Digitale Langzeitarchivierung im Gesundheitswesen

In Deutschlands Krankenhäusern, Arztpraxen, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen werden jedes Jahr rund 5 Milliarden neue Dokumente erzeugt, deren langfristige Archivierung geschätzte 2,5 Milliarden Euro jährlich kostet. Gesetzliche Vorgaben regeln, wie lange die Dokumente verfügbar sein müssen. Digital erfasste Daten werden seit einigen Jahren mit elektronischen Signaturen versehen, um ihre Rechts- und Revisionssicherheit zu gewähren.

Genau wie ihre Vorgänger in den Aktenschränken werden diese digitalen Unterlagen teilweise 30 Jahre und länger aufbewahrt und unterliegen dabei auch den gleichen Auflagen und Vorschriften. Prof. Dr. Paul Schmücker, Informatiker an der Hochschule Mannheim, erläutert die Probleme, die bei der Langzeitarchivierung digitaler Daten im Gesundheitswesen entstehen: \“Wir erzeugen elektronische Signaturen mit Hilfe so genannter kryptographischer Algorithmen, die ihre Sicherheitseignung relativ schnell verlieren können. Die Signaturen müssen immer wieder aufgefrischt werden, damit sie mit neueren Rechnern nicht manipuliert werden können. Signaturzertifikate müssen bei Zertifizierungsdiensteanbietern besorgt und gespeichert werden, weil die Zertifikate nur zeitlich begrenzt prüfbar sind. Gerade bezüglich der Signaturerneuerung und der Verifikationsdaten sind aber die verfügbaren Signaturstandards noch völlig unzureichend.\“

Im Rahmen des Forschungsprojekts \“ArchiSig\“ (www.archisig.de), an dem Prof. Dr. Schmücker für die Hochschule Mannheim als Projektpartner beteiligt ist, wurde eine wirtschaftliche Lösung zur automatisierten Verwaltung der digitalen Signaturen entwickelt, mit der die rechtliche Anerkennung der Daten langfristig gesichert werden kann. Die Herausforderung besteht nach Einschätzung Schmückers vor allem im gewaltigen Volumen der digitalen Dokumente und in ihrer Heterogenität: \“In den Krankenhäusern liegen inzwischen geschätzte 20 bis 40 Prozent der Patientendaten in digitaler Form vor und die Dateien decken praktisch das ganze Spektrum gebräuchlicher Formate ab. Unsere Lösungen müssen deshalb prinzipiell auf allen Oberflächen programmübergreifend einsetzbar sein.\“

Zu einer Fachkonferenz mit dem Thema \“Rechtssicherheit bei der elektronischen Archivierung\“ war die interessierte Öffentlichkeit am 13. Dezember 2005 ins Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) in Berlin eingeladen (Tagungsinfos als pdf-Download). Schwerpunkte der Konferenz waren neben aktuellen Entwicklungen im computergestützten Dokumentenmanagement und rechtlichen Aspekten in der digitalen Archivierung auch die Ergebnisse aus dem Projekt "ArchiSig" sowie aus den Nachfolgeprojekten, in denen beispielsweise Pilotsysteme für die Anwendung der Archivlösungen realisiert wurden. (z.B.Transidoc: \“Rechtssichere Transformation signierter Dokumente\“, ArchiSafe Langzeitarchivierung: www.archisafe.de).

Schmücker hebt insbesondere die wachsende Bedeutung von Standards für elektronische Signaturen im Gesundheitswesen hervor: \“Die Signaturen wurden erst seit 2001 überhaupt gesetzlich reguliert. Wir müssen jetzt dringend die Defizite in der Standardisierung beseitigen.\“ ArchiSig hat deshalb nationale und internationale Initiativen ins Leben gerufen, mit deren Hilfe diese Lücken geschlossen werden sollen.

Mit einer nicht-kommerziellen Plattform für den interdisziplinären Austausch von Erfahrungen auf allen organisatorischen Ebenen und in allen Bereichen der langfristigen elektronischen Datenverarbeitung und -speicherung gibt das "nestor"-Kompetenznetzwerk zur digitalen Langzeitarchivierung (www.langzeitarchivierung.de) Ärzten und Verwaltungsmitarbeitern aus dem Gesundheitswesen Gelegenheit, sich frühzeitig mit Anforderungen, Aufgabenstellungen und Lösungsmöglichkeiten bei der Langzeitarchivierung zu befassen.

