Musik und Kultur in westfälischen Landsynagogen

Festival im Rahmen von »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«.

Historisch kostbare Gebäude und eine reichhaltige Geschichte bilden den Rahmen für das Festival „Musik & Kultur in westfälischen Landsynagogen“: In den Sommermonaten 2021 soll mit einer neunteiligen Veranstaltungsreihe an die weithin unbekannte Tradition jüdischen Lebens in Westfalen erinnert werden.


Abb.: Programmheft „Musik & Kultur in westfälischen Landsynagogen“

Geplant sind im Rahmen des bundesweiten Jubiläums „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ neun Veranstaltungen mit Musik, Literatur und Führungen. „Die ehemaligen Landsynagogen sind mehr als bloße Bauwerke“, sagt Festival-Leiter Dr. Manfred Keller: „Sie sind sozusagen Hotspots jüdischer Geschichte, in denen Glaube und Kultur des Landjudentums wieder lebendig werden.“

Das Festival „Musik & Kultur in westfälischen Landsynagogen“ findet zwischen Juni und Oktober 2021 in Borgentreich-Borgholz, Coesfeld, Gronau-Epe und Drensteinfurt sowie in Hagen-Hohenlimburg, Neheim, Selm-Bork und Petershagen statt. Ehrengast der virtuellen Auftaktveranstaltung Anfang Mai ist Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Mitbegründer des Vereins „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Dieser Nachmittag soll zugleich einen Vorgeschmack auf die geplanten acht Halbtagesveranstaltungen bieten. Von Bochum aus werden acht Exkursionen zu jeweils einer der genannten Landsynagogen angeboten. Außerdem würden Teilnehmende aus der Region, insbesondere jüdische Menschen, eingeladen, kündigt Dr. Anja Nicole Stuckenberger, Leiterin der mit veranstaltenden Evangelischen Stadtakademie Bochum, an.

Die Veranstaltungen finden jeweils sonntags zwischen 14 und 18 Uhr statt. „Jeder Termin umfasst ein Konzert und eine literarische Veranstaltung, eine kleine Bewirtung aus der jüdischen Küche und einen Besuch mit Führung in der jeweiligen Landsynagoge“, erläutert Festival-Leiter Keller. Nach Möglichkeit sollen neben der jeweiligen Landsynagoge auch andere „jüdische Orte“ aufgesucht werden. „Zur Planung dieser Programmbausteine arbeiten wir eng mit den Verantwortlichen vor Ort zusammen“, betont Keller. Die ehemaligen Landsynagogen sind in der Pogromnacht 1938 nur deshalb nicht angezündet worden, weil sonst das ganze Dorf gebrannt hätte. Die Nazi-Horden „begnügten“ sich damit, die Inneneinrichtung der jüdischen Gotteshäuser zu demolieren. In der Nachkriegszeit, oft bis in die 1980er Jahre, waren die arg geschundenen Gebäude weithin vergessen. Sie dienten u.a. als Abstellraum, Geräteschuppen oder Fahrradwerkstatt. Mittlerweile sind sie von lokalen Initiativen wieder instand gesetzt und zumeist zu Gedenkstätten umgewandelt worden. „Hier wollen wir mit unserem Festival ansetzen“, erläutert Keller.

Diese kostbaren, im äußeren Bestand nunmehr gesicherten Gebäude sind heute keine Synagogen mehr. Aber das, was im Rahmen des Projekts „Musik & Kultur in westfälischen Landsynagogen“ dort veranstaltet wird, soll nach dem Willen der Veranstalter deutlich an den Urgedanken von Synagoge anknüpfen. Denn: Synagogen hatten und haben bis heute drei Funktionen. Sie sind „Beth ha Knesset“ (Haus der Versammlung), „Beth ha Midrasch“ (Haus des Lernens) und „Beth ha Tefilla“ (Haus des Gebets). An diese dreifache Bestimmung knüpft das Projekt an: Die Veranstaltungen sollen die Landsynagogen als Stätten der Besinnung, der Begegnung und des Lernens erinnern und beleben.

Gleichzeitig soll mit dem Kulturfestival ein Beitrag zur Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus geleistet werden. „Wo jüdische und nichtjüdische Menschen sich begegnen, wo sie ihre Traditionen und ihren ,way of life‘ kennenlernen, wachsen Verständnis und Wertschätzung“, ist Manfred Keller (Foto) überzeugt. „Auf diese Weise möchten wir durch Freude an jüdischer Kreativität in Vergangenheit und Gegenwart und durch das gemeinsame Erleben mit jüdischen Menschen dem Antisemitismus den Nährboden entziehen.“

Das Festival „Musik & Kultur in westfälischen Landsynagogen“ wolle die reiche, aber weithin unbekannte Tradition jüdischen Lebens in Westfalen in Erinnerung rufen, bekannt und erlebbar machen und sie – in den Grenzen des Möglichen – gemeinsam mit jüdischen Partnern auch beleben, erklärt Akademie-Leiterin Stuckenberger.

Das Festival „Musik & Kultur in westfälischen Landsynagogen“ wird von der Evangelischen Stadtakademie Bochum, dem Evangelischen Forum Westfalen und dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe veranstaltet. Das Projekt ist eines von insgesamt 24 Projekten, die von der LWL-Kulturstiftung im Rahmen des Förderschwerpunktes zum bundesweiten Festjahr gefördert wird.

Programm:
Auftaktveranstaltung Online aus der Bochumer Synagoge mit Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Mitbegründer des Vereins 321 –2021:1700 Jahr jüdischen Lebens in Deutschland.

Die Eröffnung des Kultur-Festivals wurde am Sonntag, 11. Juli 2021, über den Video-Kanal des Ev. Kirchenkreises Bochum im Life-Stream übertragen.

Sonntagsveranstaltungen, jeweils 14 bis 18 Uhr
25. Juli 2021 in Petershagen
22. August 2021 in Drensteinfurt
29. August 2021 in Gronau-Epe
12. September 2021 in Selm-Bork
19. September 2021 in Hagen-Hohenlimburg
3. Oktober 2021 in Neheim
10. Oktober 2021 in Borgentreich-Borgholz
24. Oktober 2021 in Coesfeld

Links:

Hinweise zur Covid-19-Pandemie:
Die Corona-Pandemie stellt alle Veranstalter weiterhin vor große Schwierigkeiten. Deshalb steht auch das Festival „Musik & Kultur der in westfälischen Landsynagogen“ unter einem „Corona-Vorbehalt“. Mit allen lokalen Partner ist vereinbart, dass eine räumliche Aufteilung vorgenommen wird: Besuch der jeweiligen Synagoge in Kleinstgruppen und getrennt davon Konzert bzw. Lesung, Gespräch und Bewirtung mit allen Gästen in einem Saal des betreffenden Ortes. „Kirchengemeinden und Kommunen haben uns gastfrei ihre Räume angeboten“, erklärt Festival-Leiter Manfred Keller. Selbstverständlich werden überall die Corona-Schutzverordnungen in der zum fraglichen Zeitpunkt geltenden Form beachtet. Keller: „Zwar sind wir für den Sommer hoffnungsvoll, aber noch weiß niemand, was sein wird. Deshalb wünschen wir uns: Masel tov – Viel Glück!“

Kontakt:
Festival-Leiter Dr. Manfred Keller
Tel. 0234 / 43 05 05
office.stadtakademie@kk-ekvw.de

Quelle: Evangelische Akademikerschaft in Deutschland, Presseinformation: Mehr als bloße Bauwerke. Vergessene Orte jüdischen Lebens in Westfalen, 2021

Brand vernichtet Kapstädter Filmarchiv

Der Großbrand in Kapstadt, der vom Tafelberg ausging und bereits am 18.4.2021 mehrere Hektar Fläche vernichtet hatte, hat auch Teile der am Fuße des Berges gelegenen Universität Kapstadt und einzigartige Archivschätze der 200 Jahre alten Jagger-Bibliothek zerstört. Die Jagger-Bibliothek ist eine der bekanntesten und kostbarsten Bibliotheken Südafrikas sowie des gesamten afrikanischen Kontinents. Zudem fungiert das Haus als eine Art Archiv, denn hier lagern über 1.300 kleinere Sondersammlungen von Manuskripten und Nachlassmaterialien.


