Doppeljubiläum der Dessauer Franzschule und ihres Direktors David Fränkel 1849

Im Jahr 1849 feierte die renommierte israelitische Franzschule in Dessau gleich zwei Jubiläen, den 50. Jahrestag ihres Bestehens und das 50-jährige Dienstjubiläum ihres Direktors Dr. David Fränkel. David Fränkel, ein Großneffe des gleichnamigen Rabbiners, gehörte zu einem Verein jüdischer Intellektueller, die 1799 nach dem Vorbild Mendelssohns in Berlin eine jüdische „Frey-Schule“ in Dessau gründeten.

Bis Ende des 18. Jahrhunderts beschränkte sich die traditionelle jüdische Bildung auf die Vermittlung religiöser Kenntnisse. In der 1801 fürstlich sanktionierten Freischule hingegen sollten die Schüler eine umfassende Allgemeinbildung erhalten, die sich an den Lehrmethoden bekannter Reformpädagogen orientierte. Neben Hebräisch und jüdischer Religion wurden nun auch Deutsch, moderne Fremdsprachen und naturwissenschaftliche Fächer als Voraussetzung für eine spätere Erwerbstätigkeit unterrichtet. Die Schule erwarb sich schnell einen ausgezeichneten Ruf und wurde in ganz Deutschland als eine Stätte moderner Bildung bekannt. Als die ausschließlich aus Beiträgen, Spenden und Schulgeldern finanzierte „Israelitische Hauptschule“ 1815 in finanzielle Schwierigkeiten geriet, gewährte Herzog Franz ihr einen jährlichen staatlichen Zuschuss und dem Direktor Fränkel erstmals ein Gehalt. Ein Jahr später wurde eine neue Schulordnung genehmigt. Die Lehranstalt durfte sich nun offiziell „Franzschule“ nennen.

Das Jubiläumsjahr 1849 markierte eine einschneidende Zäsur für die Schule. Infolge der Revolution von 1848/49 erhielten die Anhalt-Dessauer Juden ihre bürgerlich-rechtliche Gleichstellung. Jüdische Kinder durften nun staatliche Schulen besuchen. Um den Fortbestand der Franzschule zu sichern, schlug David Fränkel dem Anhaltischen Staatsministerium ihre Umwandlung in eine staatliche Handelsschule vor. In einem Bericht vom 26. Oktober 1849 informierte das Staatsministerium den Herzog über die Eröffnung der neuen Handelsschule anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten am 5. November 1849.


Abb.: Festordnung anlässlich der Jubiläumsfeierlichkeiten am 5. November 1849 (Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Z 104, Nr. 437)

Die dem Bericht beigefügte „Festordnung“ wird als Archivale des Monats Juni 2021 in den Räumlichkeiten des Archivverbunds Dessau zu sehen sein. Die Quellen zur Geschichte der Franzschule sind online recherchierbar und in der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt einsehbar.

In der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt hat ein Wechsel in der Leitung stattgefunden. Am 3. Mai 2021 hat Dr. Hermann Kinne die Leitung der Abteilung 4 (Dessau) des Landesarchivs Sachsen-Anhalt übernommen.


Abb.: Dr. Hermann Kinne, Leiter der Abteilung Dessau des Landesarchivs Sachsen-Anhalt (Foto: privat)

Herr Kinne folgt auf Dr. Andreas Erb, der die Abteilung seit 2008 leitete und jetzt als Leiter zum Stadtarchiv Amberg gewechselt ist. Dr. Hermann Kinne, geboren 1977 in Leipzig, studierte in Leipzig Geschichte, Historische Hilfswissenschaften, Archivwissenschaften und Namenkunde. Promoviert wurde er mit einer Untersuchung zum Kollegiatstift St. Petri zu Bautzen von dessen Gründung vor 1221 bis zum Jahr 1569. Er war u. a. wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Leipzig, nach dem Archivreferendariat in Detmold und Marburg Mitarbeiter des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, beim Bundesbeauftragen für Stasiunterlagen in Berlin und von 2017 bis 2021 in der Abteilung Merseburg des Landesarchivs Sachsen-Anhalt tätig.

Für die kommenden Jahre sieht Hermann Kinne einen Schwerpunkt bei der Entwicklung und Erprobung neuer Angebote für Nutzer und Nutzerinnen des Archivs. Mit der Digitalisierung und Online-Stellung verschiedener Bestände auch der Abteilung Dessau hat man bereits heute die Möglichkeit, von überall auf Archivalien des Landesarchivs Sachsen-Anhalt zuzugreifen. Die digitale Nutzung muss zugleich durch erweiterte Zugänge zu demjenigen – deutlich größeren – Teil des Archivguts ergänzt werden, der noch immer und dauerhaft nur in analoger Form benutzbar sein wird. Die auch in Dessau veränderten Nutzungsgewohnheiten werden konsequent in die Planung und Ausrichtung der Abteilung sowie die Umsetzung angepasster archivischer Angebote einfließen.

Kontakt:
Landesarchiv Sachsen-Anhalt – Abteilung Dessau
Heidestraße 21
06842 Dessau-Roßlau
Tel.: 0340/519896-13
Fax: 0340/519896-90
dessau@la.sachsen-anhalt.de

Quelle: Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Pressemitteilung, 11.05.2021; Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Neue Abteilungsleitung in Dessau

Schenkung einer Handschrift aus Texas für das Landesarchiv NRW

Sein großes Interesse an Paläographie veranlasst Farley Katz, einen privaten Sammler von Manuskriptfragmenten aus San Antonio (Texas, USA), seine Schätze an ausgewählte Bibliotheken in den Vereinigten Staaten zu verteilen – meist in die Bancroft Library in Berkeley.

Im Juni 2021 kam jedoch auch das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen in den Genuss einer Schenkung, die durch die Leiterin des Historischen Archivs der Stadt Köln, Bettina Schmidt-Czaia, vermittelt wurde. Denn sie verfasste 1992 ihre Dissertation über „Das Kollegiatstift St. Aegidii et Caroli Magni zu Wiedenbrück“ und wurde durch diese Arbeit als Expertin gefunden.


Abb.: Amtsbuch des Kollegiatstiftes Wiedenbrück (Landesarchiv NRW, B 905/Kollegiatstift Wiedenbrück – Akten, Nr. 49)

Das schmale Amtsbuch, ein Einkünfteregister der Hebdomadare und Kanoniker des Kollegiatstiftes Wiedenbrück (1571-1604), ist inzwischen im Landesarchiv NRW eingetroffen. – Auch die weitere Überlieferungsgeschichte des frühneuzeitlichen Amtsbuches dürfte interessant sein.

