Forschungsergebnisse zu deportierten Bremer Juden

Seit der Publikation "Die Bremer Juden unter dem Nationalsozialismus" von Regina Bruss (1983) ist keine zusammenfassende Darstellung erschienen, die sich mit den Deportationen der rassisch verfolgten Bremer Jüdinnen und Juden beschäftigt. Nunmehr wird nach dem vorläufigen Abschluss eines aufwändigen wissenschaftlichen Projektes erstmals eine Übersicht über alle Deportationen gegeben und die Namen aller Betroffenen werden zur Erinnerung an die Verfolgungen veröffentlicht.

Das vom Archivpädagogen am Staatsarchiv Bremen, Günther Rohdenburg, erarbeitete und soeben erschienene Heft "»Judendeportationen« von Bremerinnen und Bremern während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" stellt darüber hinaus Materialien zu den einzelnen Deportationen zusammen und regt damit zu weiteren Recherchen an.

Erstmals hat das Bremer Staatsarchiv nun auch alle verfügbaren Informationen zu den rassisch verfolgten Juden in Bremen in einer Datenbank zusammenfasst. In fünf Jahren seien knapp 4.000 Datensätze gesammelt worden, sagte Archivpädagoge Rohdenburg. In den zurückliegenden Jahren hätten vor allem die Deportationen von Bremer Juden im November 1941 in das Ghetto von Minsk Spuren im öffentlichen Gedenken hinterlassen. Weithin unbekannt sei hingegen, dass es bereits 1938 Deportationen gegeben habe und vor allem 1942 und 1945 Juden nach Theresienstadt verschleppt worden seien. Das Staatsarchiv Bremen habe nun alle von einer Deportation betroffenen Menschen jüdischer Abstammung wissenschaftlich fundiert mit Grunddaten vollständig dokumentiert. Die Datenbank der Deportierten listet derzeit 858 Namen auf, von denen 442 nach Minsk verschleppt wurden. 227 Spuren führen nach Theresienstadt. 

Info:
Günther Rohdenburg (Bearb.): »Judendeportationen« von Bremerinnen und Bremern während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Bremen 2006, 367 S., Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen, Heft 36, ISBN 3-925729-47-X, 10,- Euro.

Kontakt:
Staatsarchiv Bremen
Am Staatsarchiv 1
28203 Bremen 
Fon: 0421 / 361-6221 
Fax: 0421 / 361-10247 
zentrale@staatsarchiv.bremen.de 
www.bremen.de/info/staatsarchiv

Quelle: taz Bremen, 26.1.2006, 22

Zustimmung zum Archivgesetz für Solothurn

Der Kantonsrat im Schweizer Kanton Solothurn hat am 25.1.2006 das seit einiger Zeit vorbereitete neue Archivgesetz einstimmig gutgeheißen. Bisher war die Archivierung nur in Weisungen der Regierung geregelt. Mit dem neuen Gesetz werde die Archivierung als Kernaufgabe des Staates anerkannt und Behörden, Dienststellen und Kommissionen des Kantons Solothurn werden verpflichtet, Dokumente systematisch zu sammeln und Archivgut ans Staatsarchiv Solothurn abzuliefern.

Das Gesetz sei insbesondere nötig, weil vielerorts das Bewußtsein für archivarische Belange fehle und daher teilweise gravierende Überlieferungslücken entstanden seien, so der Regierungsrat in seiner Botschaft. Staatsschreiber Konrad Schwaller betonte die Bedeutung des Staatsarchivs als kollektives Gedächtnis des Gemeinwesens. Die Fraktionen stellten sich unisono hinter das Gesetz.

Das Archivgesetz zieht auch eine Änderung des Informations- und Datenschutzgesetzes nach sich. Demnach sollen amtliche Dokumente aus nicht öffentlichen Verhandlungen sowie Positionen in Vertragsverhandlungen erst nach einer Schutzfrist von 30 Jahren zugänglich werden. Ausnahmebewilligungen, beispielsweise für die wissenschaftliche Forschung, sind möglich.