Video: Blick in den Lesesaal der zerstörten Jagger-Bibliothek (IOL, Independent Online)

Drei Gebäude der 1829 gegründeten Universität sind schwer beschädigt worden, darunter insbesondere der Lesesaal der „Jagger Library“. Hier wurden rund 85.000 Bücher und Zeitschriften, Manuskripte, Nachlässe und Drucke verwahrt, zudem Ton- und Bilddokumente aus neuerer Zeit. Der Schaden am historischen Bibliotheksgebäude wird auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt, berichtet Suzanne Cords für die Deutsche Welle (DW).

Durch das Feuer werde fortan der Zugang zum Wissen um die Widerstandsbewegung in den Jahren vor dem Machtwechsel in Südafrika 1994 „ausgedünnt sein“, informiert FAZ online: Dies gelte nicht nur für schriftliche Dokumente, sondern auch für Bewegtbilder. Denn das audiovisuelle Archiv umfasste neben etwa 20.000 Filmen und Videos vorwiegend zu Südafrika eine der größten Sammlungen afrikanischer Filme auch zu anderen Regionen des Kontinents. Neben Spielfilmen sowie Sammlungen zu afrikanischen Filmfestivals zählen dazu filmische Dokumente über Künstler sowie rund 3.000 Dokumentarfilme. Ein Großteil des Bestandes des Kapstädter Filmarchivs sei – wie auch andere Medien der Bibliothek – bereits digitalisiert und so zumindest in Kopien gesichert. Im oberen Stockwerk des Gebäudes wurde aber offenbar eine Sammlung mit mehreren tausend historischen Filmdokumenten vernichtet, so FAZ online weiter.

Immerhin waren vor einiger Zeit Brandschutztüren eingebaut worden, die sich automatisch schlossen, so dass nicht alle Materialien in den Archivräumen verbrannten. Zudem waren einige der wertvollen Dokumente zumindest digitalisiert worden. Auf der Basis des digitalen Materials hofft man, zum Beispiel die Sammlung afrikanischer Studien rekonstruieren zu können, wie Verwaltungsdirektorin Ujala Satgoor auf Facebook erklärte. Nichts könne aber „die Magie und die Schönheit eines echten Dokuments in der Hand eines Forschers ersetzen“.

In der Zwischenzeit rief die Digital Preservation Coalition weltweit Akademiker und andere Forscher aus der ganzen Welt auf, die in diesen speziellen Sammlungen gearbeitet und Fotokopien oder Handybilder von Dokumenten gemacht haben, bei der Wiederherstellung und Wiederbeschaffung einiger der verlorenen Aufzeichnungen zu helfen (Global support offered to University of Cape Town Libraries following catastrophic fire).

Links:

Kontakt:
University of Cape Town
Bibliotheken (UCT Libraries)
lib-jagger@uct.ac.za
http://www.lib.uct.ac.za/
http://www.uct.ac.za/main/libraries

Quelle: UCT Libraries: The loss of the Jagger Reading Room: A sad day for UCT Libraries, in: UCT Libraries, 18.4.2021; Suzanne Cords: Buschfeuer vernichtet wertvolle Dokumente in Kapstadt, in: DW Themen / Kultur, 20.4.2021; Robert von Lucius: Bibliotheksbrand in Kapstadt. Zeugnisse des Widerstands, in: FAZ online, 23.4.2021 (aktualisiert); Phando Jikelo und Rudolf Nkgadima: UCT’s gutted Jagger Library, in: IOL, 19.4.2021; Brand in der 200-Jahre alten Jagger Library der University of Cape Town, in: Bibliotheksportal, 21.4.2021; Johannes Saltzwedel: Großfeuer vernichtet einzigartige Dokumente, in: Spiegel Online, 19.4.2021; Brenda Haas: Cape Town fire damages ‚irreplaceable‘ archives, in: DW culture, 20.4.2021; Hakim Bishara: Cape Town Fire Decimates Invaluable Archives of African History, in: Hyperallergic, 20.4.2021; UCT: Updates on Campus Fire

150 Jahre Landesarchiv Schleswig-Holstein

Von der Urkunde bis zur E-Akte.

1870 wurde das preußische Staatsarchiv Schleswig gegründet. Aus diesem Anlass zeigt das Landesarchiv Schleswig-Holstein noch bis zum 28. Mai 2021 die Ausstellung „150 Jahre Landesarchiv Schleswig-Holstein – Von der Urkunden bis zur E-Akte“.


Abb.: 150 Jahre Landes Schleswig-Holstein (Atelier & Werkstatt Bokelmann, Schleswig)

Sie stellt die Aufgaben des Archivs heute, seine Geschichte und die zukünftigen Herausforderungen im Zeitalter der Digitalisierung dar. Das Landesarchiv sorgt dafür, dass die wichtigsten schriftlichen Erzeugnisse aus Verwaltung, Justiz, Politik und Gesellschaft aufbewahrt werden. Die Archivarinnen und Archivare wählen die archivwürdigen Unterlagen aus und stellen sie präzise erschlossen und sorgfältig verpackt für die Nutzung zur Verfügung. Bei Bedarf werden sie auch kundig restauriert.

Die Spannbreite der in Schleswig liegenden Archivalien reicht von der ältesten Urkunde aus dem Jahr 1059 über Papierakten, Karten und Pläne bis hin zu Fotos, Filmen und digitalen Unterlagen. Wichtiger Bestandteil des Landesarchivs ist auch die Bibliothek, die gedruckte Quellen verwahrt und die nötige Forschungsliteratur zur schleswig-holsteinischen Geschichte zur Verfügung stellt. Die Sicherungsverfilmung bewahrt Archivalien auf Mikrofilm, damit diese auch im Katastrophenfall für die Nachwelt überliefert werden. Daneben bietet das Landesarchiv im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit Ausstellungen, Vorträge und Publikationen an.
Vieler dieser Aufgaben sind historisch gewachsen. Georg Hille etablierte das Staatsarchiv als erster Leiter von 1871 bis 1911 in Schleswig im Hattenschen Hof neben dem Dom.

1923 konnte der lang ersehnte Umzug in die Hauptstadt Kiel erfolgen, um die Kooperation mit Regierung und Wissenschaft zu intensivieren. Im „Dritten Reich“ erfuhr die Arbeit im Landesarchiv besondere Aufmerksamkeit: Menschen mussten anhand von Archivquellen nachweisen, dass sie keine jüdischen Vorfahren hatten („Ariernachweise“). Im Zweiten Weltkrieg konnten die meisten Archivalien vor den Bombardierungen gerettet werden, indem sie vor allem in Bergwerke ausgelagert wurden. Das Gebäude in Kiel wurde jedoch zerstört.
Nach dem Krieg wurde das Staatsarchiv 1947 in Landesarchiv umbenannt und fand eine neue Unterkunft in Schleswig im Schloss Gottorf.

Was als Provisorium gedacht war, musste nun für mehrere Jahrzehnte halten. Um das Archiv angemessen unterzubringen, wurde vom Land Schleswig-Holstein das Schleswiger Prinzenpalais aus dem Jahr 1700 angekauft, restauriert und mit einem eigens errichteten archivischen Zweck- und Magazinbau versehen. 1991, also vor 30 Jahren, erhielt das Landesarchiv dort seine neue Bleibe.

Die Zukunft des Landesarchivs Schleswig-Holstein mit ihren zahlreichen Herausforderungen wird im dritten Teil der Ausstellung dargestellt. Im Vordergrund steht die Digitalisierung der Gesellschaft, im Rahmen derer zum Beispiel die Akte aus Papier durch die E-Akte oder digitale Fachverfahren ersetzt wird, sodass neue Wege der dauerhaften Speicherung erforderlich sind.

Von der Urkunde bis zur E-Akte muss das Landesarchiv die Zeugnisse der Vergangenheit heute für die Zukunft bewahren. In der Ausstellung wird anhand von historischen Archivalien ein anschaulicher Einblick in die Gegenwart, die Geschichte und die Zukunft des Landesarchivs Schleswig-Holstein gewährt: Das Urteilsbuch von Herzog Adolf von Schleswig-Holstein-Gottorf, in dem alle Urteile festgehalten sind, die er als oberster Richter seines Landesteils von 1544 bis 1570 gesprochen hat, zeigt beispielhaft, wie wichtig dessen Aufbewahrung im Archiv ist. Ein Gutachten aus dem Jahr 1980 bezeugt die problematische Unterbringung des Landesarchivs im Schloss Gottorf – es bestand Einsturzgefahr! Anhand von Lochkarten und anderen Datenträgern sowie der E-Akte werden die zukünftigen Herausforderungen für das Landesarchiv benannt und oft gestellte Fragen beantwortet.