Kontakt:
Landesarchiv NRW
Schifferstr. 30
47059 Duisburg
Tel.: 0203 / 98721-0
poststelle@lav.nrw.de

Quelle: Landesarchiv NRW, Neuigkeiten, 22.06.2021

Tiroler Landeshauptmann durfte auf dem Index stehende Bücher einsehen

Am 11. Juni 1665 unterzeichneten die sieben Mitglieder der Inquisitionskommission in Rom, darunter die Kardinäle Francesco Barberini und Marzio Ginetti, eine Genehmigung, mit der sie Johann Dominicus Graf von Wolkenstein-Trostburg (1620-1675), dem Landeshauptmann der Gefürsteten Grafschaft Tirol, für die Dauer von fünf Jahren die Lektüre der Werke von Charles Dumoulin und Nicolò Macchiavelli erlaubten. Beide Autoren standen auf dem sogenannten Index, also der von den katholischen Kirchenbehörden erstellten Liste der verbotenen Bücher bzw. Autoren, deren Lektüre als Vergehen gewertet wurde und im äußersten Fall mit der Exkommunikation geahndet werden konnte.


Abb.: Genehmigung zur Lektüre der verbotenen Bücher durch die Mitglieder der Inquisitionskommission in Rom, 1665 (Südtiroler Landesarchiv, Archiv Toggenburg, Nr. 750)

Nicht von ungefähr war der Index bzw. die dafür zuständige Römische Inquisition (Indexkongregation) im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts errichtet worden, als sich die Reformation vor allem im deutschen Sprachraum dank massenhafter Verbreitung gedruckter Schriften „häretischen“ und kirchenkritischen Inhalts nahezu unkontrolliert ausbreitete. Dabei wurden nicht nur der Reformation zugeneigte Autoren auf den Index gesetzt, sondern auch katholische Schriftsteller, die abweichende Meinungen vertraten, sowie sämtliche Übersetzungen der Bibel in Volkssprachen, da das Lesen der Bibel durch Laien als gefährlich erachtet wurde.

Charles Dumoulin (1500-1566), ein viel beachteter französischer Rechtsgelehrter, war auf dem Index gelandet und langjährigen Anfeindungen ausgesetzt, da er die Missbräuche der katholischen Kirche bei der Erteilung von Dispensen oder der Vergabe von Benefizien scharf kritisiert hatte.

Die Werke des Staatsphilosophen Nicolò Macchiavelli (1469-1527) wurden bereits 1559 auf den Index gesetzt und in der Folge vielfach verdammt, während sie anderen als fundamentale Werke über die Natur des Regierens galten. Eine Genehmigung zum Lesen dieser beiden Autoren wurde augenscheinlich nur selten erteilt, umso interessanter ist, dass Johann Dominicus von Wolkenstein wohl seiner Funktion als Landeshauptmann wegen als auch wegen seines untadeligen Rufs auf fünf Jahre das Lesen ihrer Werke erlaubt wurde.

Die Zahl der von der katholischen Kirche verbotenen Bücher stieg im Laufe der Jahrhunderte auf circa 6.000 Werke an; der Index, der mehr als vierhundert Jahre bestanden hatte, wurde erst 1966 bzw. 1967 offiziell außer Kraft gesetzt.

Kontakt:
Südtiroler Landesarchiv
Armando-Diaz-Straße 8/B
39100 Bozen
Tel.: +39 0471/ 411940
Fax: +39 0471 / 411959
landesarchiv@provinz.bz.it

Quelle: Südtiroler Landesarchiv, Aktuelles, Archivale des Monats Juni 2021, 07.06.2021

Auswanderungsforschung am Beispiel der Enzkreis-Gemeinden

Der Kreisarchivar des Enzkreises, Konstantin Huber, hat jetzt in der Schriftenreihe des Kreisarchivs, eine Publikation über die Amerika-Auswanderung aus den Enzkreis-Gemeinden vorgelegt. Das Buch mit dem sprechenden Obertitel „… ich hatte besser Leben in diesem Land“ beleuchtet das Kapitel der Auswanderung nach Nordamerika im 19. Jahrhundert. Der Titel bezieht sich auf das Leben in der neuen Heimat Amerika und repräsentiert die Auffassung vieler Emigranten, die sich in ihren Briefen zufrieden mit ihrem neuen Leben zeigen und sogar ihre Verwandtschaft auffordern, es ihnen gleich zu tun.

Der 112 Seiten starke Band ist illustriert mit Faksimiles vieler Dokumente, die Archivar Huber in den Archiven verschiedener Enzkreis-Gemeinde, wie z.B. Ölbronn, aufgetan hat. Am Beispiel mehrerer Familien werden die Umstände und Beweggründe für die Auswanderung erkennbar: Das württembergische Erbsystem mit dem Prinzip der Realteilung führte dazu, dass breite Bevölkerungsschichten im 19. Jahrhundert verarmten. Ein regelrechter Massenexodus ereignete sich daraufhin ab dem Jahr 1850. – Transkribierte Briefe in der Publikation gewähren tiefe Einblicke in das Schicksal der Auswanderer. Die Lektüre ermuntert nicht zuletzt zu historischen Analogien und Vergleichen.

Info:
Konstantin Huber:
… ich hatte ein besser Leben in diesem Land. Inventuren, Teilungen und Pflegrechnungen und ihre Bedeutung für die Auswanderungsforschung
hg. v. Kreisarchiv des Enzkreises
(Kraichgau-Mosaik, Bd. 1)
(Der Enzkeis. Schriftenreihe des Kreisarchivs, Bd. 14)
zahlreiche farbige Abbildungen, 112 Seiten,
ISBN 978-3-940968-26-5, Euro 14,90.

Kontakt:
Kreisarchiv des Enzkreises
Östliche-Karl-Friedrich-Straße 58
75175 Pforzheim
(Postfach 101080, 75110 Pforzheim)
Tel.: 07231/308-9423
Kreisarchiv@enzkreis.de

Quelle: PK, 12.6.2021; MT, 11.6.2021; PZ, 11.6.2021

Thronwechsel in Mecklenburg-Schwerin im Jahre 1785

Erbprinz Friedrich Franz I. folgt auf Herzog Friedrich den Frommen.