Kontakt:
Staatsarchiv Solothurn
Bielstrasse 41
CH-4509 Solothurn
Telefon 032 627 08 21
Telefax 032 622 34 87
staatsarchiv@sk.so.ch

Quelle: SZonline, 25.1.2006

Studentische Impressionen aus den frühen Jahren der Uni des Saarlandes

Eine neue Veröffentlichung des Archivs der Universität des Saarlandes bietet einen Streifzug durch die Geschichte der Studierendenschaft von der Universitätsgründung 1947/48 bis zur Mitte der 1950er Jahre. In Memoirenbeiträgen und Quellentexten berichten ehemalige Präsidenten der Studentenschaft und Referenten der studentischen Selbstverwaltung über ihr Studium an der jungen, europäisch orientierten Universität des Saarlandes, das interessante deutsch-französische Studiensystem, die damaligen Studien- und Arbeitsbedingungen auf dem Homburger und Saarbrücker Campus, die vielfältigen Aktivitäten der Studierendenschaft und die facettenreiche geistig-politische Atmosphäre jener Zeit.

Das Archiv der Universität des Saarlandes und das Referat für Politische Bildung des Allgemeinen Studierendenausschusses der Universität des Saarlandes präsentieren die Publikation \“Studentische Impressionen aus den frühen Jahren der Universität des Saarlandes\“ am Mittwoch, den 1. Februar 2006 um 15.30 Uhr in Hörsaal 114, Gebäude B 4.1 (früher Gebäude 16), Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, auf dem Campus der Universität des Saarlandes. 

Nach Grußworten der Präsidentin der Universität des Saarlandes Prof. Dr. Margret Wintermantel, des AStA-Vorsitzenden Bernd Weber und des Präsidenten der Studentenschaft des Jahres 1952 Prof. Dr. Eduard Schaefer wird Universitäts-Archivar Dr. Wolfgang Müller die von ihm herausgegebene Publikation vorstellen. 

Info:
Wolfgang Müller (Hg.): Studentische Impressionen aus den frühen Jahren der Universität des Saarlandes, Saarbrücken 2006. 100 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. ISBN 3-00-017638-1.

Kontakt:
Dr. Wolfgang Müller
Archiv der Universität des Saarlandes
Universität des Saarlandes
Geb. A2 2 , Raum 0.22 
66123 Saarbrücken
Tel.: +49 (0)681 / 302-2699 
Fax: +49 (0)681 / 302-2687
w.mueller@univw.uni-saarland.de

Quelle: idw, 20.1.2006

Passauer Familienalbum sucht persönliche Erinnerungen

Das von der Kommunalen Medienzentrale (KMZ) und dem Stadtarchiv Passau durchgeführte Projekt "Passauer Familienalbum" sammelt schriftliche Erinnerungen, aber auch Tagebücher, Briefe, Fotos usw. von Passauern und Passauerinnen aus den letzten sechzig Jahren. Die Erinnerungen sollen künftigen Forschern und Forscherinnen im Passauer Stadtarchiv zur Verfügung stehen. Eine Auswahl der gesammelten Erinnerungen und Zeitzeugnissen von Passau soll in Ausstellungen und Dokumentationen der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Veränderungen der letzten sechzig Jahre in der Arbeitswelt, im Verkehr, der Freizeit, im Konsum interessieren für das "Familienalbum" ebenso wie die Erinnerungen an die miterlebten großen Umwälzungen und Neuerungen, etwa das Kriegsende 1945, die sowjetische Besatzung, den Wiederaufbau, den ersten bescheidenen Wohlstand, den ersten Urlaub, den ersten Fernseher, die Veränderungen im Dorf oder in der Stadt, Naturkatastrophen, den Fall des Eisernen Vorhangs und andere einschneidende Veränderungen im Heimatort.

Wer Näheres zum Projekt "Passauer Familienalbum" wissen möchten oder Unterstützung beim Festhalten seiner Lebensgeschichte benötigt, kann sich dafür an die Kommunale Medienzentrale der Stadt Passau mit seiner Mannschaft für das Passauer Familienalbum wenden. Persönliche Aufzeichnungen können dem KMZ auch per E-Mail übermittelt werden. Gesucht werden noch kontinuierlich Fotos, Briefe und Tagebücher für Ausstellungen in der Stadt Passau und ihrer Umgebung.