Geplant war, die Ausstellung von einem breit gefächerten Vortragsprogramm zu begleiten. Aufgrund der aktuellen Situation mussten bzw. müssen jedoch Vorträge entfallen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Ein Flyer gibt einen kurzen Überblick über die Ausstellung und die eigentlich geplanten Veranstaltungen.

Kontakt:
Landesarchiv Schleswig-Holstein
Prinzenpalais
24837 Schleswig
Tel.: 04621 / 8618-00
Fax: 04621 / 8618-01
landesarchiv@la.landsh.de

Quelle: Landesarchiv Schleswig-Holstein, Veranstaltungen, Ausstellung Archivjubiläum; Wikingerstadt Schleswig, Veranstaltungen

Eröffnung des Traunsteiner Stadtmuseums 1923

Folgt man einem vor einigen Wochen im Traunsteiner Tagblatt erschienenen Bericht, dann steht das Traunsteiner Stadtmuseum vor großen Veränderungen.

Abb.: Stadt- und Spielzeugmuseum Traunstein (Foto: Stadtmuseum Traunstein)

Geplant ist sowohl eine Vergrößerung wie auch eine inhaltliche Neukonzeption (Neuplanung). Hier gilt es, langfristig zu denken und sorgfältig zu planen. „Wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen“, so Stadtkämmerer Reinhold Dendorfer, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Heimathaus.

Und als erster Schritt auf diesem langen Weg sollen die gesamten Bestände von einer wissenschaftlichen Fachkraft binnen der nächsten beiden Jahre inventarisiert werden [Traunsteiner Tagblatt, Nr. 40, 18.2.2021, S. 7].

Das Archivale des Monats April des Stadtarchivs Traunstein, eine kürzlich angekaufte Postkarte, zeigt, dass der Zeitpunkt, dieses ehrgeizige kulturelle Projekt anzugehen, auch historisch gut gewählt ist. Denn 2023 jährt sich die Eröffnung des Museums im Heimathaus zum einhundertsten Mal, und was wäre passender, als die Pläne für das nächste ‚Museumsjahrhundert‘ genau dann zu präsentieren?

Der Betrachter allerdings wird sich zu Recht fragen, wie der Verfasser dazu kommt, die im Bild festgehaltene Szene – zwei Honoratioren, die ein Gebäude durch ein Spalier, augenscheinlich gebildet von Teilnehmern des Georgiritts, verlassen – in dieser Hinsicht zu interpretieren.


Abb.: Postkarte: zwei Honoratioren verlassen ein Gebäude durch ein Spalier, augenscheinlich gebildet von Teilnehmern des Georgiritts (Stadtarchiv Traunstein)

Das geht natürlich nur mit Hilfe des nebenstehend zu lesenden Textes: „25.IV.[19]23 – Georgiritt – König Rupprecht und Vater – Austritt vom Heimathaus Traunstein“. An diesem Text ist zunächst einmal einiges falsch. Der Georgiritt findet traditionell am Ostermontag statt, und das war 1923 der 2. und nicht der 25. April. Auch war die Monarchie in Bayern seit fünf Jahren Geschichte, und Rupprecht (1869-1955; links) lediglich der älteste Sohn König Ludwig III., der aber als „Kronprinz“ an seinen Thronansprüchen festhielt. Und leider wissen wir auch nicht, wer diesen Vermerk verfasste und wer somit der „Vater“ (rechts) ist.

Aber: Das richtige Datum ermöglicht es, in den beiden damals erscheinenden Tageszeitungen zu recherchieren. Und dabei wird rasch klar, dass am 2. April 1923 nicht nur die Georgiritter nach Ettendorf zogen, sondern im Gefolge dieses Festtages auch das Traunsteiner Stadtmuseum sich erstmals in neuen Räumen präsentierte.

Während das „Traunsteiner Wochenblatt“ beide Ereignisse nur in einem gewöhnlichen, nicht übermäßig langen und auffälligen Beitrag zusammenfasste, den Besuch des Kronprinzen dabei überhaupt nicht erwähnte und, so gewinnt man den Eindruck, dem neuen Stadtmuseum eher distanziert gegenüberstand [Traunsteiner Wochenblatt, Nr. 76, 3.4.1923, S. 1-2], berichtete die „Oberbayerische Landeszeitung“ in einer Serie von drei aufeinanderfolgenden Artikeln jeweils auf der Titelseite über den „Osterritt und [die] Eröffnungsfeier des Heimathauses Traunstein“ und lieferte vor allem zu Letzterem ein wahre Fülle an Informationen, begleitet von unverhohlener Begeisterung [Oberbayerische Landeszeitung, Nr. 77–79, 3.–5.4.1923, jew. S. 1]. Daraus zwei längere Auszüge (wer gerne ungekürzt in das damalige Geschehen eintauchen möchte, der klicke hier).

In der alten Gaststube zum Zieglerwirt, wo in früheren Zeiten noch viele jetzt lebende Bewohner der Gegend zum frohen Trunke versammelt waren und [die] auch jetzt ihr altes anheimelndes Gepräge noch voll bewahrt hat, hatte sich eine auserlesene Gesellschaft zum Festakt versammelt: Die beiden Herrn Bürgermeister mit der Stadtverwaltung, namentlich Hr. [Franz Xaver] Prandtner und Hr. [Eduard] Leopoldseder, die sich um die Ausgestaltung des Heimathauses besonders verdient gemacht haben, Vertreter des Klerus, die Spitzen der Behörden, Hr. Geheimrat [Dr. Emil] Ehrensberger, Vertreter der Gemeinden, namentlich Hr. Bürgermeister [Bartholomäus] Schmucker von Ruhpolding, der Begründer eines schönen, interessanten Heimatmuseums in seinem Orte, usw. Auch von auswärts waren zahlreiche Festgäste eingetroffen, die der Pflege der Heimatkunst ihre Kräfte widmen, so besonders Hr. Dr. [Georg] Hager, General-Konservator der Kunst-Denkmale und Altertümer Bayerns, Ministerialrat Dr. [Julius] Gröschl, Vorstand des Vereins für Heimatschutz, Generaldirektor [Dr. Otto] Riedner, Vorstand der staatlichen Archive, die Professoren [Friedrich] von der Leyen und [Ernst August] Bertram von Köln, die Professoren Jäger und [Ludwig] Bolgiano von München, Dr. [Franz] Martin, Vorstand der Salzburger Gesellschaft für Landeskunde, Frau Dr. Rohde, welche das städt[ische] Archiv im Heimathaus in mustergültiger Weise geordnet hat, Frl. Irene Peetz, die Tochter des um die Chiemgauer Volks- und Landeskunde hochverdienten ehemaligen Rentamtsmannes von Traunstein [Hartwig Peetz] und besonders der Sohn unserer Stadt, Hr. Apotheker Dr. [Georg] Schierghofer, der Freund des Hrn. Architekten [Josef] Angerer, welcher im Bunde mit ihm der Traunsteiner Heimatforschung und der Ausgestaltung des Heimathauses seine reichen Kenntnisse und besten Kräfte gewidmet hat. Hocherfreut und geehrt aber fühlte sich die ganze Versammlung, als Se[ine] K[öni]gl[iche] Hoheit Prinz Rupprecht in ihrer Mitte erschien, um sein reges Interesse für Heimatkunst und Heimatpflege zu bekunden.
[Oberbayerische Landeszeitung, Nr. 77, 3.4.1923, S. 1]

Und weiter:

Von hoher Warte aus beleuchtete sodann der Fachmann für Museumskunde, Herr Generalkonservator Dr. Hager, die Bedeutung des Heimathauses [Georg Hager (1863-1941), Generalkonservator des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege von 1908 bis 1928; siehe Egon Johannes Greipl, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, publiziert am 26.2.2019; in: Historisches Lexikon Bayerns, 17.2.2021]. Es gäbe große Museen und kleine, die großen müsse man bewundern, die kleinen lieben, denn der Geist der Heimat sei in letzteren lebendig und spreche aus ihnen. Man brauche die großen wie die kleinen; nicht auf die Fülle des reichen Inhalts komme es an, sondern vor allem auf die geistige Schale, mit der man aus dem Gehalt des Museums schöpfe und dessen Inhalt dem eigenen Geist zu Nutze mache. Dann werde man im Kleinen das Große schauen, dann werde man aus den Resten der Vergangenheit den Reichtum des Menschengeistes in Religion, Kunst und Kultur verstehen lernen; auf die Vergangenheit müsse man schauen, dann werde man die Gegenwart begreifen und die Zukunft gestalten können. Aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft setze sich der Wert und die Bedeutung des Museums zusammen. Als Programm für die Pflege des Museums gab er drei inhaltvolle Punkte an: Richtig sammeln, schön gestalten, wahrhaft lebendig machen!
[Oberbayerische Landeszeitung, Nr. 79, 5.4.1923, S. 1]