Als Friedrich Franz, Erbprinz von Mecklenburg-Schwerin, am Morgen des 24. April 1785 ausritt, konnte er von der einschneidenden Veränderung, die dieser Tag in sein Leben bringen sollte, noch nichts ahnen. Gewiss, am 21. hatte sein Onkel Friedrich, der regierende Herzog von Mecklenburg-Schwerin, „viel Schmerzen an die Ohren erlitten,“ und ist „die ganze vorige nacht kranck gewesen,“ wie der Erbprinz in seinem Journal vermerkte. Am 22. war der 28jährige „des Morgens beym Herzog zum unterschreiben,“ und „Serenissimus sind zwar etwas besser, allein dürfen noch gar nicht starck Husten, wegen den schmerzen im Kopf, und Ohr.“ Aber immerhin war der Mann auch 67 Jahre alt.

Am 24. nun kam „Auf einmahl die traurige Nachricht, Mein bester Oncle, Vater, und Wohlthäter sey sehr kranck, und diese kranckheit brachte einigemahle den Schlagfluß zu wege, worann er denn heute Morgen als den 24. um 6 ½ Uhr im Herrn sanft und seelig verschiet. Ach Gott welche schwere Strafe, aber auch welches Glük einen so treuen Freund gehabt zu haben, der einen den Weg zum Himmel bahnt, wenn man seinen Fußstapfen folgt. Seelig sind die todten die in den Herrn Schlafen von nun an bis in Ewigkeit. Ach seegne doch Mein Armes Vaterland durch mich unwürdigen.“ Diesen Journaleintrag vom 24. April 1785 schloss Friedrich Franz erstmals mit einem Signum bzw. Monogramm – „FFHzM“: Friedrich Franz, Herzog zu Mecklenburg.


Abb.: Erstmalige Verwendung des Monogramms „Friedrich Franz Herzog zu Mecklenburg“ (Landeshauptarchiv Schwerin, 2.26-1, Nr. 4391, p. 60)

Der von dem frischgebackenen Herzog hier beschworene Verlust scheint nicht mit den seit je gezeichneten Differenzen zwischen Vorgänger und Nachfolger zu harmonieren. Auf der einen Seite der pietistische sowie durch das Verbot von Theateraufführungen und anderem Unterhaltungsspektakel weltlich etwas entrückt scheinende Friedrich, der bereits zu Lebzeiten den Beinnamen „der Fromme“ erhielt. Auf der anderen Seite der Märkte und Volksfeste liebende, für jedweden Schabernack zu habende, mit außerehelichen Eskapaden und zahlreicher außerehelicher Nachkommenschaft auffällige Friedrich Franz, den der Leibarzt der preußischen Königin Luise wohl nicht zufällig als „turbulenten Herzog“ charakterisierte.


Abb.: Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin um 1786 (Landeshauptarchiv Schwerin, 13.1-3, Gen. XX, Friedrich Franz Nr. 26, Ausschnitt)

Diese unzweifelhaften Antagonismen in Lebensauffassung bzw. Lebensführung sollten jedoch den Blick auf das Wesentliche einer Regentschaft nicht verstellen, die Regierungsführung. Herzog Friedrich sah es als seine Regentenpflicht an, unnütze Aufwände zu vermeiden, um die Last des Volkes zu erleichtern. Folglich wird ihm attestiert, in seinem politischen Wirken mit Reformen auf die Verbesserung der Lebensumstände seiner Untertanen gezielt zu haben. Darauf hob Friedrich Franz ab, als er am 24. April 1785 die großen Fußstapfen des Verstorbenen bemühte. Diese Überzeugung bekräftigte der junge Herzog, sich bescheiden in den Hintergrund stellend, auch mit seiner Sukzessionsmedaille. Er legte sie eher wie eine Sterbemedaille für seinen Onkel an, dessen frommen und unsterblichen Spuren er zu folgen beabsichtigte – vestigia pii et immortalis patrui sequor. Inwiefern es ihm in seinen fast 52 Regentschaftsjahren gelang, diesem Credo gerecht zu werden, kommt durchaus auf den Standpunkt des Betrachters an. Den Anspruch, dessen Realisierung eine hier nicht zu erzählende Geschichte darstellt, erhob Friedrich Franz I. jedenfalls.

Kontakt:
Landeshauptarchiv Schwerin
Graf-Schack-Allee 2
19053 Schwerin

Dr. Matthias Manke
Tel.: 0385 / 588794-55
Fax: 0385 / 588794-12
m.manke@lakd-mv.de

Quelle: Dr. Matthias Manke, Landeshauptarchiv Schwerin, Archivalie des Monats Juni 2021

Ablässe in Villingen-Schwenningen

Eine besondere Urkundengattung im Stadtarchiv.

Das Stadtarchiv Villingen-Schwenningen verwahrt eine große Anzahl von Urkunden in seinen Beständen. Eine besondere Gruppe stellen hier die 17 Ablassbriefe und 3 Ablassbestätigungen dar. Sie stammen aus der Zeit von 1286 bis 1759. Insgesamt sieben Dokumente im Stadtarchiv (Best. 2.4 Nr. 582-587) sind sogenannte Sammelindulgenzen. Sie sind von mehreren Würdenträgern ausgestellt. Diese Urkunden sind in der Regel Schauobjekte. Da die Menschen des Mittelalters und der frühen Neuzeit Analphabeten waren, sollten sie durch Sehen glauben.


Abb.: Sammelindulgenz, welche am 4. Juni 1341 von neun Erzbischöfen und Bischöfen für die Villinger Pfarrkirche (Altstadtkirche) ausgestellt wurde (Foto: Stadtarchiv Villingen-Schwenningen)

Die ausgewählte Urkunde (Best. 2.4 Nr. 586) stellten am 4. Juni 1341 neun Erzbischöfe und Bischöfe in Avignon unter dem Pontifikat Benedikts XII. für die Villinger Pfarrkirche (Altstadtkirche) aus. Von den neun Siegeln sind noch acht (schwer beschädigt) erhalten, das neunte fehlt. Der Text ist lateinisch und beginnt mit dem Wort Universis. Das Pergament ist 60 mal 83 cm groß. Der Ausschnitt zeigt von Weinranken eingerahmt die Initiale U (31×44 cm). In der Mitte ist die Heilige Katharina von Alexandria zu sehen. Sie ist an ihren Attributen Krone, Schwert und Rad zu erkennen. Rechts daneben hält ihr ein kniender Mönch ein weiteres ihrer Attribute, den Palmzweig, entgegen. Auch der folgende Buchstabe N ist mit einem floralen Muster geschmückt.