Kontakt:
Die Deutsche Bibliothek
Hans Liegmann (Projektleiter nestor)
liegmann@dbf-ddb.de
Tel. 069 /1525-1141
www.langzeitarchivierung.de

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
Prof. Dr. Paul Schmücker
p.schmuecker@hs-mannheim.de
Tel. 0612 / 292-6206
www.informatik.hs-mannheim.de/aku

Quelle: Pressemitteilung, nestor – Kompetenznetzwerk Langzeitarchivierung, Frankfurt am Main, 14.12.2005

Archivführer Münster

Zu den teilweise schon Jahrhunderte alten Einrichtungen in der Stadt Münster gehören die Archive. Diese Archive der Stadt gehören unterschiedlichen Institutionen wie Universität, Landschaftsverband Westfalen-Lippe oder dem Bistum an. Anders als bei Büchern in Bibliotheken handelt es sich bei Archivgut um Unikate, also um Dokumente, die nur ein einziges Mal an einem bestimmten Ort vorhanden sind. Das macht es für Interessierte nicht immer leicht, am richtigen Ort die Spur in die Vergangenheit aufzunehmen.

Denn Archive sind auch als öffentliche Bildungseinrichtungen und Informationszentren für viele historische Fragen allen stadtgeschichtlich Interessierten zugänglich. Neben der gesetzlichen Verpflichtung zur Aufbewahrung wichtiger Dokumente haben sie auch die Aufgabe, die in den Archiven aufbewahrten Informationen einer interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Entsprechend \“vernetzt\“ arbeiten jetzt Münsters fünf große Archive: das Stadtarchiv, das Landesarchiv NRW Staatsarchiv Münster, das Bistumsarchiv, das Westfälische Archivamt und das Universitätsarchiv. Auch fünf weitere kleine Archive und Dokumentationsstellen sind beteiligt.

Wo gibt es verlässliche Informationen über das mittelalterliche Münster, über die Entstehungsgeschichte der Universität oder über den Bau einer bestimmten Kirche? Wo werden alte Zeitungen und Fotos aufbewahrt? Wo finden sich Unterlagen zur Geschichte des Bistums Münster, der ehemaligen Territorien Westfalens und der staatlichen Stellen in den Regierungsbezirken Arnsberg und Münster? Wie gelingt der Zugang zu Adelsarchiven der Region?

Auf Fragen wie diese finden sich in den einzelnen Archiven Antworten. Wo die Spezialisten bestimmter Fachbereiche zu finden sind, haben die Archive jetzt in einem Faltblatt mit dem Titel "Archivführer Münster" zusammengefasst. Dort sind auch die Bestände der einzelnen Häuser aufgeführt, so dass der Geschichtsforschende gezielt \“sein\“ Archiv aufsuchen kann. Das alte Siegel der Stadt Münster und eine CD-Rom auf der Titelseite machen deutlich, wie weit der zeitliche Bogen in Münsters Archiven geschlagen wird. 

So finden die Interessierten auf einen Blick Anschrift, Telefonnummern und E-Mail-Adresse sowie Öffnungszeiten der Archive. Besonders wichtig sind die unterschiedlichen Zuständigkeiten der Häuser. Jedes der genannten Archive ist für die Aufbewahrung ausgewählter Schrift- und Tondokumente bestimmter Bereiche zuständig. Wo sich Unterlagen befinden, ist mit Hilfe des Faltblattes nun einfach zu ermitteln. 

Das Faltblatt richtet sich an alle, die sich für die Geschichte der Stadt und der Region interessieren. Nicht nur für Wissenschaftler ist dieser Führer eine wertvolle Hilfe. Auch historisch Interessierten ermöglicht das Faltblatt einen raschen Überblick über die Archivlandschaft, ihre Zuständigkeiten und Aufgaben. 

Quelle: Pressemitteilung, Stadt Münster, Presse- und Informationsamt, 14.12.2005

Stadtarchiv Grevesmühlen zieht um

Das Stadtarchiv Grevesmühlen, das zwischen 1970 und 1993 unregelmäßig besetzt war, hat seit 1994 eine hauptamtliche Leitung. In Bezug auf die städtische Aktenüberlieferung Grevesmühlens gab es vermutlich in den 1950er Jahren umfangreiche Archivgutvernichtungen. Zeitweise wurde ein Teil des Archivgutes auf den Boden des Stadthauses ausgelagert.