Abschließend dazu noch ein Blick in Anton Kasenbachers Stadtgeschichte: „Ein wesentlicher Schritt zur Festigung und Repräsentation des Heimatgedankens wurde mit der Stiftung des Heimathauses vollzogen. Das alte Zieglerwirtshaus neben dem Brothausturm war nach dem Gastgeber Georg Ziegler (1691-1712) benannt [gemeint ist hier die Zeit, in der Ziegler die Wirtschaft innehatte]. […] Die Mutter des früh verstorbenen Architekten und Heimatforschers Josef Angerer (1882-1918) vermachte das alte Torwirtshaus im Sinne ihres Sohnes 1919 als ‚Heimathaus‘ durch notariellen Vertrag der Stadt. Auch der Buchnachlass Angerers ging als Grundstock der seither laufend ergänzten ‚Chiemgau-Bibliothek‘ in städtischen Besitz über. An Josef Angerer, der sich auch um den Georgiritt große Verdienste erwarb, erinnern eine steinerne Gedenktafel im Laubengang des Hauses und eine nach ihm benannte Straße in Neu-Traunstein. Brothausturm und Heimathaus, die mit ihrem starken Gemäuer allen Stadtbränden standhielten, stellen das wohl älteste architektonische Denkmal Traunsteins dar. Im Jahr 1888 war es bereits (durch den hiesigen Apotheker Joseph Pauer angeregt) zur Gründung eines ‚Städtischen Chiemgaumuseums‘ gekommen.“ – Die Unterlagen des Historischen Vereins (in: Stadtarchiv Traunstein, hier Nr. 37) präzisieren die Gründungsgeschichte wie folgt: „Das städtische Museum wurde 1882 gegründet und vom Stadtmagistrat nach der Vereinbarung zwischen Magistr[ats-]Vorstand Hofrat und rechtsk[un-digen] Bürgermeister Josef Seufert und Apotheker Josef Pauer hier genehmigt l[aut] Sitzungsbericht vom 3. Juni 1882. Der II. Stock des Rathaus-Rückgebäudes wird ab 1. Nov[ember] 1888 zur Aufnahme des Museums in Stand gesetzt l[au]t Sitz[ungs-]Ber[icht] v[om] 23. und 30. Oct[ober 18]88. Bisher waren die bis jetzt gesammelten Museumsgegenstände in einem Raum im Rathaus-Rückgebäude untergebracht und seit 1. August [18]88 gegen eine Eintrittsgebühr von 20 d [denarii = Pfennig] der allgemeinen Besichtigung zugänglich; am 1. April 1889 sollen die neuen Räumlichkeiten eröffnet werden.“ Hier muss zu gegebener Zeit noch genauer recherchiert werden.

Bei Anton Kasenbacher heißt es weiter: „Zusammen mit seinem Freund [Josef] Köchl versah Pauer diesen Urstock eines Heimatmuseums mit einer beachtlichen Sammlung im Wege von Schenkungen. Nachdem die von der Stadt hierfür bereitgestellten Räume im Rückgebäude des Rathauses die Fülle der Ausstellungsgegenstände nicht mehr aufnehmen konnten, fand das Museum (vor allem dank der Bemühungen Dr. Georg Schierghofers) 1923 im Heimathaus (nach einigen baulichen Veränderungen) eine endgültige und passende Unterkunft. […] 1951 brachte die Stadt Heimathaus und Brothausturm mit Bibliothek und Museum auf Antrag des Historischen Vereins in die staatliche genehmigte öffentliche ‚Stiftung Heimathaus Traunstein‘ ein“ [Kasenbacher, Anton: Traunstein. Chronik einer Stadt in Wort und Bild. Grabenstätt 1986, S. 155-156].

Wie gesagt, was gäbe es Besseres, als 100 Jahre nach seiner Eröffnung ein neues Konzept für das vergrößerte Museum vorzustellen? Richtig sammeln, schön gestalten, wahrhaft lebendig machen – was damals zur Maxime erhoben wurde, sollte auch heute die Richtschnur sein.

Kontakt:
Stadtarchiv Traunstein
Stadtplatz 39
83278 Traunstein
Tel.: 0861 / 65-250 und 0861 / 65-287
Fax: 0861 / 65-201
franz.haselbeck@stadt-traunstein.de

Postanschrift:
Stadtverwaltung Traunstein
Stadtarchiv
83276 Traunstein

Quelle: Stadtarchiv Traunstein, Archivale des Monats April 2021

Das Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (ZADIK)

Das Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (ZADIK) ist das weltweit einzige Spezialarchiv zur Geschichte des Kunstmarkts. 1992 wurde es als Zentralarchiv des deutschen und internationalen Kunsthandels vom Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) in Form eines gemeinnützigen Vereins gegründet. Ende 2014 wurde das ZADIK An-Institut der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln.

Mit Beginn des Jahres 2020 wurde das ZADIK als selbstständiges wissenschaftliches Institut der Philosophischen Fakultät in die Universität zu Köln eingegliedert.


Abb.: Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (Foto: ZADIK)

Bestände

Das ZADIK sammelt und bewahrt die Archive bedeutender Galerien, Kunsthandlungen und Auktionshäuser, von Verbänden, Messen, privaten Ausstellungsinstitutionen, Sammlerinnen und Sammlern, Kuratorinnen und Kuratoren, Kunstkritikerinnen und Kunstkritikern, Fachfotografinnen und -fotografen (Bestandsliste).

Tektonik

A: Galerien, Kunsthandlungen, Editionen etc. (107 Bestände)
C: Verbände, Messen, private Ausstellungsinstitutionen (14 Bestände)
E: Sammler (8 Bestände)
G: Kurator(inn)en und Kritiker(innen) (23 Bestände)
H: Fotograf(inn)en (16 Bestände)

Forschung

Das ZADIK arbeitet als forschendes Archiv, indem es seine Bestände nicht nur bestmöglich erschließt und zugänglich macht, sondern auch durch eigene Initialforschung die Potentiale und Fragestellungen, die sich aus den Dokumenten ergeben, deutlich macht und damit Impulse für eine tiefere Erforschung und Auseinandersetzung an ForscherInnen, KuratorInnen und KünstlerInnen gibt. Die Ergebnisse werden im Rahmen der eigenen Zeitschrift sediment – Materialien und Forschungen zur Geschichte des Kunstmarkts publiziert und über dokumentarische Ausstellungen für ExpertInnen und alle Interessierten präsentiert. Einen wichtigen Teil der Forschung im ZADIK macht auch die Provenienzforschung aus, da das ZADIK hierzu einige wesentliche Archive besitzt. In Projekten werden auch die Studierenden in die Forschung einbezogen, und die Archivdirektion betreut Studierende bei Bachelor-, Master- und Dissertationsprojekten.

Lehre

Seit 2003 bietet das ZADIK Lehrveranstaltungen am Kunsthistorischen Institut der Universität zu Köln an. In unterschiedlichen Formaten – Übungen, Seminaren, Vorlesungen – wird ein Beitrag geleistet, die Geschichte des Kunsthandels in die Allgemeine Kunstgeschichte zu integrieren und herausgearbeitet, wie all jene Agierende des Kunstmarktes maßgeblich zu der Entwicklung moderner und zeitgenössischer Kunst beigetragen haben. Dies geschieht insbesondere im Rahmen des Schwerpunktmoduls Kunstmarkt im Einfach-Masterstudiengang Kunstgeschichte (vgl. auch: Kooperationen).

Das ZADIK versteht sich als Lehrlabor: Vor Ort in den Räumen des Archivs arbeiten die Studierenden mit Archivalien, werden an diesen in der Quellenkunde zur Kunst geschult und entwickeln gemeinsam praxisbezogene Projekte (z.B. dokumentarische Ausstellungen). Hierbei ist die Lehre stets der Philosophie des Forschenden Lehrens und Lernens verpflichtet. Mit der Überführung des ZADIK in die Universität zu Köln soll die Lehre auch in Kooperation mit anderen Disziplinen und in Anknüpfung an dortige Fragestellungen erweitert werden.