Kontakt:
Amt für Archiv und Schriftgutverwaltung
Abteilung Stadtarchiv
Winkelstraße 7, Bau D, 3. OG
78056 Villingen-Schwenningen
Lantwattenstraße 4
78050 Villingen-Schwenningen
Tel.: 07721 / 82-1810 und 07721 / 82-1817
stadtarchiv@villingen-schwenningen.de

Postanschrift:
Postfach 12 60
78002 Villingen-Schwenningen

Quelle: Stadtarchiv Villingen-Schwenningen, Aktuelles, Juni 2021; Stadt Villingen-Schwenningen, Aktuelle Stadtmeldungen, 04.06.2021

Die Technisierung bei der Crailsheimer Feuerwehr

Vom Ledereimer zum Löschzug.

Eine der ältesten Zeichnungen in der Grafiksammlung des Stadtarchivs Crailsheim zeigt nicht etwa eine historische Stadtansicht oder eine honorige Persönlichkeit, sondern eine kuriose Gerätschaft: Auf einem Traggerüst aus roten Holzbalken und -brettern sitzt ein dekorativ verzierter Kasten. Er wird flankiert von zwei senkrechten Ständern, in denen Hubstangen befestigt sind. Diese kreuzen sich über der Mitte des Kastens und betätigen zwei dünne Eisenstangen, die in den Kasten abgesenkt werden können. Daneben ragt ein Metallrohr empor, dessen waagerecht abgewinkeltes Ende vermutlich geschwenkt werden konnte. Unter dem Kasten ist ein U-förmiges Rohr zu sehen. Offenbar handelt es sich um ein raffiniertes technisches Gerät.


Abb.: Noa Ruthardt von Biberach war ein gefragter Spezialist: Im Stadtarchiv Crailsheim hat sich sein Entwurf für eine Handdruckspritze erhalten (Bild: Stadtarchiv Crailsheim)

Aufschluss gibt eine kleine Beischrift auf der Rückseite des ehemals wie ein Brief gefalteten Blattes: „Modell von einer Waßerkunst“. Das Bild zeigt somit eine Spritze, bei der durch Betätigen der Hebel im Behälter Druck erzeugt wird und somit Wasser gespritzt werden kann. Der „Meister dieses Werkes“, Noa Ruthardt von Biberach, nennt sich stolz auf der Vorderseite. Dort sind auch die Maße des Kastens angegeben. Offenbar hatten die Crailsheimer zu Beginn des 18. Jahrhunderts genug davon, Brände mühselig mit Ledereimern zu löschen. Die Stadt interessierte sich für eine moderne Feuerspritze und holte dazu von weit her das Angebot eines Fachmannes ein. Der Preis der Spritze ist mit 140 Gulden angegeben.

Der „Technikfuchs“ Noa Ruthardt war damals wohl überregional bekannt: Eine von ihm 1733 gefertigte Handdruckspritze hat sich noch in Lienz in Österreich erhalten. Es ist bekannt, dass Ruthardt persönlich von Biberach nach Lienz reiste, um die Handhabung des Geräts zu erklären. Diese vermutlich älteste erhaltene Feuerspritze Tirols war rund 150 Jahre im Einsatz und befindet sich immer noch im Besitz der Lienzer Feuerwehr.

Ein Vergleich zeigt die Ähnlichkeit zum Entwurf im Crailsheimer Stadtarchiv: Auch hier sitzt ein Kasten auf einer Tragkonstruktion, die an den Schmalseiten die Halterungen für die Pumpstangen hält. Das Spritzrohr ragt oben aus dem Kasten heraus. Deutlich wird jedoch auch, dass zum Transport ein Wagen genutzt werden konnte. Dieser wurde in Lienz von Pferden gezogen. Die Spritze in Lienz ist ebenfalls bemalt, auf der mittigen Kartusche ist das Wappen der Adelsfamilie Wolkensteiner zu sehen, daher der Name: Wolkensteiner Spritze. Auf einem Crailsheimer Modell, wenn es wie auf der Zeichnung dargestellt gebaut worden wäre, hätten sich die drei Kraile (gestürzte schwarze Kesselhaken) des Stadtwappens sicher gut in der Wappenkartusche gemacht, die von Löwen und Blattranken umrahmt wird.

Ob diese „Wasserkunst“ jedoch tatsächlich von der Stadt angeschafft wurde, ist bislang nicht bekannt. Dass sich die Stadt schon in früheren Jahrhunderten rege um eine zeitgemäße technische Ausrüstung – und damit um die Sicherheit ihrer Einwohner – bemühte, ist an einzelnen Punkten gut nachvollziehbar: In den Stadtrechnungen ist belegt, dass 1779 eine „größere Feuermaschine“ mit Schlauch angeschafft wurde. Sie stammte aus der Werkstatt des ansässigen Glockengießers Johann Ernst Lösch. Glockengießer Lösch wurde um 1800 regelmäßig für die Wartung der Spritzen bezahlt.

1837 wurde eine alte tragbare Feuerspritze verkauft und ein moderneres Gerät angeschafft. Schon 1857 lieferte die Firma Metz aus Heidelberg eine „Saug- und Feuerspritze“, nachdem im Jahr zuvor die Feuerwehr für alle Männer verpflichtend geworden war. Weil es immer wieder Beschwerden über deren Einsatzeifer gab, wurde schließlich 1877 unter Stadtschultheiß Leonhard Sachs die Freiwillige Feuerwehr gegründet. Dazu holte die Stadt wiederum Angebote für „Feuermaschinen“ ein, wie mehrere Darstellungen eleganter Löschwagen in der Grafiksammlung des Stadtarchivs beweisen.


Abb.: Werbeplakat der Firma Magirus aus Ulm ca. 1860 (Bild: Stadtarchiv Crailsheim)

Von diesen ältesten Feuerlöschgeräten hat sich in Crailsheim allerdings keines erhalten. Das älteste erhaltene Fahrzeug ist der Tanklöschwagen 15/50, der von 1953 bis 1983 in Betrieb war, weitere Oldtimer sind das Löschgruppenfahrzeug 16-TS von 1960 und der Schlauchwagen 2000 aus dem Jahr 1966: „Die sind alle noch fahrbereit“, betont Stadtbrandmeister Armin Klingenbeck. Nach seiner Auskunft besitzt die Crailsheimer Wehr momentan 32 im Dienst stehende Fahrzeuge, sowie zwölf Abrollbehälter und drei Anhänger. Das modernste Fahrzeug ist der kürzlich angeschaffte Kommandowagen, der über einen Hybridantrieb verfügt.