Kontakt:
Stadtarchiv Passau
Rathausplatz 2
94032 Passau
Tel: 0851/38336-0 oder 396-249
Fax: 0851/396248
info@stadtarchiv-passau.de

Kommunale Medienzentrale
Am Goldenen Steig 1
94036 Passau
info@kmz.de

Justiz stoppt Rückgabe von Bürgerkriegsarchiv

Die spanische Justiz hat die umstrittene Rückgabe von Archiven aus der Zeit des Bürgerkriegs (1936-1939) an die autonome Region Katalonien (siehe Bericht) bis auf Weiteres gestoppt. 

Die Stadtverwaltung von Salamanca, wo die Unterlagen bislang lagerten, erwirkte beim Nationalen Gerichtshof eine einstweilige Verfügung. Der Justizminister erklärte am Samstag, es handle sich lediglich um eine Verzögerung.

Die Justiz könne die von der Regierung unterstützte Rückgabe nicht verbieten, da diese im Herbst vom Parlament beschlossen worden sei. Am 24.1.2006 wollen die Richter Gegner und Befürworter der Rückgabe anhören.

Quelle: Basler Zeitung Online, 21.1.2006

Paraguay öffnet Archiv

Als Oberbefehlshaber der Armee putschte sich General Alfredo Stroessner 1954 an die Macht in Paraguay. Mit Hilfe eines permanenten Ausnahmezustandes regierte er bis 1989 autoritär und unterhielt dabei gute Kontakte mit anderen südamerikanischen Diktaturen. Nach offiziellen Angaben verschwanden unter Stroessners Herrschaft 400 Menschen, andere Schätzungen gehen von weit mehr Todesopfern aus. Viele politische Gefangene blieben auf Anordnung des Präsidenten bis zu zwanzig Jahre ohne Prozess in Haft. Sehr viele Oppositionelle wurden gefoltert oder ins Gefängnis gebracht. Seit seiner Entmachtung 1989 lebt der 1912 als Sohn eines bayerischen Einwanderers geborene Stroessner in Brasilien im Asyl.

Paraguays Außenminister hat angekündigt, die Archive seines Ministeriums aus der Zeit der Diktatur von General Stroessner zu öffnen. Die Dokumente des \“explosiven Arsenals\“ sollen der Kommission für Wahrheit und Gerechtigkeit zur Verfügung gestellt werden.

Quelle: taz, 23.1.2006, 9

Neuer Leopoldina-Archivleiter

Die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (gegründet 1652 in Schweinfurt) mit Sitz in Halle an der Saale (seit 1878) ist eine überregionale Gelehrtengesellschaft mit gemeinnützigen Aufgaben und Zielen. Sie fördert inter- und transdisziplinäre Diskussionen durch öffentliche Symposien, Meetings, Vorträge, die Arbeit von Arbeitsgruppen, verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse, berät die Öffentlichkeit und politisch Verantwortliche durch Stellungnahmen zu gesellschaftlich relevanten Themen, fördert junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und sie betreibt wissenschaftshistorische Forschung. 

Die Leopoldina ist die älteste naturwissenschaftliche Akademie in Deutschland. Ihr gehören etwa 1200 Mitglieder in aller Welt an. Drei Viertel der Mitglieder kommen aus den Stammländern Deutschland, Schweiz und Österreich, ein Viertel aus weiteren ca. 30 Ländern. Zu Mitgliedern werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus naturwissenschaftlichen und medizinischen Disziplinen sowie aus den Kultur-, den Technik- und den empirischen Geistes-, Verhaltens- und Sozialwissenschaften gewählt, die sich durch bedeutende Leistungen ausgezeichnet haben. Unter den derzeit lebenden Nobelpreisträgern sind 33 Mitglieder der Leopoldina.

Den Grundstock des Leopoldina- Archivs bilden Lebensläufe, Schriftenverzeichnisse und Porträts der Mitglieder, die seit Gründung der Akademie (1652) gesammelt werden; dazu kommen Matrikel- und Protokollbücher, Korrespondenzen, Verwaltungsakten und Bildersammlungen über einen Zeitraum von mehr als 350 Jahren. Ab 1941 übernahm das Archiv auch ganze Nachlässe von Wissenschaftlern, auch von Nichtmitgliedern. – Nach über 30-jähriger Tätigkeit in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina verabschiedete die Akademie kürzlich ihre langjährige Archiv-Leiterin, die Diplom-Theologin Erna Lämmel, in den Ruhestand. Im Januar 2006 übernahm Dr. Karsten Jedlitschka M.A. die Leitung des Archivs.