Link: Beständeübersicht des ZADIK im Archivportal-D

Kontakt:
Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung ZADIK
Im Mediapark 7
50670 Köln
Tel.: 0221 / 470-89230
info@zadik.info

Quelle: Archivportal-D, Aktuelles, 12.04.2021

Doppeltes US-Jubiläum in Neu-Ulm

70 Jahre Ansiedelung US Militär – 30 Jahre Abzug.

Die Stadt Neu-Ulm war über viele Jahre hinweg geprägt von der Stationierung des US-Militärs. In diesem Jahr steht ein Doppeljubiläum an: 2021 jährt sich die offizielle Ansiedlung der Streitkräfte im Jahr 1951 zum 70. Mal und der Abzug im Jahr 1991 zum 30. Mal. Dies nimmt das Stadtarchiv Neu-Ulm zum Anlass, mit einer Jubiläumswoche vom 25. Juli bis zum 1. August 2021 auf die Zeit aufmerksam zu machen, in der der amerikanische „Way of life“ das Stadtbild geprägt hat.


Abb.: Wiley Barracks (Quelle: Stadtarchiv Neu-Ulm)

Aufgrund der aktuellen Lage wird es voraussichtlich keine zentrale Großveranstaltung geben. Stattdessen möchten die Leiterin des Stadtarchivs Neu-Ulm, Dr. Larissa Ramscheid, und ihr Stellvertreter Peter Liptau allen Bürgerinnen und Bürgern im Rahmen der Jubiläumswoche interessante Einblicke in die Zeit zwischen 1951 und 1991 geben.

Das Herzstück bildet eine digitale Ausstellung. Zudem soll es auch eine Broschüre geben, die die Geschichte der US-Standorte in der Stadt erläutert. Geplant ist zudem die Aufstellung mehrerer Stadtgeschichts-Stelen im Sport-und Freizeitpark Wiley.

In Kooperation mit der vh Ulm wird es außerdem eine Podiumsdiskussion geben. Darüber hinaus konnte das Theater Luftschloss als Partner gewonnen werden, um Interviews mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu führen. Auf deren Grundlage soll ein Theaterstück kreiert werden.

Die Zeitzeugenberichte fließen darüber hinaus auch in die digitale Ausstellung ein und werden im Stadtarchiv Neu-Ulm für die Zukunft aufbewahrt. – Um die Ausstellung so authentisch wie möglich zu gestalten, ist das Stadtarchiv ab sofort auf der Suche nach Materialien, die an die Zeit der Amerikaner in Neu-Ulm erinnern, aber auch an die Zeit nach dem Abzug, in dem die ehemaligen US-Areale zunächst unterschiedlichen Zwischennutzungen gewidmet wurden. „Wir suchen nach allem, was in irgendeiner Art und Weise in Verbindung mit den Amerikanern in Neu-Ulm steht. Egal, ob nun alte Fotos, persönliche Anekdoten, Aschenbecher oder Gläser aus dem ehemaligen Offizierscasino, ein altes Schild oder ein Kassenbon aus dem US-Supermarkt am Allgäuer Ring: Wir freuen uns über alles, wodurch die Öffentlichkeit mehr über diese besondere Zeit in unserer Stadt erfahren kann“, erläutert Dr. Larissa Ramscheid.


Abb.: Erste Hilfe-Kasten aus amerikanischen Armeebeständen (Stadtarchiv Neu-Ulm)

Bürgerinnen und Bürger, die Materialien für die Aktionswoche und die Ausstellung beisteuern können und möchten, können sich ab sofort bis einschließlich 30. Juni 2021 beim Stadtarchiv Neu-Ulm melden. „Wir würden uns sehr freuen, wenn möglichst viele in ihren Schränken, im Keller oder auf dem Dachboden nach Überbleibseln aus den Jahren 1951 bis 1991 suchen würden. Je mehr unterschiedliche Zeitzeugen-Objekte, Fotos oder andere Dinge aus den ehemaligen US-Beständen wir erhalten, desto lebendiger wird die Ausstellung und desto lebendiger auch der Einblick in 40 Jahre Neu-Ulmer Stadtgeschichte und darüber hinaus“, sagt Peter Liptau und fügt hinzu: „Die Besitzer erhalten ihre Materialien nach dem Jubiläum selbstverständlich wieder zurück, sofern das gewünscht ist“.

Unterdessen laufen die Planungen für die Jubiläumswoche hinter den Kulissen auf Hochtouren. Um die Zeit bis Juli etwas zu verkürzen, wird es auf dem städtischen Facebook- und Instagram-Kanal regelmäßig Beiträge und Fotos zur Zeit der US-Amerikaner in Neu-Ulm geben.

Kontakt:
Stadtarchiv Neu-Ulm
Dr. Larissa Ramscheid
Augsburger Straße 15
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Quelle: Stadt Neu-Ulm, Aktuelles, 15.04.2021; Stadtarchiv Neu-Ulm, 70 Jahre Ansiedlung US Militär – 30 Jahre Abzug der Amerikaner

Ehrenbürgerurkunde des Architekten und Bruchsaler Ehrenbürgers Fritz Hirsch

Mit einer digitalen Ausstellung wollen Stadtarchiv Bruchsal und Städtisches Museum im Barockschloss Bruchsal anlässlich seines 150. Geburtstags an den Architekten und Bruchsaler Ehrenbürger Fritz Hirsch (1871-1938) erinnern und verschiedene Aspekte seiner Persönlichkeit beleuchten. Anhand ausgewählter Archivalien und Exponate werden seine Biographie sowie sein Schaffen in der Stadt und der Region näher vorgestellt. Hierzu gehören sein Wirken als Bauingenieur und Schlosserneuerer, aber auch sein Leben als Familienmensch sowie seine Einordnung als Ehrenbürger Bruchsals.


Abb.: Der Architekt und Bruchsaler Ehrenbürger Fritz Hirsch posiert im sommerlichen Leinenanzug und mit Pfeife im Garten (Foto: Stadtarchiv Bruchsal)

Als Archivale des Monats April 2021 hat deshalb das Stadtarchiv Bruchsal die Ehrenbürgerurkunde ausgesucht, die Fritz Hirsch im Jahr 1922 von der Stadt Bruchsal verliehen wurde.


Abb.: Ehrenbürgerurkunde von Fritz Hirsch (Foto: Stadtarchiv Bruchsal)

Verschlungene Wege führten diese Ehrenbürgerurkunde zurück nach Bruchsal. Ein Austauschstudent aus Karlsruhe bekam sie Ende der 1990er von seiner Gastfamilie in den USA geschenkt und überließ sie nach seiner Rückkehr ohne Vergütung dem Stadtarchiv Bruchsal.

Das Triptychon des Künstlers Ludwig Barth geht auf die Leistung Hirschs als Renovator des Bruchsaler Schlosses ein und zeigt neben dem gesamten Schlossareal auch Szenen aus dem ursprünglichen Schlossbau unter den Bischöfen von Speyer. Neben Bruchsal verlieh auch die Stadt Schwetzingen dem in der gesamten Region tätigen Renovator Fritz Hirsch die Ehrenbürgerwürde. Die Universität Freiburg ernannte ihn zum Ehrensenator.

Hirschs Karriere endete abrupt: 1933 wurde ihm der Lehrauftrag an der Technischen Hochschule in Karlsruhe entzogen und im Zuge des irreführend betitelten „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, mit dem jüdischen und politisch missliebigen Beamten die Existenzgrundlage entzogen wurde, folgte die Entlassung aus allen Ämtern.

Mehr erfährt man über das Leben von Fritz Hirsch und seine Leistungen als Schlossrenovator auf der Seite „Grüße vom Schloss Bruchsal“. Dort stellen Stadtarchiv Bruchsal und Städtisches Museum im Barockschloss Bruchsal den Ehrenbürger der Stadt Bruchsal mit vielen weiteren Archivalien und Exponaten vor.

Friedrich (Fritz) Hirsch wurde am 21.4.1871 in Konstanz geboren. Seine Eltern mosaischer Abstammung, hatten sich vom jüdischen Glauben getrennt, der Sohn wird im Geburtsregister als evangelisch geführt. Fritz Vater war Kaufmann, seit 1875 Stadtverordneter und von 1876-1882 Präsident der Handelskammer. Nach dem Abitur 1889 studierte Fritz das Baufach in Karlsruhe, München und Heidelberg.