Kontakt:
Stadtarchiv Crailsheim
Marktplatz 1 (Gebäude: Arkadenbau)
74564 Crailsheim
Tel.: 07951 / 403-1290
www.stadtarchiv-crailsheim.de

Quelle: Dr. Helga Steiger, Stadtarchiv Crailsheim, Archivale des Monats Juni 2021

Die Überschwemmungskatastrophe von 1926 in Laupheim

Endlich Sommer! Sonnenschein, warme angenehme Temperaturen und blühende lebendige Natur. Das Wetter in den Sommermonaten kann jedoch auch für heftige Regenfälle und sogar Überschwemmungen sorgen. Um zu zeigen, wie das in Laupheim aussehen kann, fiel die Wahl des Stadtarchivs Laupheim für die Archivalie des Monats Juni 2021 auf Fotografien zu der Überschwemmungskatastrophe von 1926.


Abb.: Tiefergelegene Regionen wurden überflutet, 1926 (Stadtarchiv Laupheim)


Abb.: Behelfssteg in Laupheim über eine überschwemmte Straße, 1926 (Stadtarchiv Laupheim)

Georg Schenk erinnert sich in einem Bericht dazu noch lebhaft:

Seit Mittwoch dem 2. Juni 1926 hatte es ununterbrochen geregnet. Alle Vorbereitungen waren schon für die am anderen Tage fällige Fronleichnamsprozession getroffen worden; sie musste jedoch ausfallen, denn es regnete und regnete weiter. Auch am Freitag hatte der Himmel seine Schleusen immer noch offen. Bäche und Flüsse schwollen immer mehr an und begannen über ihre Ufer zu treten.
Schon um neun Uhr des Vormittags konnte die Laubach die aus Grund hervorbrechenden Wassermassen nicht mehr aufnehmen; sie traten über die Ufer und wurden zum reißenden Strom. Sie drangen mit heftiger Gewalt aus dem Schlosspark durch das Fäbergässle zum Marktplatz vor, durchbrachen das Haus von Schumacher Müller und bedrohten die Gebäude vom Mineralwasserfabrikant Stammler und Karl Schmid. Auch die Wege wurden aufgerissen. Die Mittel- und Rabenstraße ergoss sich zunächst ein schmaler, reißender Bach, der sich schnell über die ganze Breite der Straße ausdehnte.
Mit Mühe und Not brachte man die Schulkinder über die schmutziggelben Wogen in Sicherheit; die Kleinen weinten vor Angst, die Großen freuten sich des aufregenden Erlebnisses, das ihnen einen vorzeitigen Abbruch des Unterrichts bescherte. Gegen zehn Uhr waren alle Straßen auch in der Unterstadt überschwemmt; wie Inseln standen die Gebäude im tobenden Element. Es half nur wenig, dass mancher versuchte, seinem Eindringen in Keller und Untergeschoss durch allerlei Behelfsmittel Einhalt zu gebieten. In vielen Häusern mussten die unteren Stockwerke geräumt werden. Vieh, Schweine und Geflügel wurden hastig in Sicherheit gebracht. Noch um elf Uhr schwoll das Wasser an und jetzt umso mehr, als es nun in der Rottum keinen Abfluss mehr fand.
Die Not stieg, denn nun kamen die Wassermassen auch noch von unten herauf. Die Rottum hatte bereits das ganze Wiesengelände bei der Steinerschen Werkzeugfabrik in einen brodelnden See verwandelt. Die Bewohner der Insel und der Krautgasse mussten in Sicherheit gebracht werden. Allenthalben wurde bei der Räumung der Häuser und Eindämmung des Wassers von den wackeren Mannen der Feuerwehr und der Sanitätskolonne, die man aus den Betrieben alarmiert hatte, tatkräftige Hilfe geleistet. Die Brücken wurden überschwemmt; der Verkehr musste eingestellt werden.


Abb.: Sanitäter waten mit einem Verletzten durch eine überspülte Straße, 1926 (Stadtarchiv Laupheim)

Noch um fünf Uhr nachmittags wurden auch die Häuser entlang der Rottum und in der Sterngasse geräumt, denn der Flusslauf stieg im Laufe des ganzen Tages immer mehr an, während die dem Grund entströmenden Gewässer schon ab zwei Uhr langsam nachließen. Gegen Abend konnten einige Straßen um den unteren Marktplatz wieder begangen werden.

Kontakt:
Stadtarchiv Laupheim
Claus-Graf-Stauffenberg-Straße 15
88471 Laupheim
Tel.: 07392 / 96800-50
Fax: 07392 / 96800-18
gerd.winkler@laupheim.de
https://stadtarchiv-laupheim.de

Quelle: Stadtarchiv Laupheim, Archivalie des Monats Juni 2021

Fremdländische Händler im Weil des 18. Jahrhunderts

Dass Migration kein neuzeitliches Phänomen ist, sondern bereits in vergangenen Jahrhunderten festgestellt werden kann, zeigen zahlreiche Dokumente im Weiler Stadtarchiv. – Ein besonders prachtvolles Dokument aus den Archivbeständen zum Thema Wanderungsbewegungen wird als Archivale des Monats Juni 2021 vorgestellt. Im Urkundenbestand des Stadtarchivs Weil der Stadt findet sich neben den „üblichen“ spätmittelalterlichen Urkunden auch eine Urkunde für Mathäus de Crignis aus Tolmezzo im Monaital/Karnien, ausgestellt von Johannes Palazzini am 20.August 1716.

Auf welchem Weg diese Urkunde in das städtische Archiv gelangte ist unklar – das eigentlich private Lebensdokument könnte gegenüber der damaligen Stadtverwaltung als Nachweisdokument gedient und sich daraufhin in der städtischen Überlieferung erhalten haben.

Die Urkunde besteht aus Pergament und ist 59 cm breit und 50 cm hoch. Durch die Verzierungen mit floralen und ornamentalen Elementen ist in der Mitte der Markuslöwe dargestellt mit der Inschrift „Pax tibi, Marce, E[vangelista] M[eus]“ = „Friede sei mit Dir, Markus, mein Evangelist“, mittig am oberen Rand ist der venezianische Löwe zu sehen [Mit der Eroberung des Patriarchats durch die Republik Venedig kam 1420 auch Karnien unter venezianische Herrschaft und schied aus dem römisch-deutschen Reichsverband aus. 1796 kam es mit Venetien an Österreich, 1866 an Italien].

Die komplett in lateinischer Sprache gefasste Urkunde ist ein Leumundszeugnis für Mathäus de Crignis und bestätigt seine eheliche Abstammung sowie seine Herkunft aus Tolmazzo. Zugleich bittet der Aussteller um Schutz und Unterstützung für ihn.