Wie der Bürgermeister von Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern) jetzt bekannt gab, muss das Grevesmühlener Stadtarchiv umziehen. Künftig sollen die Archivalien in einer seit Jahren leerstehenden ehemaligen Berufsschule aufbewahrt werden. Montag beginnt der Umzug; ein Teil der Akten ist bereits verpackt.

Grund für die Aktion ist der Umzug der ARGE in das alte Rathaus zum 1. Februar 2006. Genau im dortigen Keller befindet sich derzeit aber noch das Stadtarchiv. Zwar hieß es ursprünglich, dass die ARGE nur eine begrenzte Anzahl der Räume anmieten würde, jetzt jedoch wird das komplette Gebäude gebraucht. Für das neue Domizil des Stadtarchivs, die ehemalige Berufsschule in der Rosa-Luxemburg-Straße, lag bis dato kein Nutzungskonzept vor.

Kontakt:
Stadt Grevesmühlen
Der Bürgermeister
Hauptamt -Archiv-
Rathausplatz 1
23936 Grevesmühlen 
Tel. 03881/723109 
Fax: 03881/723111
h.john@grevesmuehlen.de

Quelle: Michael Prochnow, Lübecker Nachrichten, 14.12.2005

CONTRASTE 12/05 zu Archive von unten

Die Dezember Ausgabe von CONTRASTE, der seit über 20 Jahren erscheinenden Monatszeitung für Selbstorganisation, ist nun erschienen.

Der Schwerpunkt ist \“Archive von unten\“, also die Archive der neuen sozialen Bewegungen.

Hier http://www.nadir.org/nadir/periodika/contraste/dezember_2005.htm findet sich eine Inhaltsübersicht, die einen ersten Eindruck vermittelt, sowie die Einleitung des Schwerpunkts (\“Ein Streifzug durch die bunte Landschaft der Bewegungsarchive\“ von Kai F. Böhne, Bernd Hüttner und Thomas-Dietrich Lehmann).

Bad Oeynhausen zwischen Krieg und Frieden

Nachdem das Stadtarchiv Bad Oeynhausen bereits im Frühjahr 2005 in einer Veranstaltungsreihe an das Kriegsende vor 60 Jahren erinnerte, erschien nun das Buch \“Bad Oeynhausen zwischen Krieg und Frieden\“. Der 400 Seiten umfassende Band geht jedoch über das Kriegsende hinaus und thematisiert auch die Besatzungszeit in der Kurstadt, die von 1945 bis 1954 Hauptquartier der Britischen Rheinarmee war. Während dieser Zeit war ein Großteil der Innenstadt beschlagnahmt, die Einwohner wurden evakuiert und der Kurbetrieb musste eingestellt werden. Wie der Untertitel des Buches – \“Kriegsende und Besatzungszeit in Zeitzeugnissen und Erinnerungen\“ – deutlich macht, lebt der Band vor allem von Selbstzeugnissen, zeitgenössischen Quellentexten und Erinnerungen von Zeitzeugen, die jeweils mit kurzen Erläuterungen eingeleitet werden.

Der Inhalt des mit 100 Abbildungen versehenen Buches gliedert sich in drei Hauptteile. Der erste Teil bietet einen Einstieg in die Thematik. Der am 3. Mai 2005 in Bad Oeynhausen gehaltene Vortrag des bekannten Historikers Prof. Dr. Reinhard Rürup stellt eine Verbindung von einleitenden persönlichen Erinnerungen an das Kriegsende in Bad Oeynhausen und einer allgemeinen Bewertung des 8. Mai 1945 in der deutschen Geschichte dar. (Rürup wuchs in Bad Oeynhausen auf.) Ein sich anschließender Beitrag von Dr. Karl Großmann gibt einen knappen Überblick über die letzten Kriegstage in Bad Oeynhausen.

Den zweiten Teil bilden Zeitzeugnisse, die als private Aufzeichnungen und Notizen bzw. journalistische Texte entstanden sind. Erstmals veröffentlicht werden Tagebücher und Texte von Rudolf Eickmeyer, Dr. Kurt Venker, Anna Iburg und Hermann Witte, die auf sehr persönliche Art Einblicke in das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit geben. Ein Aktenvermerk des Postamtsleiters Paul Kallenbach schildert die Räumung des Postamtes. Das Geschehen in den einzelnen Gemeinden des Amtes Rehme, die seit der kommunalen Neugliederung Teil der Stadt Bad Oeynhausen sind, dokumentiert die Edition von Chronikaufzeichnungen aus den Gemeinden und Schulen zum Jahr 1945. Journalistische Texte von Stephen Spender, Ernst Heinicke, Josef Müller-Marein und Dr. Hans Otto Schmid erschienen bereits zwischen 1945 und 1954 und werden nun erneut veröffentlicht.