1905 wurde Hirsch zum Bezirksbauinspektor in Bruchsal berufen. Mit Ehefrau und Stieftochter zog er in das Kavaliersgebäude des dortigen Schlosses. In ihren Memoiren beschreibt die spätere Schauspielerin Anneliese Born ihre Kindheit im Schlosspark und der Bruchsaler Schule. Ob sie auch das Mädchen ist, das auf der Sphinx des Bildhauers Heinrich Ehehalt sitzt, die Fritz Hirsch vor seinem Haus aufstellen ließ und die die Büste seiner Ehefrau trägt, ist nicht bekannt; ihren Memoiren nach, in denen sie vom pietätlosen Herumturnen auf den barocken Statuen des Bruchsaler Schlossparks schreibt, jedoch nicht abwegig. Die Statue stand später bis zur Zerstörung im März 1945 im Schlossmuseum.


Abb.: Sphinx des Bildhauers Heinrich Ehehalt (Foto: Stadtarchiv Bruchsal)

Fritz und Annas Sohn Peter, 1939 in die USA emigriert, besuchte Jahre später anlässlich des 100. Jubiläums des von seinem Vater entworfenen Fürst-Stirum-Krankenhauses seine Geburtsstadt. Bereits in den 1950er Jahren hatte er der Stadt Fotografien zukommen lassen, um im Krieg zerstörte Objekte zu ersetzen.

Fritz Hirschs Architektenkarriere verlief alles andere als geradlinig. Nach der Ausbildung in Süddeutschland ging er für einige Jahre als Lehrer für Baugewerke in den Norden, bevor er als Baupraktikant zurückkehrte. 1905 wurde er Bauinspektor in Bruchsal. Neben seiner Hauptaufgabe, der Schlossrenovierung, war er für viele weitere Renovierungs- und Bauprojekte verantwortlich wie beispielsweise für das alte Schulhaus in Obergrombach.


Abb.: Altes Schulhaus Obergrombach (Foto: Stadtarchiv Bruchsal)

Schon früh betätigte sich Fritz Hirsch auch publizistisch. Neben kunstgeschichtlichen und architekturwissenschaftlichen Texten und Bildbänden engagierte er sich auch im Bereich Heimatgeschichte. Während seiner Zeit in Bruchsal veröffentlichte er immer wieder Beiträge in den Beilagen der Bruchsaler Zeitung; so 1912 den Aufsatz „Was die Turmspitze der Bruchsaler Stadtkirche zu erzählen weiß“, nachdem bei dortigen Umbauarbeiten alte Urkunden in einer Blitzableiterkugel entdeckt wurden. Doch nicht alle Projekte stießen in der Fachgemeinschaft auf Gegenliebe. Der Landesverband Baden des Bundes Deutscher Architekten kritisierte offen seine Ausrichtung der Denkmalpflege, insbesondere die offensive Farbwahl für renovierte Gebäude. Nicht auszuschließen, dass hier bereits antisemitische Motive eine Rolle spielten, die 1933 zuerst zur Entziehung seines Lehrauftrages an der Technischen Hochschule in Karlsruhe führten.

Die Renovierung des Bruchsaler Barockschlosses stellte Hirsch – wie auch bei der Sanierung anderer Bauten – auf das Fundament eines sorgfältigen und bauhistorisch grundierten Quellenstudiums, wodurch er Aufbau und Wesen eines Bauwerks zu erfassen suchte. Zwischen den Jahren 1900 bis 1909 wurde Schloss Bruchsal zunächst unter Emil Lang und ab 1905 durch Fritz Hirsch für insgesamt 1 Million Mark wieder in Stand gesetzt.


Abb.: Schlusssteinversetzung der Schlossrenovierung von 1912 (Foto: Stadtarchiv Bruchsal)

In diesem Rahmen erschien 1910 im Verlag der Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung in Heidelberg eine großformatige Publikation über das Bruchsaler Barockschloss und seine Renovierung. Im Vorwort bezeichnet das Grossherzogliche Ministerium der Finanzen – Herausgeber des Werks – seinen Autor Hirsch als den „wohl besten Kenner des Bruchsaler Schlosses“.


Abb.: Front der 52x43cm großen Publikation von Fritz Hirsch über das Bruchsaler Schloss (Foto: Städtisches Museum Bruchsal)

Der Foliant im Jugendstil wird auch als „Hirsch-Mappe“ bezeichnet und beinhaltet circa 80 großformatige, teils farbige Abbildungen sowie eine Abhandlung über die Baugeschichte und Architektur des Gebäudes. Vor allem durch diese Bebilderung des Zustandes von Schloss Bruchsal vor den beiden Weltkriegen und der damit verbundenen Zerstörung stellt das Werk bis heute eine reiche Quelle an Eindrücken dessen dar, wie die Anlage samt Innenräumen ausgesehen hat. Im begleitenden Text thematisiert Hirsch die Geschichte der Bruchsaler Residenz und führt chronologisch und durch ausgiebige Literaturrecherche bestens belegt durch die einzelnen Bauperioden des Schlosses unter Fürstbischof Schönborn und seinen Nachfolgern. Sein technisches Verständnis sowie sein umfassender Blick auf diese Thematik ergeben eine detaillierte Einsicht in die Baugeschichte dieses Bruchsaler Barockgebäudes. So erfährt man beispielsweise, dass für den Rohbau zunächst kaum Baumaterial aus anderen Regionen nötig war, da der verwendete Kalkbruchstein direkt vom Steinsberg hinter dem Schlossgebiet abgebaut werden konnte. Weiterhin thematisiert Hirsch die Arbeit verschiedener Baumeister, darunter Balthasar Neumann, sowie die Entwicklung der Gestaltung der Innenräume und deren Ausbau unter Fürstbischof Hutten.

Aber auch die Kosten für den Schlossbau sowie eine kunstgeschichtliche Einordnung des Schlosses in die Epochen des Barock und Rokoko finden Eingang in Hirschs Dokumentation. Letztlich thematisiert er den Schlossgarten und Schönborns Bemühung um denselben. So bestellt dieser im Februar 1724 „allerhandt bluhmensahmen, zwieffeln u. pflanzen“, außerdem „500 bommeranzen und Citornen“ für die Anlage.

Entstanden ist eine detaillierte und kompetente Beschreibung des Bruchsaler Barockschlosses, die das Bauwerk aus vielfältigen Perspektiven erforscht und dokumentiert. Beinahe minutiös wird so die Entwicklung des Baus nachvollziehbar, weshalb Hirschs Werk bis heute eine wichtige Quelle hinsichtlich Architektur und Innengestaltung von Schloss Bruchsal darstellt.

Kontakt:
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76646 Bruchsal
Tel.: 07251 / 79-708
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Postanschrift:
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76613 Bruchsal

Quelle: Stadtarchiv Bruchsal, Archivale des Monats April 2021Ostergruß von Stadtarchiv und Städtischem Museum Bruchsal

Initiative will die Museumspädagogik am Schloss Horst retten

Nachdem die Stadt Gelsenkirchen die Museumspädagogik in ihrem Museum Schloss Horst viele Jahre lang dem Förderverein des Schlosses überlassen hat, steht sie nun vor der Situation, dass der Förderverein durch einen Vorstandswechsel und eine damit einhergehende Neuausrichtung die Verantwortung hierfür abgibt und die Verträge zweier Mitarbeiter, die beim Förderverein angestellt sind, aber von der Stadt bezahlt werden, zum 30.6.2021 gekündigt hat.


Abb.: Schloss Horst (Luftbild, Förderverein Schloß Horst e.V.)

Damit verliert auch der langjährige Mitarbeiter in der Museumspädagogik seine Arbeit: Der Historiker Benjamin Bork hat die bestehende Dauerausstellung mit aufgebaut. Im Bereich der Museumspädagogik hat er sich vor allem für die beliebten Kindergeburtstage und kreativen Ferienprogramme durch die Entwicklung eigener Konzepte und die Schulung von freien Mitarbeitern engagiert.