Karsten Jedlitschka, Jahrgang 1972, studierte als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes Geschichte und Germanistik an den Universitäten München und Princeton, USA. Nach Magister- und Staatsexamensabschluss promovierte er Anfang 2004 bei Winfried Schulze mit einem wissenschaftshistorischen Thema. Im Anschluss an das Referendariat für den höheren Archivdienst im Freistaat Sachsen betreute er zwischen Mai und Dezember 2005 die grundlegende Neustrukturierung und Internetvernetzung des Archivs des Deutschen Historischen Instituts in Rom. Schwerpunkte seiner Arbeit als Leiter des Archivs der Leopoldina werden in den nächsten Jahren die Einführung einer neuen Archivsoftware, die Aufarbeitung von Verzeichnungsrückständen und der Aufbau einer Internetpräsenz sein.

Neben der Übernahme, Ordnung und Verzeichnung der Überlieferung der Akademie gehört zu den Aufgaben des Leopoldina-Archivs auch die wissenschaftliche Betreuung von Benutzern sowie die Bearbeitung diesbezüglicher Korrespondenz. Das Archivgut kann auf Antrag für wissenschaftliche Fragestellungen ausgewertet werden. Nach Voranmeldung ist selbständige Akteneinsichtnahme möglich. Zur wissenschaftsgeschichtlichen Forschungsarbeit kann unterstützend eine Sammlung von ca. 20 000 Sonderdrucken mit historischem Inhalt hinzugezogen werden. Als Findhilfsmittel stehen Zettelkataloge und Karteien zur Verfügung. 1991 wurde mit der computergestützten systematischen Erfassung der Altbestände begonnen. In zweijährigem Rhythmus gibt das Archiv ein auf den neuesten Stand gebrachtes Mitgliederverzeichnis (Struktur- und Mitgliederbestand) und zweimal im Jahr die aktuellen \“Informationen\“ der Leopoldina heraus. 

Kontakt:
Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina
– Archiv –
Emil-Abderhalden-Str. 37
06108 Halle/Saale
Telefon: +49-345/4 72 39 – 60
Telefax: +49-345/4 72 39 – 19
archiv@leopoldina-halle.de 

Quelle: Prof. Dr. Jutta Schnitzer-Ungefug, Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, Informationsdienst Wissenschaft e.V., 20.1.2006

Katalonien erhält Bürgerkriegsarchive zurück

Nach einem 25-jährigen Streit hat Spanien begonnen, im Bürgerkrieg geraubte Archive an die autonome Region Katalonien zurückzugeben. Wegen des Widerstands der Lokalbehörden der westspanischen Stadt Salamanca gegen den Transfer der Dokumente wurden die Unterlagen unter Polizeischutz aus dem Nationalarchiv von Salamanca abtransportiert. Die Archive waren im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) von den Truppen des späteren Diktators Francisco Franco in Katalonien erbeutet worden.

Sie dienten dem Franco-Regime (1939-1975) dazu, Informationen über politische Organisationen zu bekommen und Gegner der Diktatur zu verfolgen. Ein großer Teil der Unterlagen wurde später vernichtet. Der Rest wurde in das Nationalarchiv in Salamanca eingegliedert. Katalonien forderte seit 1980 die Rückgabe der Archive. Die politische Rechte war gegen eine Rückgabe, die Linke dafür.

Die sozialistische spanische Regierung hat im Dezember 2005 schließlich die Rückgabe der Unterlagen an Katalonien angeordnet und stützt sich bei ihrer Entscheidung auf das Gutachten einer Expertenkommission, die die Forderung der Katalanen als berechtigt bezeichnet hatte.

Quelle: Der Standard, 19.1.2006

Saalfelder Fundgrube für Schüler

Großes Interesse an der Geschichte der Stadt Saalfeld und ihrem 1537 eingeweihten Rathaus zeigten im Jahr 2005 viele Besucher aus der näheren Umgebung, aber immer wieder auch Schülerinnen und Schüler der verschiedenen Saalfelder Grund- und Regelschulen. Sie kamen im Rahmen ihres Unterrichtes, aber auch aus eigenem Antrieb in das Stadtarchiv Saalfeld, das allen Schulklassen Rathausführungen mit Erläuterungen über die Aufgaben einer Verwaltung anbietet.