Der dritte Teil versammelt – abgesehen von den Erinnerungen an Weihnachten 1945 des Bestsellerautors Rudolf Pörtner – bisher unveröffentlichte Erlebnisberichte von Zeitzeugen. So macht Ferdinand Matuszeks Lebensgeschichte – er kam als 16-Jähriger zur Zwangsarbeit nach Bad Oeynhausen – deutlich, dass es schon 1945 Menschen in Bad Oeynhausen gab, die das Kriegsende als Befreiung erlebten. Erstmals veröffentlicht werden neben den Weihnachtserinnerungen auch die pointierten Nachkriegserinnerungen von Rudolf Pörtner, der in Bad Oeynhausen geboren wurde und hier die ersten Nachkriegsmonate verbrachte. Ein weiterer Beitrag schildert das Schicksal zweier Bad Oeynhausen Soldaten, die das Kriegsende 1945 in einem Lazarett in Thüringen erlebten und sich erst nach 60 Jahren wiedersahen. Im Anschluss folgenden die ins Deutsche übersetzten Erinnerungen des britischen Soldaten Alex Cross, der von 1946 bis 1949 in Bad Oeynhausen stationiert war. Dieser Text bietet zum ersten Mal Einblicke in die Lebenswelt innerhalb des Sperrbezirks in der besetzten Stadt. Ein Anhang mit einer Zeittafel, dem Räumungsbefehl von 1945 und einer Karte des gesperrten Stadtgebietes schließt den Band ab.

Der Band wurde vom Arbeitskreis für Heimatpflege der Stadt Bad Oeynhausen e.V. in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Bad Oeynhausen herausgegeben. Er eröffnet zugleich die neue Veröffentlichungsreihe \“Geschichte im unteren Werretal\“, die der Arbeitskreis für Heimatpflege und der Heimatverein Löhne e.V. in Kooperation mit dem Stadtarchiv Löhne und dem Stadtarchiv Bad Oeynhausen begründet hat und fortsetzen wird.

Info:
Rico Quaschny (Hrsg.): 
Bad Oeynhausen zwischen Krieg und Frieden. Kriegsende und Besatzungszeit in Zeitzeugnissen und Erinnerungen,
Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 2005. (Geschichte im unteren Werretal; 1), ISBN 3-89534-621-7 
Das Buch ist zum Preis von 19,- EUR über den Buchhandel erhältlich.

Kontakt:
Rico Quaschny
Stadtarchiv Bad Oeynhausen
Von-Moeller-Straße 9
32543 Bad Oeynhausen
Tel.: 05731/141505
r.quaschny@badoeynhausen.de

Umzugssorgen beim St. Petersburger Staatsarchiv

Das Historische Staatsarchiv St. Petersburg besitzt vor allem Quellen aus dem 18. und 19. Jahrhundert und dokumentiert damit im wesentlichen die "Petersburger Epoche" in der russischen Geschichte. Es soll das größte Archiv seiner Art in Russland und ganz Europa sein. Da die Bedingungen für die Lagerung von historischen Dokumenten in den alten Gebäuden des Historischen Staatsarchivs am Dekabristenplatz gegenüber dem Ehernen Reiter nicht mehr den fachlichen Anforderungen entsprachen, wurde 2002 der Umzug von Russlands größtem historischem Archiv in ein neues Gebäude beschlossen. Nunmehr könnte das umgebaute ehemalige Gebäude der Zentralbank im Osten der Stadt voll genutzt werden. Für den Umzug der 7,5 Mio. Dokumente fehlt aber noch das Geld.

Alexander Sokolow, der Direktor des Historischen Staatsarchivs, verlangt dass der Umzug so schnell wie möglich über die Bühne geht. Es sei ein Unding, dass Wissenschaftler ihre Forschungen in dem für Benutzer bereits geschlossenen alten Archiv unterbrechen müssten, weil sie nicht an die benötigten Quellen kämen. Ein Zwischenlagern der Kartons im neuen Archiv sei unter konservatorischen und arbeitsökonomischen Gesichtspunkten zu verantworten.