Aus dem Friaul und besonders aus dem Gebiet der karnischen Voralpen setzte nach dem Dreißigjährigen Krieg eine beruflich und sozial bedingte Migration nach Süddeutschland ein. Landwirtschaftliche Saisonarbeiter, wandernde Händler und Hausierer kamen Ende des 17. Jahrhunderts in Scharen über die Alpen und boten hier ihre Waren und ihre Arbeitskraft an.

Für die Wanderhändler aus den karnischen Alpen wurde ein eigener Begriff geprägt. Sie waren die „Cramars“ (die heutigen „Krämer“, auch „karnischen Materialisten“ genannt) und handelten mit Stoffen und Gewürzen, die sie aus Venedig bezogen sowie mit selbstgefertigten handwerklichen Produkten. Es gab die Wanderhändler, die von Markt zu Markt zogen und diejenigen, die sich am Ziel ihrer Reise niederließen und als Ladenbesitzer heimisch wurden. Dabei waren die Gebrüder Crignis jedoch kein „Einzelfall“ – weitere Weiler Migranten früherer Jahrhunderte sind u.a. die Gaudy (Savoyen) oder auch die Familie Gall (aus Mailand bzw. vom Comer See).
Zu letzteren reisenden Händlern zählte auch Mathäus de Crignis. Er stammte aus Tolmezzo (deutschsprachig „Schönfeld“), welches ungefähr 40 km von der Grenze zu Österreich/Kärnten entfernt liegt. Wir wissen von ihm, dass er vermutlich um 1685 geboren ist und Anfang des 18. Jahrhunderts nach Weil der Stadt kam. Ob er zunächst nur gelegentlich nach Weil der Stadt kam und dabei seine spätere Frau kennen gelernt hat, oder ob er aus sonstigen Gründen bereits in Weil der Stadt ansässig war und dann erst in Kontakt zu Maria Stotz kam, können wir getrost der Phantasie überlassen. In jedem Fall hat er am 18. Januar 1712 in Weil der Stadt die Maria Eva Stotz geheiratet hat. Mit ihr hatte er sechs Kinder, von denen aber nachweislich nur die Tochter Maria Viktoria * 05.09.1722 das Erwachsenenalter erreicht hat. Am 26. April 1715 wurde Mathäus de Crignis ins Weil der Städter Bürgerrecht aufgenommen. Crignis ist am 16. März 1726 hier gestorben. Warum ihm aber, nachdem er in Weil der Stadt schon sesshaft geworden war, 1716 von Tolmezzo aus noch ein Abstammungsnachweis und ein Geleitschreiben ausgestellt wurde, konnte bislang nicht geklärt werden.

Matthäus de Crignis wurde nicht alleine hier ansässig, sondern auch ein Verwandter von ihm (vermutlich sein Bruder) mit Namen Johannes Crignis. Beide erhielten im Jahre 1715 das Weiler Bürgerrecht. Johannes Crignis heiratete am 14. Mai 1715 Anna Margaretha Elisabeth Hohenstein. Mit ihr hatte er 13 Kinder, von denen nur zwei das Erwachsenenalter erreichten.

Johannes Crignis taucht in verschiedenen Dokumenten des Stadtarchivs auf [WR Rechnungen Weil der Stadt, Stadtrechnung von 1715 sowie u.a. in den Waisengerichtsprotokollen , von 1748 und 1773], darunter auch im Waisengerichtsprotokoll des Jahres 1748 [wie Wolfgang Schütz herausgefunden hat]. Nach dem Tode des Apothekers August Öhler (* unbekannt, † 16. April 1748) stellte er bereits zu Lebzeiten Öhlers im April 1741 sowie nochmalig am 14. Mai 1748 eine siebenseitige Liste mit pharmazeutischen Handelsgütern auf. Diese hatte er über einen Zeitraum von 25 Jahren an Öhlers Apotheke geliefert, jedoch hat Öhler seine Schulden in Gesamtsumme von 28 Gulden laut Angaben von Crignis nie gezahlt. Dabei ist besonders interessant, welche Güter Crignis geliefert hat. Es finden sich so exotisch anmutende Produkte wie „1/2 lot Spermaceti“ (die ölige Substanz „Walrat“, welche aus dem Kopf von Pottwalen gewonnen wurde) oder auch „1 quintil ganzen orientalischen Safran“. Zu den weiteren Produkten, die sich Öhler für seine Apotheke durch Handelsmann Crignis liefern ließ, gehören auch Kupfervitriol, Dragant, Sassafras oder die als Potenzmittel bekannte „Spanische Fliege„.


Abb.: Auflistung der durch Johannes Crignis an Apotheker Öhler gelieferten Waren (Stadtarchiv Weil der Stadt)

Dass zumindest das hier gesprochene Deutsch oder gar der damalige schwäbische Dialekt nicht Crignis` Muttersprache war, könnte ein Erklärungsversuch für seine auch für das 18. Jahrhundert eigenwillige Schreibweise sein. Er schreibt schlichtweg nach Gehör, und man meint in der Einleitung seiner Auflistung fast einen italienischen Akzent zu hören:

„Weilerstatt d. 18. Aprili 1741. Ferzaichnis wohß mir der Herr Apetecker Herr Agustin Öheler nag unt nag hat bei mir ahabb ohlen lahsen unt mir schuldig ferblieben wie folgt.“

 


Abb.: Abstammungsurkunde des Italienischen Handelsmanns Mathäus de Crignis (Stadtarchiv Weil der Stadt)

