bethge auch die verbliebenen Teile der Bibliothek und andere Papiere anvertraut. Auch trug Bethge in seiner lebenslangen Beschäftigung mit Bonhoeffers Werk immer wieder Dokumente zusammen, die den Nachlass bildeten, der heute aus Originalen, Abschriften und Kopien besteht, die mitunter nicht leicht auseinanderzuhalten sind. Eberhard Bethge ging es eher um die inhaltliche Überlieferung als um archivarische Präzision. So geben die Unterlagen immer wieder auch Auskunft über die Geschichte ihrer Edition. Unbekümmert wurde in den Texten redigiert, und die Dokumente wurden von Bethge aus missverstandenem Schutzverständnis in Folien eingeschweißt.

Quelle: Claudia Keller, Der Tagesspiegel, 2.2.2006; FAZ, 4.2.2006; BBKL I (1990), 681-684