Der Umzug des Staatsarchivs aus dem repräsentativen, aber baufälligen Gebäude am Newa-Ufer in die neuen Magazine steht unter der Ägide der Präsidentenverwaltung. Eine Regierungskommission soll sich nun mit den Details des Umzugs beschäftigen und vor allem die Frage der Finanzierung lösen. Laut Direktor Sokolow liegt hier das einzige und zugleich größte Problem, denn die technische Seite sei bereits vollständig ausgearbeitet.

Kontakt:
Tsentral\’nyi gosudarstvennyi istoricheskii arkhiv Sankt-Peterburga (TsGIA SPb)
Zentrales Historisches Staatsarchiv
Sanewski Prospekt 36
195 213 St. Petersburg
Russische Föderation
cgia@mail.lank.net

Quelle: Russland-Aktuell, 12.12.2005

IGPP-Projekt: Jüdische Hellseher und Paragnosten im 19. und 20. Jahrhundert

Das im Jahr 1950 von dem deutschen Psychologen und Arzt Prof. Dr. Dr. Hans Bender (1907-1991) in Freiburg/Br. gegründete \“Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V.\“ (IGPP) ist seit seinen Anfängen bestrebt, die im Rahmen der eigenen wissenschaftlichen Arbeit anfallenden Materialien aufzubewahren und längerfristig zu sichern. Im gleichen Maße wie das gesamte Institut durch seine sehr spezifischen Forschungsinteressen eine einzigartige Stellung in der europäischen Wissenschaftslandschaft einnimmt, ist auch das im Aufbau befindliche Archiv von besonderer Bedeutung. Die aufbewahrten Bestände stammen überwiegend aus dem 20. Jahrhundert.

Entlang den Themen einer mittlerweile über fünf Jahrzehnte währenden Forschungsarbeit archiviert das IGPP vielfältiges Material zu allen Formen außergewöhnlicher Erfahrungen von Menschen. Den Schwerpunkt der Institutsarbeit und dementsprechend der Archivierung bilden traditionell die beiden Forschungsbereiche Außersinnliche Wahrnehmung (ASW), worunter Inhalte wie Telepathie, Hellsehen und Präkognition zu zählen sind, sowie Psychokinese (PK), d.h. die rein mentale Beeinflussung physikalischer Systeme. 

Bei den gesammelten Unterlagen handelt es sich zum einen um eher konventionelle Bestandsformen (Nachlässe, Korrespondenzen, Fotografien), zum anderen innerhalb des umfangreichen Bestandes \“Dokumentation und Forschung\“ um bemerkenswertes Quellenmaterial eindeutig qualitativen Charakters. Hier sind hauptsächlich die Dokumentation zahlreicher durch das Institut untersuchter so genannter Spukfälle sowie Sammlungen von so genannten Spontanphänomen, aber auch von Traumberichten zu nennen. Zukünftig werden die vorhandenen Archivalien unter Berücksichtigung des notwendigen Datenschutzes nicht ausschließlich für die (para-) psychologische Forschung von Bedeutung sein, sondern sie könnten durchaus verstärkt für eine Auswertung unter historiographischen, kulturwissenschaftlichen oder den verschiedensten sozialwissenschaftlichen Fragestellungen herangezogen werden.

In der Historiographie zur Parapsychologie hat bisher der Umstand, dass eine Reihe von Personen, die zeitgenössisch als Hellseher, Paragnosten oder Telepathen Bekanntheit erlangt haben, Juden waren, kaum oder gar keine Beachtung gefunden. Vorliegende Forschungen zu parapsychologischen Bezugspunkten in der jüdischen Kulturgeschichte befassen sich entweder mit biblischen oder aber mit rabbinisch-talmudistischen Traditionen, während für die Neuzeit oder gar für die Zeitgeschichte bislang nur wenig bekannt ist. Deshalb sollen in einem eigenen Forschungsprojekt Persönlichkeiten jüdischer Herkunft aus der Geschichte der Parapsychologie im Mittelpunkt stehen. 