Transkription und Übersetzung der Abstammungsurkunde des Mathäus Crignis

[1] In Christi nomine amen
[2] Universis et singulis has nostras [3] litteras inspecturis lecturis atque audituris, serenissimis DD(ominis) principibus, ducibus, illustrissimis DD(ominis) comitibus, marchionibus, illustrissimis [4] et reverendissimis DD(ominis) archiepiscopis, episcopis, abbatibus, civitatum et quorumcumque locorum rectoribus, pr(a)etoribus, passuumque [5] custodibus, omnibus denique maioribus nostris cultum et observantiam, paribus vero et aliis salutem dilectionemque annunciantes,
[6] nos Ioannes Palazini, pro ser(enissi)mo Dominio Venetiarum Gastaldio, Capitaneus, Camerarius, Provisores, Iudices, Consiliarii et Rectores [7] communitatis terrae Tulmetii totiusque provinciae Carniae praesidentes, harum tenore fidem indubiam facimus ac publice attestamur [8] prudentem et bene morigeratum virum D(ominum) Mathaeum de Crignis de Valle Monaii Quarterii Gorti, praesentium exhibitorem, fuisse procreatum [9] ex legitimo et laudabili matrimonio contracto inter D(ominum) Nicolaum de Crignis de supradicta valle Monaii nostrae Iurisdictionis ex una <parte>, [10] et Honestam Dominam Leonardam Iugalem ex altera <parte>.
Quod quidem nobis maxime compertum est, tum ex communi eum agnoscentium [11] fama, tum praecipue ex attestatione prudentum et proborum hominum DD(ominorum) Petri Chitera et Sebastiani Casanova amborum de suprad(dict)o [12] loco Vallis Monaii, qui delato eis per nos ex sancta legum institutione iuramento supradicta omnia nobis affirmarunt atque [13] sincere testati sunt.
Qua propter Nos antelati Gastaldio, Capitaneus, Camerarius, Provisores, Iudices, Consiliarii et Rectores [14] Supradictum D(omnium) Mattheum de Crignis dilectum nostrum nobis ob eius virtutes, carissimum omnibus et singulis, ad quos se ipse [15] contulerit, ardentissimo studio commendamus, ac cuiuslibet Principis Ser(enissi)mi et ius dicentis benignitatem et iustitiam rogamus, ne quam [16] ei per suas regiones proficiscenti artemque institoriam exercenti, iniuriam inferri sinant, eique in omnibus, quae aequa et iusta peti(v)erit, [17] se faciles praebeant atque singulari (quoad fieri poterit) humanitate complectantur.
Quod quidem nobis adeo gratum [18] futurum erit, ut ibi dilectis hominibus, si quos ad nos pervenire contigerit, complectendis omnique ope, gratia et auctoritate [19] nostra fovendis, iis, qui erga hunc carissimum nostrum aliquid officii contulerint, parem gratiam nos relaturos esse [20] polliceamur.
In quorum omnium fidem et testimonium has nostras patentes literas scribi ac duplicis communis [21] nostri maioris sigilli impressione muniri mandavimus. In quorum…
[22] Datum in terra n(ost)ra Tulmetii [23] anno Domini MDCCXVI (millesimo septingentesimo sexto decimo) die XX(vicesimo) augusti.
[24] Ioannes Palarini pro ser(enissi)mo dominio veneto Gastaldio
[25] Franciscus de Piccolis Capitaneus
[26] Sylvius Fussacus Camerarius
[27] Placidus Decianus Provisor
[28] Joseph Flamia phil(osophiae) et med(icinae) d(octo)r iudex
[29] Franciscus Camprinus Cancell(ariu)s [30] mag(istrat)us communitatis Tulmetii [31] per alienam sibi fidam manum [32] fideliter et solitis sigillis ipsius [33] munivit.

[1] In Christi Namen Amen
[2] Allen insgesamt und jedem einzelnen, die diesen unseren [3] Brief betrachten, lesen und hören werden, den hocherhabenen Herren Fürsten und Herzögen, den äußerst vornehmen Herren Grafen und Markgrafen, den sehr erhabenen [4] und erwürdigen Herren Erzbischöfen, Bischöfen und Äbten, den Vorstehern und Richtern eines jeden Ortes und den Pass-[5]Wächtern, und schließlich all unseren im Range Höheren entbieten wir Verehrung und Ehrerbietung, den Gleichgestellten aber und allen anderen Heil und Liebe.
[6] Wir, Ioannes Palazini, Gastaldus im Namen der hocherhabenen Herrschaft der Republik Venedig, sowie der Capitaneus, der Kämmerer, die Sachwalter, Richter, Räte und Vorsteher [7] der Landgemeinde von Tolmezzo und die Vorsteher der ganzen Provinz Karniens beglaubigen unzweifelhaft den Inhalt dieses Briefes und bestätigen öffentlich, [8] dass der kluge und wohlgesittete Mann, Herr Mathaeus de Crignis, aus dem Monai-Tal aus der Gegend des Gorto, Vorzeiger des vorliegenden Briefes, hervorgegangen ist [9] aus rechtmäßiger und löblicher Ehe, geschlossen zwischen dem Herrn Nicolaus de Crignis aus obengenanntem Monai-Tal in unserem Amtsbezirk einerseits, [10] und der ehrenwerten Frau Leonarda, seiner Gattin, andereseits.
Dies ist uns unstrittig in höchstem Maße bekannt, einmal aus dem allgemeinen Ruf bei denen, die ihn kennen, [11] dann vor allem aus der Bestätigung weiser und rechtschaffener Männer, der Herren Petrus Chitera und Sebastianus Casanova, beide aus dem obengenannte [12] Ort des Monai-Tals, die, nachdem ihnen durch uns aufgrund der heiligen Satzung der Gesetze ein Eid auferlegt worden war, all das obengenannte uns bekräftigt und [13] ehrlich bezeugt haben.
Deswegen empfehlen wir, der vorgenannte Gastaldus, der Capitaneus, der Kämmerer, die Sachwalter, Richter, Räte und Vorsteher [14] den obengenannten, Herrn Mathaeus de Crignis, unseren von uns aufgrund seiner Tugenden Geliebten und Teuersten, allen und jedem einzelnen, zu denen er sich selbst [15]begeben haben wird, mit glühendstem Eifer, und erbitten eines jeden erhabensten Fürsten und Rechtsprechenden Güte und Gerechtigkeit, damit sie [16] ihm, wenn er durch ihre Gegenden reist und seine Kunst und seinen Handel ausübt, nicht irgendein Unrecht zufügen lassen, und bei allen Dingen, die er auf recht und billige Art und Weise erbeten wird, ihm [17] sich gefällig erweisen und ihm (soweit dies geschehen kann) mit einzigartiger Freundlichkeit begegnen.
Dies wird uns unstrittig in solchem Maße zu Dank [18] sein, sodass die verehrten Menschen, wenn es geschehen wird, dass sie zu uns gelangen, hier von allem Beistand umfasst und von unserer Gunst und unserem Ansehen unterstützt werden sollen, und sodass wir diesen, die gegenüber unserem sehr Teuren irgendeinen Dienst erwiesen haben, versprechen, uns gleichermaßen dankbar zu erweisen. [20].
Zu all dessen Beglaubigung und Zeugnis haben wir befohlen, dass dieser unser offene Brief geschrieben und [21] mit dem Aufdruck des doppelten großen Siegels unserer Gemeinde bekräftigt wird. Zu dessen…[22] Geben in unserem Land von Tolmezzo im Jahr des Herrn 1716, am zwanzigsten Tag des August.
[24] Ioannes Palarini, Gastaldus im Namen der Namen der hocherhabenen venezianischen Herrschaft
[25] Franciscus de Piccolis, Capitaneus
[26] Sylvius Fussacus, Kämmerer
[27] Placidus Decianus, Provisor
[28] Joseph Flamia, Doktor der Philosophie und der Medizin, Richter
[29] Franciscus Camprinus, Kanzler [30] des Rats der Gemeinde von Tolmezzo, [31] hat dies durch fremde, ihm gegenüber zuverlässige Hand [32] treu und mit den gewohnten Siegeln desselben [33] bekräftigt.