Besonders das Bürgermeisteramt, das Standesamt und das Gebäude "Hutschachtel" waren für die Kinder und Jugendlichen von großem Interesse. Die Schüler waren stets aufmerksame Zuhörer und zugleich sehr neugierige Besucher. Um ihnen die Arbeitsweise einer Behörde zu verdeutlichen, wurde auf die zwei Arten von Schriftgut, zum einen das noch im Verwaltungsprozess von anderen Ämtern benötigte, zum anderen das historisch wertvolle, eingegangen.

Aufgelockert wurden die Gesprächsrunden dadurch, dass Schüler in den Archivbestände, zum Beispiel in Zeitungsbestände vom 19. Jahrhundert bis in die Neuzeit, selbst Einsicht nehmen konnten. Das Saalfelder Stadtarchiv ist bestrebt, neues Quellenmaterial zu erschließen, um auch in Zukunft den wissbegierigen Archivgästen die vielen Fragen zur Stadtgeschichte beantworten zu können.

Kontakt:
Stadtarchiv Saalfeld
Rathaus, Markt 1
07318 Saalfeld
Tel.: 03671 / 598 321 
Fax: 03671 / 598 151 
archiv@stadt-saalfeld.de 

Quelle: Presseamt Saalfeld / Manuela Raabe (Stadtarchiv Saalfeld), 17.1.2006; OTZ Saalfeld, 17.1.2006

Lautarchiv wird leise

Aufgrund leerer Kassen muss das an der Berliner Humboldt-Uni angesiedelte so genannte Lautarchiv schließen. Über 7.500 originale Ton-Aufnahmen aus dem beginnenden 20. Jahrhundert lagern dort (Zeitraum 1909-1944). Sie werden seit sechs Jahren von einem Mitarbeiter digitalisiert und für die Nachwelt erhalten. Mit Jahresbeginn 2006 wurde die Stelle gestrichen. Rund 500 unbearbeitete historische Aufnahmen drohen dadurch verloren zu gehen. 

Erst nach dem Fall der Mauer weckte das Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik die 7.500 Stimmporträts des Lautarchivs aus ihrem Schlummer. Mit Unterstützung der Volkswagen-Stiftung finanzierte die Universität die Erschließung der Aufnahmen, digitalisierte einen Teil und erstellte eine Lautdatenbank.

Wissenschaftler Reinhard Meyer-Kalkus über das Lautarchiv: \“Die Studenten sind fasziniert über diesen Gegenstand, es ist ein Gegenstand der noch abseitig ist. Bilder, visuelle Kultur, Bildlichkeit ist etwas, wozu sie eine viel größere Nachfrage unter Studierenden heute finden, aber der viel zu lange übersehene und überhörte Bereich der akustischen Erfahrung wird in Zukunft immer stärker werden, und ich denke die Studierenden haben gemerkt, was man auch mit dem Archiv machen kann.\“

Nach sechs Jahren ist nun aber die Förderung der VW-Stiftung beendet und Jürgen-Kornelius Mahrenholz, der Kurator des Lautarchivs, arbeitslos. Was aus dem Lautarchiv wird, ist ungewiss. Der Direktor des Helmholtz-Zentrums, der Mathematiker Jochen Brüning, würde das Lautarchiv gern in einen Kontext stellen, der Wissenschaft und Öffentlichkeit gleichermaßen beteiligt. Für aussichtsreich hält er einen Verbund mit Lautarchiven auf europäischer Ebene. Auch eine Integration in das geplante Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz wäre denkbar. Archiv-Kurator Mahrenholz will nun seine Doktorarbeit über das Lautarchiv schreiben, damit sein Wissen darüber vielleicht irgendwann als Grundlage für weitere Forschungen dienen kann.

Kontakt:
Lautarchiv der Humboldt-Universität zu Berlin
– Musikwissenschaftliches Seminar –
Am Kupfergraben 5
10099 Berlin
http://publicus.culture.hu-berlin.de/lautarchiv/ 

Quelle: Esther Körfgen, Deutschlandfunk, 27.12.2005; FAZ, 18.1.2006