Das biographiegeschichtliche Projekt hat seinen Ort im Rahmen der Abt. Kulturwissenschaftliche und Wissenschaftshistorische Studien, dort im Forschungsschwerpunkt Parapsychologie und Biographie. Neben einer schon prominenten Gestalt wie Hermann Steinschneider alias \“Hanussen\“ (1889-1933) sollen vorrangig bisher noch wenig bekannte Lebensläufe wiederentdeckt und untersucht werden. Im Mittelpunkt stehen Biographien von Jüdinnen und Juden, deren außergewöhnliche Fähigkeiten das Interesse der wissenschaftlichen Parapsychologie geweckt haben und Anlass zu Diskussionen gegeben haben. Zumindest mit erfasst wird der Bereich der jüdischen Trick- und Illusionskunst. 

Das Forschungsprojekt wird zum einen archivarische Arbeiten umfassen, wie etwa die systematische Erschließung der zahlreichen Unterlagen zum Fall \“Hanussen\“ im Teilnachlass des Juristen Albert Hellwig im IGPP-Archiv. Ein zweiter Aufgabenbereich besteht in der Erarbeitung biographischer Studien, etwa zu dem amerikanisch-polnischen Hellseher Bert Reese (um 1841-1926), zu dem aus Süddeutschland stammenden Ludwig Kahn (1873-um 1966), zu Ludwig Aub (1862-1926) aus München oder zu dem Graphologen und \“Psychometriker\“ Raphael Schermann (1879-um 1945) aus Wien. Wenn möglich, d.h. wenn durch Quellen ausreichend belegbar, werden weitere jüdische Hellseher oder Paragnosten berücksichtigt. Dafür sind neben der Auswertung der Bestände im IGPP-Archiv auch Recherchen in anderen Archiven notwendig.

Es soll untersucht werden, ob und inwieweit jüdische Sozialisationsformen und Traditionslinien von Relevanz für die Tätigkeit und Wirkung dieser Personen sowie für ihre jeweilige Außen- und Eigenwahrnehmung waren bzw. in welcher Weise sich historische Verläufe und Ereignisse sowie gegebenenfalls antijüdische Ressentiments auf ihre Biographien auswirkten. Die komparatistische Perspektive fragt nach möglichen Gemeinsamkeiten sowie Unterschieden in den Lebensläufen jüdischer Hellseher und Paragnosten. In einem erweiterten Ansatz kann der Blick darauf gerichtet werden, weiche Bedeutung der oft nicht berücksichtigten Gesamtbiographie einer solchen Persönlichkeit für deren Erfolg oder Misserfolg, für deren Anerkennung oder Ablehnung im Gesamtrahmen der Parapsychologie zukommt. Unter diesen Gesichtspunkten ist das Forschungsprojekt an einer durch das Projekt selbst noch zu klärenden Schnittstelle zwischen der jüdischen Kultur- bzw. Sozialgeschichte und der Geschichte der Parapsychologie verortet.

Info:
Uwe Schellinger: Faszinosum, Filou und Forschungsobjekt: Das erstaunliche Leben des Hellsehers Ludwig Kahn (1873 – ca. 1966), in: Die Ortenau. Veröffentlichungen des Historischen Vereins für Mittelbaden 82 (2002) 429-468.

Kontakt:
Uwe Schellinger M.A.
Institutsarchiv
Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e.V. 
Wilhelmstr. 3a 
79098 Freiburg i.Br.
schellinger@igpp.de
http://www.igpp.de/

Briefe von Greta Garbo aus schwedischem Staatsarchiv gestohlen

Vier Poststücke der legendären schwedischen Filmschauspielerin Greta Garbo (1905-1990) sind aus dem schwedischen Reichsarchiv verschwunden und vermutlich gestohlen worden. Laut der schwedischen Nachrichtenagentur TT handelt es sich dabei um zwei Briefe und zwei Postkarten, die "die Göttliche" in den 1920er und 1930er Jahren aus den USA an ihre Freundin und Schauspielerkollegin Vera Schmiterlöv schrieb.

Die Briefe Garbos an Freundinnen wurden in der Vergangenheit wegen ihres leidenschaftlichen Stils immer wieder als Beweis für die angebliche Bisexualität der vor 15 Jahren in New York verstorbenen Hollywood-Legende herangezogen. Nach dem Flop ihrer zweiten Komödie ("Die Frau mit den zwei Gesichtern", 1941) erklärte Greta Garbo, der nach ihrer Zeit als Stummfilmstar in dem 1930er Jahren den erfolgreiche Übergang zum Tonfilm gelang, ihren Rückzug aus dem Filmgeschäft. Im Alter von 36 Jahren zog sie damit einen Schlussstrich unter ihre Karriere.