Kontakt:
Stadtarchiv Weil der Stadt
Kapuzinerberg 1
71263 Weil der Stadt
Tel.: 07033 / 309-188
Fax: 07033 / 309-190
stadtarchiv@weilderstadt.de

Quelle: Mathias Graner, Stadtarchiv Weil der Stadt, Archivale des Monats Juni 2021, 21.05.2021

Hochschule Bonn-Rhein-Sieg kooperiert mit Stadtarchiv Sankt Augustin

Seit ihrer Gründung 1995 hat sich in der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg viel Material angesammelt, das über ihre Entwicklung Aufschluss gibt. Am 16.6.2021 unterzeichnete sie einen Vertrag mit dem Stadtarchiv Sankt Augustin, damit dieses Material nicht nur vor Verlust geschützt, sondern erschlossen und für eine wissenschaftliche und allgemeine Nutzung zugänglich gemacht wird. Direkt nach der Unterzeichnung nahm Stadtarchivar Michael Korn das erste Material in Empfang.


Abb.: Stadtarchivar Michael Korn (rechts) radelt gleich mit den ersten Materialien ins Stadtarchiv Sankt Augustin. Am Start dabei (von links): Hochschulkanzlerin Angela Fischer, Hochschulpräsident Hartmut Ihne und Sankt Augustins Bürgermeister Max Leitterstorf (Foto: H-BRS/Martin Schulz).

Drucksachen, wie Faltblätter, die Hochschulzeitung, Jahresberichte, Fotos, Urkunden und Verträge oder Sitzungsprotokolle, gehören dazu, aber auch kurios anmutende Gegenstände wie ein Stiftehalter in Backsteinform aus der Zeit vor der Gründung und ein Zierteller: Es ist sehr viel und sehr verschiedenartiges Material, das die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg seit ihren ersten Tagen gesammelt hat.

Der jetzt geschlossene Kooperationsvertag zwischen Hochschule und Stadt zielt darauf ab, dass archivwürdige Unterlagen und Gegenstände fachgerecht gesichtet, bewertet, katalogisiert und im städtischen Archiv gelagert werden. Es handelt sich um wichtige analoge oder digitale Unterlagen, die nicht mehr für die laufende Aufgabenerfüllung benötigt werden. Jedoch schreibt der Gesetzgeber insbesondere für historisch relevante Unterlagen eine langfristige Aufbewahrung vor.


Abb.: Die Hochschule hat seit ihrer Gründung viel Material aufbewahrt. Erhaltenswerte Unterlagen und Gegenstände werden künftig im Stadtarchiv fachgerecht gesammelt und für Recherche und Forschung bereitgestellt (Foto: H-BRS/Martin Schulz).

Beide Seiten profitieren somit von der Zusammenarbeit: Die Hochschule gewinnt einen fachkundigen Partner für die Archivierung ihrer historisch relevanten Unterlagen, während die Stadt einen bedeutsamen Teil der jüngeren und künftigen Stadtgeschichte umfänglich dokumentieren und allen Interessierten bereitstellen kann. Der größte Nutzen entsteht letztlich für die Gesellschaft, denn die Unterlagen stehen – unter Einhaltung der gesetzlichen Datenschutzbestimmungen – dauerhaft und für jedermann zugänglich zur Erforschung bereit. Die Nutzung ist im Allgemeinen kostenfrei.

Für die Stadt unterzeichneten Bürgermeister Max Leitterstorf sowie der 1. Beigeordnete Ali Dogan den Vertrag, für die Hochschule Präsident Hartmut Ihne und Kanzlerin Angela Fischer. Die Hochschule betritt damit Neuland, wie Hochschulkanzlerin Fischer hervorhob, denn bislang war die Hochschule die Archivierung von Dokumenten und Unterlagen noch nicht angegangen. „Umso mehr freuen wir uns, mit dem Stadtarchivar Michael Korn für alle Fragen der Archivierung einen kompetenten und verlässlichen Ansprechpartner zu haben.“

Sankt Augustins Bürgermeister Max Leitterstorf freute sich anlässlich der Vertragsunterzeichnung über den Umstand, dass Hochschule und Stadt eine lange gemeinsame Geschichte haben, die Hochschule ist in diesem Jahr genau halb so alt wie die Stadt.

Leitterstorf hat zudem eine sehr persönliche Beziehung zur Hochschule, denn seit August 2019 ist er dort Professor für Rechnungswesen am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Doch auch wenn seine und andere Personalunterlagen in der Hochschule vorhanden sind, können künftige Archivnutzer sie dennoch nicht einsehen, wie Stadtarchivar Michael Korn betont, denn alle personenbezogenen Dokumente unterliegen strengen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Ohnehin verbleiben alle Akten, die im laufenden Geschäftsbetrieb gebraucht werden, in der Hochschule.

Eine besondere Herausforderung besteht für den Stadtarchivar darin, die Unterlagen dauerhaft zu archivieren, die nur in elektronischer Form vorliegen. Hier geht es darum, die Dateien zu sichten, den Entstehungszusammenhang festzuhalten und die vielen unterschiedlichen Dokumenttypen in langfristig auswertbare Formate umzuwandeln. Das Sankt Augustiner Stadtarchiv setzt dabei auf technische Lösungen in Zusammenarbeit mit dem „Digitalen Archiv NRW“. Es hat im vergangenen Jahr als eines der ersten Kommunalarchive in NRW überhaupt mit der komplexen digitalen Langzeitarchivierung begonnen.

Ganz analog und sogar abgasfrei nahm Stadtarchivar Korn nach Vertragsunterzeichnung erstes Material aus der Stabsstelle für Kommunikation und Marketing mit: Zwei Behälter mit Archivgut fasst der Fahrradanhänger, mit dem er auf dem Campus an der Grantham-Allee vorgefahren war.

Kontakt:
Stadtarchiv Sankt Augustin
Markt 1
53757 Sankt Augustin
Tel. 02241/243-337
stadtarchiv@sankt-augustin.de

Quelle: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, Pressemitteilung, 17.6.2021