Obwohl weiterhin Bedarf an seiner museumspädagogischen Tätigkeit besteht, bietet die Stadtverwaltung dem knapp 13 Jahre lang dort tätigen Bork keinerlei Perspektive und reagiert reserviert auf dessen Bitten um Abhilfe. Doch obwohl es zuvor stets hieß, die Stadt Gelsenkirchen könne und dürfe eine Planstelle für das museumspädagogische Arbeitsfeld gar nicht schaffen, will sie nunmehr dennoch die Ausschreibung einer solchen Stelle prüfen, und zwar – wie es wohl von der Oberbürgermeisterin hieß – zunächst verwaltungsintern. Darauf könnte sich der derzeitige Museumspädagoge Benjamin Bork aber nicht einmal bewerben. Und selbst im Falle einer externen Ausschreibung mutet es grotesk an, dass ein langjähriger und erfolgreicher Mitarbeiter seine Eignung für ebendiese Tätigkeit gegen Mitbewerber unter Beweis stellen müsste.

Der Historiker Benjamin Bork im Dienst der Museumspädagogik von Schloss Horst (Foto: privat)

Derzeit setzt sich eine Petition für die Fortsetzung seiner Tätigkeit und die weitere Sicherung der erfolgreichen Museumspädagogik im Schloss Horst ein (Petition: „Erfolgreiche Erlebnisbildungsangebote sichern; Rettet die Museumspädagogik Schloss Horst“). Auch die WAZ Gelsenkirchen hat den Fall und die Petition bereits in ihrer Berichterstattung aufgegriffen (Artikel von Christiane Rautenberg: „Petition: ‚Skandalöser Umgang‘ mit Schloss Horst-Mitarbeiter“; WAZ, 25.3.2021).

Die bis in das 12. Jahrhundert zurückreichende Burgengeschichte Horsts kann dank archäologischer Grabungen im Schlosshof mehrere Bauphasen nachzeichnen. Eine hölzerne Wehranlage wurde um 1170/80 als zwei- oder mehrteilige Anlage mit der Hauptburg auf einem künstlich aufgeworfenen Hügel errichtet. Nach einer Zerstörung durch einen Brand 1215 ersetzte man die hölzerne Palisade am Hügelfuß durch eine Ringmauer aus Stein und erhöhte den Hügel bei geringerem Grundriss um wenigstens anderthalb Meter. Die darauf errichtete Bebauung bestand nun lediglich aus einem in Bruchstein aufgemauerten Wohnturm. Bis in das 16. Jahrhundert hinein erweiterte man diesen Wohnturm und fügte einen Kloakenanbau an, der in die Gräfte (Wassergraben) entsorgte. Weitere Gebäude kamen hinzu, nach Süden über den Burghügel hinaus zum Teil auf Pfahlrosten in die Gräfte hineingebaut. Der Ministerialadlige Rutger von der Horst (1519-1582), später Amtmann im kurkölnischen Rheinberg, setzte ab 1554 Neubaupläne als Ausdruck eines neuen individuellen Selbstbewusstseins um. Der ungeeignete Baugrund in der Emscherniederung mit einer Vielzahl kleiner Bachläufe und Gräben trug jedoch ebenso zum baldigen Verfall des Bauwerkes bei wie die unzureichende Fundamentierung des Schlosses. Hinzu kam eine wechselnde Erbfolge nach Rutgers Tod. Selbst umfangreiche Reparatur- und Sanierungsarbeiten der Familie von Fürstenberg, die 1706 die Herrlichkeit nebst Schloss gekauft und letzteres bis 1988 in Besitz hatte, konnten den immer rascher fortschreitenden Verfall nicht aufhalten. Kurz vor 1830 stürzte beispielsweise der Westturm am Hofzugang ein und riss den westlichen Teil des Nordwestflügels mit. Die Reste des Turmes scheinen daraufhin gänzlich beseitigt worden zu sein. Die offene Flanke des Gebäudes schloss man mit einer schlichten Fassade und ordnete dementsprechend die baulichen Verhältnisse im Innern. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts blieben von der ehedem stolzen Anlage lediglich der größte Teil des Eingangsflügels in ursprünglicher Höhe, nicht einmal das gesamte Sockelgeschoss und nur ein Saal im Erdgeschoss des sog. Herrenhauses (Hauptflügel) erhalten. 1925 wurde das Untergeschoss des Schlosses zu einem Restaurant ausgebaut, das bis 1929 um Garten- und Terrassenanlagen, einen Ruderbootbetrieb in der Gräfte und eine gastronomische Nutzbarmachung des Rittersaals und des Nordturmsockels erweitert wurde. Diese „Volkserholungsstätte“ wurde zu einem beliebten Ausflugsziel, dessen wirtschaftlicher Erfolg bis in die 1950er Jahre anhielt. Mitte der 1970er Jahre reduzierte sich die gastronomische Nutzung auf eine Diskothek im Sockelgeschoss. Der Verfall nahm zu. Angesichts des nun drohenden endgültigen Verfalls gründeten 1985 Horster Bürger den Förderverein Schloß Horst e.V., um das Schloss zu retten. 1988 ging das Gebäude in den Besitz der Stadt Gelsenkirchen über und eine sinnvolle, denkmalgerechte Nutzung wurde gefunden. Mit dem Um- und Neubau des Schlosses wurde Prof. Jochem Jourdan (Frankfurt) betraut. Ihm gelang es, nach Maßgabe der Denkmalpflege historische Bausubstanz unverfälscht zu erhalten und mit modernen Bauteilen zu einem harmonischen Ganzen ästhetisch zu verbinden. Im August 1999 wurde es als städtisches Kultur- und Bürgerzentrum wieder eröffnet, das Raum für Kulturveranstaltungen bietet und unter seinem Dach das zentrale Standesamt der Stadt Gelsenkirchen sowie ein Restaurant beherbergt.

Digitale Führung: Erlebnismuseum Schloss Horst (YouTube)

Schloss Horst wird heute auf verschiedene Weise genutzt (u.a. als Standesamt oder als Standort des Museumsfestes GAUDIUM). Das Erlebnismuseum Schloss Horst vermittelt auf verschiedenen Ebenen das Leben und Arbeiten im Zeitalter der Renaissance am Beispiel eines westfälischen Adelssitzes des 16. Jahrhunderts: Auf der Schlossbaustelle von 1565 im Untergeschoss können die Arbeitsplätze der Handwerker, das Haus des Baumeisters, Gerüste und Hinterhöfe spielerisch entdeckt werden. Anfassen erwünscht! Im oberen Bereich folgt ein Rundgang durch den alten Emscherbruch, Heimat wilder Pferde, wo die Ursprünge des heutigen Schlosses liegen. Zuletzt gibt das Arbeitszimmer des Schlossherrn Rutger von der Horst Einblick in die Welt des Adels. Das Erlebniskonzept und sinnvoller Medieneinsatz (Audioguides, Filmeinspielungen und Infomonitore) machen das Museum Schloss Horst zu einem besonderen außerschulischen Lernort im Herzen des Ruhrgebiets.

Kontakt:
Erlebnis-Museum Schloss Horst
Turfstraße 21
45899 Gelsenkirchen

Stadt Gelsenkirchen
Referat Kultur
Telefon +49 (209) 169-6163
Telefon +49 (209) 169-6159
Fax: +49 (209) 169-6130
schloss.horst@gelsenkirchen.de

Förderverein Schloss Horst e.V.
Telefon +49 (209) 516622
Telefax +49 (209) 513804
foerderv@gelsennet.de

Quelle: openPetition (Rettet die Museumspädagogik Schloss Horst), 17.3.2021; WAZ Gelsenkirchen, 25.3.2021; Stadt Gelsenkirchen: Geschichte des Schlosses Horst, o.D.; Stadt Gelsenkirchen: Erlebnis-Museum Schloss Horst, o.D., Museum.de: Schloss Horst.

Crailsheimer Schadensplan dokumentiert Kriegsschäden

»Die ganze Innenstadt war ein einziger Trümmerhaufen«.

Im Stadtarchiv Crailsheim gibt es eine umfangreiche Karten- und Plansammlung. Ein Plan der Stadt Crailsheim ragt dabei besonders heraus, er zeigt den Grundriss der Innenstadt östlich der Jagst. Rechts und links der beiden Hauptstraßen, der Langen Straße und der Karlstraße, stehen die Häuser dicht an dicht. Kleine schiefe Gässchen führen zu den größeren Plätzen, zum Markt- und zum Schweinemarktplatz, zum Kirchplatz, Karlsplatz und Schlossplatz. An letzterem ist noch die Vierflügelanlage des Crailsheimer Schlosses zu sehen. Der Plan zeigt somit das alte Crailsheim, das mittelalterliche fränkische Städtchen, das nach Meinung von zeitgenössischen Städteplanern „ein abgerundetes, gutes Stadtgebilde in der Art der Städte Dinkelsbühl oder Nördlingen“ war.