Im so genannten "Kriegsarchiv" – jener Abteilung des Staatsarchivs in Stockholm, aus der die Briefe verschwunden sind – hofft man, dass die Briefe wieder auftauchen. Der Sicherheitschef des Archivs rechnet damit, dass das Archiv die Briefe werde zurückkaufen müssen.

Kontakt:
Schwedisches Reichsarchiv (Riksarkivet)
Krigsarkivet
Banérgatan 64
SE-115 88 Stockholm
Schweden
Telefon: + 46 8 782 41 00 
Telefax: + 46 8 782 69 76 
krigsarkivet@krigsarkivet.ra.se
http://www.ra.se/ 

Quelle: Berner Rundschau, 9.12.2005

Dokumente einer jüdischen Textilunternehmerfamilie in Bocholt

Wie in keiner anderen Stadt Westfalens stiegen jüdische Unternehmer ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Bocholt in die Textilproduktion ein. In Baumwollspinnereien und -webereien produzierten sie klassische Bocholter Artikel wie Nessel, Biber und Baumwolldecken. Ihre Betriebe zählten zu den erfolgreichsten Unternehmen der Stadt. Eine Ausstellung im Textilmuseum Bocholt des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) erinnert jetzt an eine der bedeutendsten jüdischen Familien der Stadt. "Cosman David Cohen – Dokumente einer jüdischen Textilunternehmerfamilie in Bocholt\“, so der Titel der Schau, die vom 11.12.2005 bis zum 5.2.2006 im Westfälischen Industriemuseum läuft. 

Die Materialschau mit zahlreichen historischen Fotos, Bauzeichnungen und anderen Dokumenten greift das Schicksal der Cohens auf. \“Sie ist die einzige jüdische Unternehmerfamilie, über die eine größere Anzahl Dokumente und Fotos erhalten blieb\“, erklärt Museumsleiter Dr. Hermann-Josef Stenkamp. Denn nach Deportation und Holocaust sowie der Zerstörung vieler Fabrikgebäude und der prächtigen Privatvillen erinnert heute fast nichts mehr an diesen wichtigen Teil der Stadt- und Industriegeschichte.

Zu verdanken ist die Präsentation den privaten Kontakten und dem Engagement von Eduard Westerhoff. Der ehemalige Bocholter Unternehmer forscht und publiziert seit vielen Jahren zur Textilgeschichte Bocholts. Er nahm Kontakt zu den Erben der Familie, Anneliese Chiarizia und Edith Magnus, in Rom und Amsterdam auf. Fotos und Dokumente, die die beiden Frauen dem Bocholter überließen, werden als Sammlung \“Eduard Westerhoff\“ im Stadtarchiv Bocholt bewahrt und jetzt erstmals im Zusammenhang präsentiert.

Als erstes Mitglied der weit verzweigten Familie Cohen lässt sich der in Kleve 1753 geborene Cosman David nachweisen, der Anfang des 19. Jahrhunderts in Bocholt als \“Verleger\“ arbeitete: Er ließ bei Handwebern in Lohn weben, färbte die Ware in einer eigenen Färberei und vertrieb diese zum größten Teil in die Niederlande. Im Mai 1816 ließ er an 134 Handwebstühlen arbeiten und war damit der zweitgrößte Fabrikant am Platze. Nach seinem Tod 1823 übernahmen drei Söhne das elterliche Unternehmen, konnten es jedoch nicht halten. 

Weitaus erfolgreicher agierte später Cosmann Cohen als Vertreter der dritten Generation. Er gründete 1862 eine mechanische Weberei in Bocholt, die rasch expandierte: Im Jahre 1880 wurde die Zahl der Webstühle von 100 auf 160 erhöht. Mit 180 Beschäftigten stieg die \“Cosman Cohen & Comp.\“ zum viertgrößten Betrieb in Bocholt auf, 1895 war das Unternehmen größter Steuerzahler der Stadt. Den größten Teil seines Vermögens erwirtschaftete er jedoch durch Beteiligung an auswärtigen Firmengründungen. Sohn Emil Cohen und Schwiegersohn Iwan Magnus übernahmen Anfang 1897 den Betrieb – kurz danach starb der Vater. Später stieg auch der jüngste Sohn Max Cohen in die Firma ein.

1897 brannte die Fabrik an der Kaiser-Wilhelm-Straße vollständig nieder, dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens schadete das Unglück aber nicht. Im Neubau an der Industriestraße 7 ratterten Anfang der 1920er Jahre rund 600 Webstühle. 1929 entschlossen sich die Inhaber zur Stilllegung. Neun Jahre später wurde die Weberei an die benachbarte Firma \“H. Beckmann Söhne\“ verkauft und ist heute im Besitz der \“IBENA Textilwerke\“.

Die Ausstellung in Bocholt geht auch auf das weitreichende gesellschaftliche Engagement der Cohens ein. Über Generationen engagierten sich Familienmitglieder in der jüdischen Gemeinde. Cosman Cohen wirkte daneben an der Gründung eines katholischen Arbeiterinnen-Hospizes mit, er vertrat als Mitglied der Handelskammer die wirtschaftlichen Interessen der Bocholter Unternehmer und trat immer wieder als Spender für verschiedene wohltätige Zwecke auf. Sein Sohn Emil war viele Jahre Stadtverordneter.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 emigrierten viele Familienmitglieder der Cohens. Ihre Spuren finden sich in den Niederlanden, in Kolumbien, den USA und Italien. Andere wurden in Konzentrationslager verschleppt. Alle direkten Nachkommen aus der Unternehmerdynastie \“Cosmann Cohen & Comp.\“ sollen nach Aussagen der Familie die NS-Verfolgung jedoch überlebt haben.

Kontakt
Westfälisches Industriemuseum 
Textilmuseum Bocholt
Uhlandstraße 50
46397 Bocholt
Telefon: 02871 21611-0
Telefax: 02871 21611-33
textilmuseum@lwl.org

Neues über die Goldstadt Pforzheim

Die Goldstadt Pforzheim verfügt über eine vielfältige Vergangenheit: Von der Blütezeit im Hochmittelalter über den Aufstieg zu einem Zentrum der Schmuck- und Uhrenindustrie im 19. Jahrhundert bis hin zur Zerstörung durch die Bombardierung der Alliierten am 23. Februar 1945 und der Eröffnung der \‘Schmuckwelten\‘ in der jüngsten Vergangenheit. 

Die 1982 erschienene „Geschichte der Stadt Pforzheim“ aus der Feder von Hans Georg Zier, dem ehemaligen Leiter des badischen Generallandesarchivs in Karlsruhe, widmet der Nachkriegszeit nur ein kurzes Kapitel. Insofern stellt das jetzt im Wartberg-Verlag in einer Auflagenhöhe von 2.500 Exemplaren veröffentlichte Buch mit dem Titel „Die Goldstadt Pforzheim“ eine gelungene Ergänzung dar. Denn hier wird nicht nur die Stadtgeschichte bis ins Jahr 2005 fortgeführt, sondern zum Teil auch historisch neu bewertet.

\"Präsentierten

Präsentierten das neue Pforzheim-Buch: Autor Christian Groh, Verlagsleiterin Ulrike Kreß und Bürgermeister Gert Hager (von links). Foto: Ketterl 

Der reich bebildete, 125 Seiten umfassende Band wurde von Christian Groh, dem kommissarischen Leiter des Stadtarchivs Pforzheims erarbeitet. In kompakter Form gibt das von Groh im Laufe des vergangenen Jahres in Freizeitarbeit verfasste Buch auch einen Überblick über die Stadtgeschichte und bietet einen Leitfaden von der Ur- und Frühgeschichte bis in die Gegenwart. Einheimische, Neuzugezogene und Gäste, kurzum alle Interessierten, führt der Autor auf unterhaltsame und informative Weise durch die Pforzheimer Stadtgeschichte.

Info:
Christian Groh, Die Goldstadt Pforzheim. Eine illustrierte Stadtgeschichte, 16,90 Euro, 
ISBN 3-8313-1514-0. Wartberg Verlag Gudensberg-Gleichen (www.wartberg-verlag.de

Kontakt:
Stadtarchiv Pforzheim
Kronprinzenstr. 28
75177 Pforzheim 
Tel. 07231-39 2899 
Fax: 07231-39 1674 
archiv@stadt-pforzheim.de

Quelle: Thomas Frei, Pforzheimer Zeitung, 8.12.2005 (Foto: Ketterl)