Doch dieses Crailsheim gab es zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr: Der Plan ist einer von mehreren Plänen des Stadtarchivs Crailsheim, auf denen unmittelbar nach der Zerstörung der Stadt in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges die Kriegsschäden dokumentiert wurden. In seiner unbedarften Buntfarbigkeit vermittelt er dem Betrachter erst auf den zweiten Blick die ganze traurige Wirklichkeit: Die Legende zeigt, dass alles, was gelb markiert wurde, total zerstört war, orangefarbig markierte Häuser waren schwer zerstört, leicht- bzw. unbeschädigte Gebäude waren mit den Farben rot und braun gekennzeichnet.


Abb.: Schadensplan der Stadt Crailsheim, Maßstab 1: 2500, 75 x 58 cm (Stadtarchiv Crailsheim)

So ist sehr gut zu sehen, dass die braun markierten Gebäude der unteren Wilhelmstraße und der Spitalstraße fast keine Schäden zu verzeichnen hatten. Der Bereich dazwischen, die komplette historische Altstadt also, wurde gelb bzw. orange markiert: total oder schwer zerstört. Abgesehen von den Gebäuden rund um die Johanneskirche waren nur zwei weitere Gebäude in der Stadt unversehrt geblieben. Crailsheim war damit im Innenstadtbereich zu 95 Prozent dem Erdboden gleichgemacht. Die einzelnen Strukturen der Gebäude waren praktisch nicht mehr zu erkennen. Ein Leben war in der Stadt kaum mehr möglich. Zeitzeugin Marie Wohlmann hielt in ihrer Familienchronik fest: „Es herrschten wahrhaft chaotische Zustände in der Stadt. Die ganze Innenstadt war ein einziger Trümmerhaufen, von den Brandbomben stieg der Rauch noch lange aus den Ruinen hoch, und der Brandgeruch lag noch wochenlang über der Stadt.“

Die Zerstörung der Stadt hatte sich über mehrere Wochen hingezogen. War Crailsheim zunächst noch einigermaßen vom Kampfgeschehen verschont geblieben, gab es am 2. Februar 1945 den ersten Bombenangriff, bei dem Menschenleben zu beklagen waren: das Konsumgebäude in der Grabenstraße wurde dabei durch einen Volltreffer zerstört. Am 23. Februar war das Bahnhofsareal Ziel eines konzentrierten Bomberangriffes. Das Gelände war nach der Detonation von 928 Bomben (laut Einsatzbericht der amerikanischen Achten Luftflotte) wie umgewühlt, auch zahlreiche Wohn- und Industriegebäude, etwa das Gaswerk, sowie der Rathausturm wurden schwer getroffen bzw. zerstört. Bei den beiden Angriffen starben 70 Menschen.

Hanna Westhäußer, geb. Leiberich, berichtete in einem Brief über diese ersten Bombardierungen und hielt dabei die nicht greifbare Widersprüchlichkeit von Kriegszeiten fest: „Ich weiß, daß ich bei allem Durcheinander noch nie einen so schönen, warmen und trockenen Frühling erlebt habe.“ Doch diesen Frühling zu genießen, dazu hatten die Crailsheimer endgültig keine Gelegenheit mehr: Nach schweren Bombardierungen am 4. April, die unter anderem dem Fliegerhorst galten, kamen zwei Tage später überraschend amerikanische Soldaten mit Panzern in der Stadt an und nahmen diese ohne wesentliche Gegenwehr ein. Die vorher aus der Stadt geflüchteten SS-Truppen nahmen Crailsheim unter Artilleriebeschuss und fügten somit der Stadt weitere schwere Schäden zu, unter anderem rund um den Schweinemarktplatz. Womit nicht mehr zu rechnen war: Die Deutschen „eroberten“ die Stadt zurück – die Amerikaner zogen sich am Abend des 10. April hinter die eigenen Linien zurück. Dabei legten sie an mehreren Stellen Feuer, welches zu weiteren Schäden und Zerstörungen von Gebäuden führte.

Die auf deutscher Seite hochstilisierte und gefeierte „Rückeroberung“ brachte neue Bombardements durch amerikanische Jagdbomber. Ziele waren die Hauptstraßenkreuzungen, die Eisenbahnbrücke, erneut das Rathaus, der nördliche Teil der Stadtmitte. NSDAP-Kreisleiter Hänle ließ ab 14. April in der schon schwer getroffenen Stadt Panzersperren errichten. Noch am Abend des 20. April ließ die SS die Jagstbrücke sprengen. Die Amerikaner nahmen den Widerstand als Aufforderung zum Beschuss mit Phosphorgranaten. In der Nacht zum 21. April 1945 ging die Stadt endgültig unter. Als eines der letzten Gebäude brannte das Schloss aus. Manche brennenden Gebäude konnten wegen fehlender Infrastruktur nicht gelöscht werden. Sie steckten benachbarte Gebäude in Brand, die bis dahin noch unversehrt geblieben waren. Beim Einmarsch notieren die Amerikaner: „Die Brände sind gefährlicher als der Feind.“

Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch wenige Menschen in der Stadt, viele waren in die Vororte oder in die umliegenden Dörfer geflüchtet. Berichte von Augenzeugen, Luftfotografien, Notizen des amerikanischen und deutschen Militärs liefern nur ein unvollständiges Bild, wie die Stadt nach und nach unterging. Der Schadensplan im Crailsheimer Stadtarchiv hält den traurigen Endzustand fest.

Info:
Die Berichte der Zeitzeugen wurden entnommen aus Hans Gräser (Hrsg.): Die Schlacht um Crailsheim. Das Kriegsgeschehen im Landkreis Crailsheim im 2. Weltkrieg. Crailsheim 1997.

Kontakt:
Stadtarchiv Crailsheim
Marktplatz 1 (Gebäude: Arkadenbau)
74564 Crailsheim
Tel.: 07951 / 403-1290
www.stadtarchiv-crailsheim.de

Quelle: Dr. Helga Steiger, Stadtarchiv Crailsheim, Archivale des Monats April 2021

Südtiroler Burg Gandegg im Blütenschmuck

Die meist frei stehenden und damit landschaftsprägenden älteren Adelssitze – Burgen, Schlösser und Ansitze – zählten schon in der Frühzeit der Ansichtskarten, also im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, zu den beliebten Motiven. So wurde auch das reiche architektonische Erbe des südlichen Teils des Kronlandes Tirol und Vorarlberg bereits vor mehr als hundert Jahren mit Bildpostkarten und Prospekten beworben.


Abb.: Postkarte mit der Burg Gandegg in Eppan im Blütenschmuck (Südtiroler Landesarchiv, Sammlung Guido Fontanesi, Nr. 530)

Eines jener „romantischen“ Gemäuer im Überetsch, die um die Jahrhundertwende auf einer Postkarte inmitten blühender Obstbäume präsentiert wurden, ist das auf den ersten Blick wehrhaft wirkende Schloss Gandegg in Eppan. Die vier Eckrundtürme und die teils zinnenbewehrte Umfassungsmauer dienten jedoch weniger der Verteidigung, als vielmehr der Repräsentation adeligen Wohnens.

Als Gandegg Mitte des 16. Jahrhunderts rund um einen älteren Turm in seiner heutigen Form entstand, war nicht mehr die Defension die Maxime des Adelsbaus, sondern vor allem auch Wohnkomfort, wovon etwa verschiedene Renaissance-Elemente Zeugnis ablegen. Blasius Khuen, der den Neubau veranlasste, hatte 1551 das Gericht Altenburg zu Lehen erhalten; Gandegg verblieb mehr als vierhundert Jahre im Eigentum der Khuen, die 1573 in den Freiherren- und 1619 bzw. 1630 in den Reichsgrafenstand erhoben wurden.

Das Schlossarchiv von Gandegg wird am Südtiroler Landesarchiv verwahrt, weitere Khuen’sche Teilarchive auf dem Gandegg benachbarten Sitz Englar und auf Kallmünz in Meran, ein weiterer gewichtiger Bestand findet sich am Mährischen Landesarchiv in Brünn.

Kontakt:
Südtiroler Landesarchiv
Armando-Diaz-Straße 8/B
39100 Bozen
Italien
Tel. +39 0471 411940
Fax +39 0471 411959
landesarchiv@provinz.bz.it

Quelle: Südtiroler Landesarchiv, Archivale des Monats April 2021, 1.4.2021